Gedenken an NS-Opfer Stolperstein in Hennef: Erst zwangssterilisiert, später ermordet
HENNEF · Ein neuer Stolperstein in Hennef erinnert an das Schicksal von Therese Müller, die von den Nazis zwangssterilisiert und später ermordet wurde. 20 weitere Stolpersteine sollen in diesem Jahr verlegt werden.
Den Opfern einen Namen geben und an die Menschen erinnern, die während der nationalsozialistischen Diktatur ermordet wurden – das ist der Sinn des Projektes „Stolpersteine“, das der Künstler Gunter Demnig 1992 startete und zum weltweit größten dezentralen Mahnmal entwickelte.
Mittlerweile hat Demnig mehr als 75 000 Stolpersteine in insgesamt 1250 deutschen Kommunen sowie in 24 Staaten Europas verlegt. Aufgrund der Corona-Pandemie wird der Künstler voraussichtlich erst im kommenden Jahr wieder zum Werkzeug greifen, um die kleinen Betonwürfel mit den angegossenen Gedenk-Messingtafeln in die Gehwege vor den letzten frei gewählten Wohnsitzen der Ermordeten einzufügen.
Dennoch eröffnete Demnig eine Möglichkeit, auch während dieser Zeit Stolpersteine zu verlegen. „Wir haben uns insgesamt 21 Stolpersteine von Gunter Demnig schicken lassen, die in diesem Jahr in Hennef verlegt werden“, sagte Pfarrerin Antje Bertenrath vom Ökumenekreis Hennef, der die Steine über Spendengelder finanziert und die Verlegung gemeinsam mit der Stadt Hennef organisiert.
„Das Gedenken ist für unser Land systemrelevant“
Den Anfang machte am Mittwoch, pünktlich zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, die Verlegung eines Stolpersteins für Therese Müller vor ihrem ehemaligen Wohnhaus an der Eitorfer Straße 50 in Stadt Blankenberg. Den Stolperstein ließen Oliver Mittelstedt und Richard Körner, zwei Mitarbeiter des städtischen Bauhofs, ins Pflaster ein.
„Trotz der aktuellen Einschränkungen war es uns wichtig, an diesen Tag zu erinnern, wenn auch nur im ganz kleinen Kreis und mit allen Abstandsregeln, die wir zurzeit haben. Das Gedenken ist für unser Land essenziell wichtig und sozusagen systemrelevant. Die unantastbare Würde des Menschen wurde im Nationalsozialismus auf grausame Art und Weise verachtet. Die Stolpersteine erinnern uns daran im Alltag auf Schritt und Tritt“, sagte Bürgermeister Mario Dahm, der an der kleinen Zeremonie teilnahm.
Bislang wurden insgesamt 27 Stolpersteine im Hennefer Zentrum, in Geistingen und in Rott verlegt. Während die meisten Stolpersteine an die jüdischen Opfer der Nazi-Diktatur erinnern, ist Therese Müller eine Ausnahme. Die 1905 in Berg bei Blankenberg geborene Frau, die ihrem Vater den Haushalt führte und eher unauffällig und introvertiert gewesen sein soll, wurde im Zuge der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen aufgrund einer von dem damaligen Arzt Dr. Diehm diagnostizierten Schizophrenie zunächst 1935 zwangssterilisiert.
In der Tötungsanstalt Hadamar ermordet
„Ihr Bruder, der ihr gesetzlicher Vertreter war, hatte noch versucht, auf dem Rechtsweg die Zwangssterilisation zu verhindern, aber ohne Erfolg“, sagten Claudia Langner und Mira Reisen, Lehrerinnen an der Gesamtschule Meiersheide, deren ehemalige Schülerin Karolina Kazuni sich eingehend mit der Biografie von Therese Müller beschäftigt hat. 1941 wurde Müller schließlich in die Heil- und Pflegeanstalt Bonn eingewiesen und am 20. Juni 1941 von den Nazis in der Tötungsanstalt Hadamar im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ wie 70 000 weitere Menschen ermordet.
„Die Bildungspartnerschaft der Gesamtschule Meiersheide mit dem Kreisarchiv war für die Recherche sehr wichtig“, sagten Reisen und Langner. Nach der Verlegung des Steines für Therese Müller bildete ein Gebet von Pfarrerin Antje Bertenrath und Helga Haas von der Katholischen Kirche den Abschluss der kleinen Zeremonie. Weitere 20 Stolpersteine, die an die jüdischen Opfer der Nazi-Diktatur erinnern sollen, wollen der Ökumenekreis und die Stadt Hennef im Frühjahr in Geistingen verlegen – in der Hoffnung, dass dann auch ein größerer Kreis von Menschen teilnehmen kann. „Bis dahin werden die 20 Stolpersteine in der evangelischen Christuskirche an der Beethovenstraße ausgestellt“, sagte Bertenrath.