Vorfall aus dem Jahr 2016 Ärzte-Paar bekommt nach Angriff in Troisdorfer Arztpraxis Schmerzensgeld

Bonn · Das Arzt-Ehepaar leidet weiter unter den Folgen des Angriffs von 2016. Das Bonner Landgericht hat eine Palästinenser-Familie jetzt zu 50.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt.

 Der Türgriff am Eingang zum Bonner Landgericht.

Der Türgriff am Eingang zum Bonner Landgericht.

Foto: dpa/Oliver Berg

Vier Jahre ist es her, dass der unglaubliche Vorfall Schlagzeilen machte: Am 25. Juli 2016 war ein Chirurg in seiner Troisdorfer Praxis von einer Palästinenser-Familie mit einem Rambo-Messer bedroht und mit „Allahu Akbar“-Rufen in Todesangst versetzt worden. Bis heute haben der 58-jährige Mediziner und seine Ehefrau sich von dem Übergriff nicht erholt. Das Bonner Landgericht hat den Eheleuten jetzt eine späte Entschädigung zugesprochen: In einem Verfahren vor der 4. Zivilkammer wurde die Familie – ein Vater, zwei Söhne und die Freundin des älteren Sohns – dazu verurteilt, den Eheleuten 50.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Angefangen hatte die Geschichte, so ist es im Urteil festgestellt, mit dem Besuch des 19-jährigen Sohnes in der Praxis, der zur Nachsorge eines Unterschenkelbruches erschienen war. Aber der Patient wollte sich nicht anfassen lassen, auch habe er eine Spritze verweigert. Schließlich hatte der Chirurg ihn mit Überweisungsschein und Rezept weggeschickt. Dem 19-Jährigen, der in Begleitung seiner Freundin war, passte das nicht: „Du bist ja ein Bauer und kein Arzt“, schimpfte er und drohte mit seiner Gehhilfe. Dann verschwand das Pärchen schimpfend. Der 19-Jährige alarmierte seine Familie und behauptete, er sei misshandelt worden.

Eine Stunde später krachte es an der Praxistür: Zu viert waren die Familienmitglieder erschienen, um Genugtuung zu verlangen: der Vater, der ein Messer mit 40 Zentimeter langer Klinge in der Hand trug, und seine beiden Söhne sowie die Freundin. „Wo ist der Hurensohn?“, schrie er. Dann forderte er den Chirurgen laut Urteilstext auf, in die Knie zu gehen, sich bei dem 19-Jährigen zu entschuldigen und diesem die Hände zu küssen. Als der Arzt sich weigerte, eskalierte die Situation. Der jüngere Sohn sprang dem Mediziner von hinten auf den Rücken, zeitgleich schrie der Vater „Allahu Akbar“ und drohte wörtlich: „Ich bin Palästinenser und habe schon viele Juden abgestochen.“ In der Praxis brach Panik aus. Der Arzt glaubte in diesem Moment, dass er hingerichtet werde.

Die Eheleute konnten sich ins Wartezimmer retten, bis die Polizei kam. Bei dem verzweifelten Versuch jedoch, sich aus der Umklammerung des jüngeren Sohnes zu befreien, erlitt der Mediziner einen kompletten Muskelabriss in der Leiste. Die Ehefrau kam mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik. Anderthalb Jahre später mussten sie die Praxis schließen. Seelisch kommen sie nicht mehr auf die Beine, wie es hieß.

In dem strafrechtlichen Nachspiel fühlte sich das Arztpaar, das als Nebenkläger aufgetreten war, vom Rechtsstaat wenig unterstützt. Die Angreifer-Familie kam wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mit milden Sanktionen davon: Das Amtsgericht Siegburg verurteilte den Vater zu 1500 Euro (100 à 15 Euro) Geldstrafe, die Verfahren gegen die Söhne wurden gegen eine Geldauflage von 1000 Euro beziehungsweise 70 Sozialstunden eingestellt.

Auch im Zivilprozess hatte die beklagte Familie den Mediziner weiter verunglimpft und verhöhnt. „Kein Funken von Unrechtseinsicht“, stellte der Kammervorsitzende im Urteil fest. Neben dem Schmerzensgeld müssen die vier Beklagten auch für alle weiteren Schäden, die in Zukunft auftreten könnten, haften. (AZ: LG Bonn 4 O 116/19)

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