Fibeln im Bilderbuchmuseum Troisdorf Der Leseeinstieg als Spiegel der Gesellschaft

Troisdorf · Von ersten Leseübungen bis hin zum ersten, selbst gelesenen Buch ist es ein langer Weg. Wie der sich mit den Jahren gewandelt hat, zeigt das Bilderbuchmuseum in Troisdorf mit seiner Sammlung von Fibeln. In der Reihe „Kunst und Kuchen“ gab Bernhard Schmitz einen Überblick.

 Die Fibel „Bunte Welt" aus dem Jahr 1960 stellt das Landleben dar, wie es für Großeltern dieser Zeit noch typisch war.

Die Fibel „Bunte Welt" aus dem Jahr 1960 stellt das Landleben dar, wie es für Großeltern dieser Zeit noch typisch war.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Bernhard Schmitz hat in den 1980er Jahren Politik und Geschichte, Literatur und Linguistik studiert. Seit 1997 betreut der Sammlungs-Kustode die historischen Bilderbuchsammlungen des Bilderbuchmuseums in Troisdorf. Schmitz, der sich an seinem Arbeitsplatz auf Burg Wissem in seinem letzten offiziellen Berufsjahr befindet, kennt sich aus – und gibt sein Wissen gerne weiter.

Dass es dem Bücherfreund dabei „niemals langweilig“ wird, mag man ihm gerne glauben, wenn man sein Lächeln sieht, mit dem er seine wertvollen Schätze in den Händen hält. „12.000 Bücher aus einem Bestand von 40.000 Büchern“ betreut Schmitz. Er  katalogisiert, beschreibt und bewertet jedes einzelne Buch, bevor er seine Angaben digital abspeichert und damit für den Besucher des Bilderbuchmuseums zugängig macht.    

Die Reihe „Kunst und Kuchen“ betreut Schmitz bereits seit acht Jahren und wirft dabei gerne regelmäßig einen liebevollen Blick auf bestimmte Buchinhalte. Gerne lässt er sich dabei auf die Fragen seiner Besucher ein und freut sich über die so entstehenden Diskussionsansätze. „Jede Gruppe ist anders“, sagt Schmitz. „Wenn ich feststelle, dass sich jemand für einen bestimmten Aspekt besonders interessiert, gehe ich dem gerne nach und freue ich mich über das Gespräch.“

Bei der jüngsten Ausgabe der Reihe hatte sich der Bücherfreund ein Thema ausgesucht, das im Wortsinn „jedes Kind kennt“. Schmitz hatte einen Stapel Bücher aus dem historischen Sammlungsbestand zusammengestellt, um über Fibeln und Lesebücher aus zweihundert Jahren deutscher (Schul-)Geschichte zu sprechen. Dass er von Expertinnen umgeben war, zeigte sich an diesem Nachmittag schnell. Maria Winter (83) aus Hennef sammelt als ehemalige Grundschullehrerin selber. Viele der von Schmitz vorgestellten Schulbücher kennt sie daher bereits. Mit Schmitz teilt sie die Freude an der pädagogischen Einstiegsliteratur. „Ich habe immer gerne unterrichtet und sammle bis heute leidenschaftlich gerne Schulbücher“, sagt sie.

Jedes Jahrzehnt hat eine eigene Charakteristik

So diskutierte die Runde lebhaft über das Lesenlernen, das nicht nur geschichtlich, sondern auch lokal unterschiedlich angegangen wird und wurde. Hier die Ganzwort-Methode, dort das Lesen-Lernen durch einzelne Buchstaben und Laute. Geschrieben wurde in Schönschrift. Schrifttypen, wie Sütterlin und lateinische Schrift gebe es in einer Vielzahl an Varianten, die sich mitunter nur an Kleinigkeiten unterscheiden. „Fast jedes Jahrzehnt weist eine eigene Charakteristik in der Schrift auf“, weiß Schmitz zu berichten. „Wie wir schreiben, ist abhängig von dem, womit wir schreiben.“ Mit alten Stahlfedern schreibe sich die Deutsche Schrift, das  Sütterlin, welches um 1900 unterrichtet wurde, recht gut. Der moderne Füllfederhalter eigne sich demgegenüber besser für die lateinische, eher runde Schrift.

Auch inhaltlich hatte Schmitz viel zu berichten. Er streifte das Schulbuch der Kaiserzeit, in dem das Loblied auf Kaiser Wilhelm einen eigenen Platz besaß, während „der Führer“ im Schulbuch des Nationalsozialismus verherrlicht wurde. Auch die Problematik  des „N-Worts“ im Kinderbuch, wie es bei Pippi Langstrumpf oder bei Jim Knopf noch vorkomme, benannte Schmitz. Er entdeckt in gesellschaftspolitischen Themen wie der Darstellung von Beruf und Familien-Alltag die gravierendsten Unterschiede innerhalb der Schulbuch-Literatur zwischen 1800 und 2000. „Erst Kaufladen, dann Bio-Laden und später Bio-Supermarkt“, zählt er etwa auf.

Das Rollenbild deutscher Jungen und Mädchen folge im Schulbuch des Nationalsozialismus etwa noch klassischen Klischees, die sich erst in den 1970er Jahren aufzulockern scheinen. Familien-Alltag werde gerne rückgewandt auf die Berufe der Großeltern hin beschrieben und im bäuerlichen Umfeld angesiedelt. Das verraten auch die farbenfrohen Illustrationen. Mit den bunten Bildern und reichhaltigen Illustrationen gebe es einen leichteren Lese-Einstieg.

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