Bilderbuchmuseum Troisdorf 20 Illustrationen erzählen die Geschichte ihrer Urgroßmutter in Auschwitz

Troisdorf · Vor vier Jahren waren die Illustrationen von Merav Salomon bereits schon einmal im Bilderbuchmuseum Burg Wissem in Troisdorf zu sehen. Mit Hilfe des Fördervereins hat das Museum nun 20 Arbeiten gekauft. In der Bilderfolge erzählt die israelische Illustratorin die Geschichte der Urgroßmutter, die nach Auschwitz deportiert wurde.

Die Originale von Merav Salomon betrachtet Museumsleiterin Pauline Liesen (v.l.) zusammen mit Ute Becker, Monika Wegener, Andrea Schrahe und Dietlind Keutmann vom Förderverein.

Die Originale von Merav Salomon betrachtet Museumsleiterin Pauline Liesen (v.l.) zusammen mit Ute Becker, Monika Wegener, Andrea Schrahe und Dietlind Keutmann vom Förderverein.

Foto: Nadine Quadt

Im Sommer 2018 waren sie im Bilderbuchmuseum auf Burg Wissem zu sehen – als Teil der Ausstellung „Staying Alive“. Darin gewährte Merav Salomon mit ihren Bilder-Erzählungen Einblick in ihre von widerstreitenden Gefühlen geprägte Lebensgeschichte. Nach dem Ende der Ausstellung ließ die israelische Illustratorin die Bildfolge „The Archive of the Hand of Chance“ in Troisdorf, zunächst als Leihgabe. „Ich habe gehofft, dass wir sie irgendwann ankaufen können“, verrät Museumsleiterin Pauline Liesen. Ihre Hoffnung hat sich nun erfüllt: Mit Unterstützung des Vereins zur Förderung der Kinderbuch-Kunst des Museums der Stadt Troisdorf konnte das Haus 20 Arbeiten der Bildfolge kaufen.

„Wir sind ein Haus, das Geschichten erzählt“, hebt Pauline Liesen hervor. Künftig auch die Geschichte von Merav Salomon weitergeben zu können, sei ihr eine Herzensangelegenheit gewesen. „Sie holt alle Menschen, egal ob Eltern, Großeltern oder Kinder, ab“, so Liesen. Und bewahre das Erlebte auch für künftige Generationen auf. „Wir haben das sehr gern unterstützt“, sagt Monika Wegener, Vorsitzende des Fördervereins, der die Hälfte der Gesamtkosten in Höhe von 10.000 Euro finanziert hat. Den Rest trägt das Museum aus seinem Etat. „Der Zeitpunkt ist genau richtig gewählt“, sagt Andrea Schrahe, Pressesprecherin des Vereins, mit Blick auf den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Donnerstag.

Merav Salomon, die 1967 in Tel Aviv geboren und in Jerusalem aufgewachsen ist, erzählt in ihren Arbeiten die Geschichte ihrer Urgroßmutter Regina Korn. Die lebte in Polen, wurde während des Zweiten Weltkrieges zunächst nach Auschwitz, anschließend nach Bergen-Belsen deportiert und verstarb kurz nach Befreiung des Lagers durch die Briten. „Es geht um die Urgroßmutter, erzählt wird die Geschichte aber durch Merav Salomons Großmutter“, erklärt Pauline Liesen. Die war mit ihrem Mann während der Zeit der Weimarer Republik nach Palästina ausgewandert, wo sie 1939 Salomons Mutter zur Welt brachte. „Zur Geburt reisten die Urgroßeltern nach Palästina“, so Liesen. Sie kehrten allerdings nach Polen zurück, danach verlor sich viele Jahre ihre Spur.

„Die Großmutter verlor aber nie die Hoffnung, einmal zu erfahren, was mit ihren Eltern geschehen ist“, erzählt Pauline Liesen. Eine Antwort auf ihre Fragen brachte schließlich unverhofft die neue Nachbarin. Die hörte sie nachts immer weinen und auf die besorgte Nachfrage erfuhr sie von deren Albträumen. Sie sei als junge Frau in Auschwitz gewesen. Schon im Zug dahin habe sich eine ältere Frau ihrer und anderer Mädchen angenommen und sie auch im Lager weiter unterstützt und beschützt. „Mit einem Lippenstift, den sie in ihrer Vagina versteckt hielt, malte sie den Mädchen die Lippen und Wangen rot, damit sie kräftiger aussahen als sie waren und als arbeitsfähig eingestuft wurden“, berichtet Liesen. Alle Frauen überlebten, die ältere starb indes kurz nach der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen durch die Briten an Typhus. „Als Merav Salomons Großmutter nach dem Namen der Frau fragte, erfuhr sie, dass es ihre Mutter Regina Korn war“, sagt Liesen.

Erzählung ohne Worte

Eben diese Geschichte erzählt Merav Salomon, die in Jerusalem Grafikdesign studiert hat, in ihrer Bildfolge. Allerdings ohne Worte und allein mit ihren ausdrucksstarken Zeichnungen. Jede Schwarz-Weiß-Illustration trägt eine Schlagzeile, mehr nicht. „Damit lässt sie viel Raum für kollektive oder individuelle Assoziationen“, sagt Pauline Liesen. Und rege dazu an, darüber nachzudenken, was mit vielen Menschen in dieser Zeit gewesen sei. Und auch dazu, die eigene Geschichte weiterzugeben. „Das ist ein ganz neuer Umgang mit ergreifenden Themen wie Holocaust, Tod und Traumata“, sagt Liesen. Sie spricht von einer Folie für das, was man selbst erlebt habe. „So etwas findet man in der deutschen Illustratorenszene nicht“, so Liesen. Deswegen sei der Erwerb für die Sammlung des Museums von herausragendem Wert.

Die Siebdrucke sollen zeitnah auch noch einmal öffentlich zu sehen sein. „Wir planen zum 40. Geburtstag des Bilderbuchmuseums im Mai eine Ausstellung mit unseren wichtigsten Ankäufen der jüngsten Zeit“, sagt die Museumsleiterin. Merav Salomon selbst sei im Übrigen stolz, dass eines ihrer Werke nun einen festen Platz in einem deutschen Museum hat. Es waren deutsche Bildergeschichten wie „Struwwelpeter“ oder „Max und Moritz“, die die heute wichtigste Vertreterin der israelischen Illustratorenszene in ihrer Kindheit prägten. „Für sie schließt sich damit inhaltlich ein Kreis“, sagt Liesen.

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