Gedenken an die acht NS-Opfer in Heimerzheim Stolpersteine werden im Dezember verlegt

SWISTTAL · Acht Namen von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus, die ihre letzte selbst gewählte Wohnung in Heimerzheim hatten, sind bekannt: Adolf Moses, Gela Moses geborene Fröhling, Alexander Moses, Katharina Steinhardt geborene Meyer, Jakob Michael Steinhardt, Paula Steinhardt geborene Levy, Irene Steinhardt und Helena Münch geborene Meyer. Sie alle wurden 1942 deportiert. Von einigen sind "Tötungsstätte" und Todestag bekannt, von anderen nicht.

 An der Kirchstraße in Heimerzheim lebten früher einige jüdische Familien.

An der Kirchstraße in Heimerzheim lebten früher einige jüdische Familien.

Foto: Hans-Peter Fuss

Diese acht Opfer des Nazi-Terrorregimes sollen die ersten sein, an die mit so genannten Stolpersteinen im Bürgersteig erinnert wird. Einen Termin gibt es auch schon: 17. Dezember. Dieser sei vom Künstler und Initiator des inzwischen weltweiten Projekts Stolpersteine, Gunter Demnig, bereits eingeplant, berichtet Udo Ellmer, der von der eigenständigen neuen Projektgruppe "Stolpersteine Swisttal" bei deren Gründungsversammlung zum Leiter gewählt wurde.

Eingeladen hatte Bürgermeister Eckhard Maack auf einstimmigen Beschluss des Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschusses (HFB) vor dem Hintergrund eines entsprechenden Antrags von Bündnis90/Die Grünen. "70 Jahre nach Kriegsende und nach der Befreiung der Konzentrationslager flammt wieder einmal Fremdenhass in Deutschland auf, daher gilt es ein Zeichen zu setzen", heißt es in dem Antrag vom 3. März dieses Jahres. "Auch in Swisttal sind im Dritten Reich viele jüdische Familien in Konzentrationslager deportiert worden. Dort, wo damals ihre Wohnhäuser standen, soll nun zum Gedenken ein Stolperstein verlegt werden."

Ob es über Heimerzheim hinaus, wo es eine jüdische Gemeinde mit langer Tradition gab, auch in anderen Swisttaler Ortsteilen Opfer des Nazi-Terrors gegeben hat, soll erforscht und geklärt werden. Johanna Bienentreu etwa erinnerte sich an Erzählungen ihrer Großmutter, dass in Odendorf an der Essiger Straße eine jüdische Familie gewohnt habe, die "plötzlich verschwunden" sei. Bürgermeister Maack wusste auch von "einem größeren jüdischen Eigentum dort".

Beschäftigen will sich die Projektgruppe auch mit der Frage von Stolpersteinen für Opfer der Euthanasie unter der Nazi-Gewaltherrschaft, die es zum Beispiel in Heimerzheim gegeben habe. Weitere Ideen und Aufgaben, derer sich die Projektgruppe annehmen will, könnten Veranstaltungen sein wie etwa zur Haltung der Kirchen in der Zeit der Nazis, wie von Pastorin Claudia Müller-Bück vorgeschlagen. Auch historische Ereignisse im Kontext sollen gesammelt werden, wie von Georg Schmidberger vom Arbeitskreis (AK) Heimat Heimerzheim vorgeschlagen. Und die Sekundarschule Georg-von-Boeselager-Schule soll einbezogen werden.

Erste Aufgabe aber soll die Realisierung der Stolpersteine vor den letzten Wohnungen der acht deportierten jüdischen Opfer in Heimerzheim sein. Dazu sollen die Bürger frühzeitig eingebunden werden, um "ein Desaster wie in Rheinbach zu vermeiden", waren sich die AK-Mitglieder mit Bürgermeister Maack einig. Maack: "Wir sollten ganz eng und fest zusammenstehen und nicht irgendwelche Zweifel aufkommen lassen, dass wir die Sache nicht befürworten würden. Wir haben eine jüdische Vergangenheit, und wir pflegen die Erinnerung an die Opfer wie bei der jährlichen Feier auf dem Jüdischen Friedhof in Heimerzheim."

In die Projektgruppe hat jede Ratsfraktion einen Vertreter entsandt, aber die Gruppe arbeitet unabhängig und überparteilich. Gekommen zur Gründungssitzung waren auch der Heimerzheimer Ortsvorsteher Hermann Leuning, Georg Schmidberger vom Heimerzheimer Arbeitskreis Heimat im Ortsausschuss, Gemeindearchivarin Hanna Albers und Fachbereichsleiter Armin Wallraff, die evangelische Pfarrerin Claudia Müller-Bück, die interessierten Bürger Cornelia Peters aus Straßfeld und Wilfried Matanovic aus Buschhoven.

Angehören werden der Projektgruppe zudem der Geschichtslehrer an der Georg-von-Boeselager-Schule, Jonas Weichel, sowie Herbert Graubohm vom AK Heimat.

Das nächste Treffen des Arbeitskreises ist am Donnerstag, 13. August, um 17 Uhr im Ratssaal in Ludendorf.

Die Geschichte der Juden in Heimerzheim

In der heutigen Gemeinde Swisttal lebten Juden nur in Heimerzheim, und zwar bereits seit der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes im Jahr 1074. Wie Matthias Gerkum im Buch "Heimerzheim 1933 bis 1945" schreibt, nahm die kleine jüdische Gemeinde im Jahr 1349 Kölner Juden auf, die von dort vertrieben worden waren, weil man sie für die Ausbreitung der Pest verantwortlich machte.

Im Jahr 1822 bekam die Gemeinde einen eigenen Friedhof am heutigen Dornbuschweg, der den Juden den Weg nach Bornheim ersparte, um ihre Toten zu begraben. Eine Synagoge bestand nicht in Heimerzheim. Die Juden besuchten ihr Gotteshaus in Rheinbach, wo seit 1847 eine große Synagogengemeinde existierte. In Heimerzheim gab es eine kleine Thoraschule und einen Gebetsraum in der alten Schule.

Der Jude Siegfried Moses war Mitglied in der katholisch orientierten Sebastianus-Schützenbruderschaft und wurde 1902 deren Schützenkönig. Adolf Moses kehrte als dekorierter Soldat aus dem Ersten Weltkrieg zurück und war Mitglied im Kriegerverein. Die Juden wohnten im alten Ortszentrum: an der Kirchstraße, an der heutigen Kölner Straße und am "Jüddejässje", einem Verbindungsweg zwischen beiden Straßen. Um 1900 lebten etwa 40 Juden im Ort, 1939 waren es nur noch zwölf.

Einige Familien emigrierten spätestens nach der Pogromnacht 1938. Laut Gerkum kam aber damals noch kein Jude zu Schaden. Acht jüdische Mitbürger wurden 1942 zunächst nach Endenich deportiert und dann in Polen ermordet. Viele hatten ihr Geld mit Viehhandel verdient und waren daher bei den Bauern im Ort nicht sehr beliebt, weil sie bei ihnen Schulden hatten. Der Viehhändler Jakob Schmitz emigrierte 1938 nach Argentinien. Er kehrte 1952 zurück, ließ sich in Dünstekoven nieder und starb 1968. Er liegt auf dem jüdischen Friedhof in Heimerzheim begraben.

Den im Krieg verwahrlosten Friedhof richteten 1946 acht ortsbekannte ehemalige NSDAP-Männer wieder her - auf Anordnung des damaligen Bürgermeisters Radermacher.

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