„AntiCoLaSis“ Anti-Corona-Sänger aus Troisdorf trafen sich 666 Mal

Troisdorf · Beim ersten Corona-Lockdown ging eine Gruppe Oberlarer auf die Straße, um jeden Abend gemeinsam zu singen. Das machen die Anti-Corona-Sänger in Troisdorf bis heute: Inzwischen schon 666 Mal.

„Das ist Weltrekord", sagt Heinz Kieseier, der sich zum 666. Mal zum Anti-Corona-Singen mit Nachbarn auf der Straße versammelte.

„Das ist Weltrekord", sagt Heinz Kieseier, der sich zum 666. Mal zum Anti-Corona-Singen mit Nachbarn auf der Straße versammelte.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Erst 365, dann 500 und seit dem Wochenende nun 666 – das sind die besonderen Wegmarken, die die Oberlarer „AntiCoronaLandgrafenstraßen-Singers“ – kurz „AntiCoLaSis“ – mit einem Extra-Fest gefeiert haben. Hinter den Zahlen verbergen sich nicht alleine die Anzahlen ihrer allabendlichen Auftritte auf der Straße, sondern auch Erinnerungen an zweieinhalb Jahre Corona.

Als das Land damals in den Lockdown ging, versammelte sich auf dem Bürgersteig vor den Garagen der Ehepaare Heinz und Rosemarie Kieseier und ihrer Vermieter Norbert und Elisabeth Halm an der Landgrafenstraße in Troisdorf eine Gruppe Oberlarer. Jedes Alter war willkommen, Schulkinder und Senioren sangen nun gemeinsam und mancher Nachbar lernte sein Gegenüber beim Singen erst richtig kennen. Für den einen bildete der Gesang den Start in die Nachtschicht, während eine andere damit ihren Abendspaziergang vor dem Schlafengehen verband. Der gemeinsame Straßengesang, der mit „Der Mond ist aufgegangen“ endete, bedeutet allen mehr als nur Musik. Sie setzten damit ein bewusstes Zeichen der Solidarität mit den Opfern der damals noch unbekannten Krankheit.

Ihr singender „Protest gegen Corona“ folgte damit dem Vorbild der Italiener im Lockdown. Die Bilder singender Menschen in Bergamo, die sich aus dem sicheren Abstand von Balkon zu Balkon Mut machten, während Züge voller Leichen auf dem Weg in die Krematorien an ihnen vorbeifuhren, gingen unter die Haut und die Abend-Sänger wurden auch hierzulande zum Inbegriff des gegenseitigen Mut-Machens und Danke-Sagens an die vielen selbstlosen Helfer.

Der Pastor im Ruhestand Heinz Kieseier griff damals zu Waldhorn und Gitarre und holte alte Liederbücher hervor, in denen die Texte bekannter Volkslieder standen. Die Melodien waren den meisten bekannt und so entwickelte sich ein allabendliches Ritual, an dem jeder Passant teilnehmen durfte. Kein Wunder, dass die Zahl der Sänger wuchs und mit ihr auch der Mut. „Wir singen uns den Frust von der Seele“, sagt Kieseier auch heute noch, denn man stellte schnell fest, dass es allen Teilnehmern nach dem kurzen, singenden Beisammensein schon viel besser ging. Der Mut kam zurück und die Hoffnung kehrte wieder in die Runde, die sich trotz des Abstands beim Singen im Freien immer näher kam.

Fester Stamm von 23 Sängerinnen und Sängern

Ihr 666. Mal feierten sie am Sonntagabend. Die AntiCoLaSis mit einem festen Stamm von 23 Sängerinnen und Sängern aus der Oberlarer Nachbarschaft stehen inzwischen enger zusammen und singen sogar mehrstimmig. Dass ihnen die 666 Auftritte so schnell keiner nachmacht, davon sind Kieseier und seine AntiCoLaSis fest überzeugt, denn sie feierten ihren Auftritt als „Weltrekord“. Von Corona sind die meisten erstaunlicherweise verschont geblieben. Nun hat der Protest-Chor den Krieg in der Ukraine als neues Thema. „Wir haben unser Liedgut durch Friedens- und Antikriegslieder erweitert“, erklärt Kieseier, und alle stimmen gemeinsam und textsicher in das wohl bekannteste Anti-Kriegslied ein: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei.“

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