Ausstellung im Museum für Stadt- und Industriegeschichte Troisdorf Erinnerungen an das Leben und Wirken von Rupert Neudeck
Troisdorf · Ohne lange zu überlegen, haben Christel und Rupert Neudeck gehandelt, als Ende der 1970er Jahre Hunderttausende Vietnamesen aus ihrer Heimat flohen. Mit der Hilfsorganisation Cap Anamur haben sie mehr als 11.000 von ihnen gerettet. In der Ausstellung „Man muss etwas tun“ würdigt das Musit das Leben und Wirken Neudecks.
Houng Huu Hung und seine Frau Vu Thi May sind bewegt, als sie vor dem Schiffsmodell im Museum für Stadt- und Industriegeschichte Troisdorfs (Musit) stehen. Es ist eine Miniaturausgabe der „Cap Anamur I“ – des Schiffes, das sie 1979 auf ihrer Flucht aus Vietnam gerettet hat. Das Modell ist das zentrale Stück der Sonderausstellung „Man muss etwas tun! – Rupert Neudeck und die radikale Humanität“, die das Musit am Freitag, 12. Mai, ab 19 Uhr mit einer Podiumsdiskussion eröffnet.
„Was Christel und Rupert Neudeck geschaffen haben, kann man nicht genug ehren“, sagt Museumsleiterin Pauline Liesen. Mit der von ihnen gegründeten humanitären Hilfsorganisation Cap Anamur und deren gleichnamigen Schiffen haben sie mehr als 11.000 vietnamesische Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet. Cap Anamur-Mitarbeiter sind bis heute weltweit in Krisengebieten im Einsatz, ebenso die von Neudeck mitgegründeten Grünhelme.
Seit Oktober sei die Idee zu der Ausstellung gereift, sagt Liesen. „Es geht um das Lebenswerk der Neudecks, aber auch um das Leben in ihrem Wohnzimmer in Troisdorf“, sagt Bernadette Fischer, die die Ausstellung kuratiert hat. Dazu hat sie eng mit Christel Neudeck zusammengearbeitet, von der sie viele persönliche Erinnerungsstücke, Dokumente und Objekte erhalten hat. So steht nun etwa Neudecks Schreibtisch im Museum, umgeben von Bildern, die sein Freund Lukas Ruegenberg gemalt hat. Überdies sind Leihgaben von Cap Anamur, den Grünhelmen und des Kölner Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland zu sehen.
„Suchen und Retten“ ist in einer Vitrine auf einem T-Shirt zu lesen, das die Crew der Cap Anamur trug. „Das war das zentrale Motto der ersten Rettungsaktion 1979“, sagt Bernadette Fischer. Die sollte der Auftakt für etwas sein, das bis heute andauert. „Das war ursprünglich gar nicht so groß geplant“, sagt Christel Neudeck. „Man muss etwas tun“, habe ihr Mann, der 1945 selbst als Kind mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus Danzig fliehen musste, damals angesichts der Not der „boat people“ gedacht – und es nicht dabei gelassen, sondern gehandelt.
„Rupert war radikal und sehr mutig“, sagt Christel Neudeck über ihren 2016 verstorbenen Mann. Er habe sich nicht verrückt machen lassen und sei nie korrumpierbar gewesen. „Er war aber kein Heiliger“, so Neudeck weiter. Ohne ihr Team hätten sie beide nichts erreicht. „Wir hatten anfangs an drei bis vier Monate gedacht, daraus wurden dann drei Jahre, und jetzt geht es bis heute weiter“, sagt sie.
„Wir sind der Familie Neudeck sehr dankbar und geben ihr Wirken an unsere Kinder weiter, damit es in Erinnerung bleibt“, sagt Hung Nguyn, dessen Brüder von der Cap Anamur gerettet wurden. Deswegen habe die vietnamesische Gemeinde Rupert Neudeck 2018 an der Burg Wissem ein Denkmal gesetzt. Die Burg Wissem ist auch für Houng Huu Hung und Vu Thi May ein besonderer Ort: „Hier sind wir damals in Troisdorf angekommen.“
„Das war unsere Rettung“
Als die Cap Anamur das junge Paar gerettet hat, hatte es drei Tage und zwei Nächte zusammen mit 172 weiteren Menschen auf einem kleinen Schiff verbracht. „Es kam ein Sturm auf, die Wellen waren hoch und wir hatten Angst und haben gebetet, dass uns geholfen wird“, erinnert sich Vu Thi May, die damals 18 Jahre alt war. Da sei auf einmal ein Frachtschiff aufgetaucht, das sie eingesammelt und zur Cap Anamur gebracht habe. „Das war unsere Rettung“, sagt sie. Erst später hat sie erfahren, dass sie da schon schwanger war. Ihre Tochter ging in Troisdorf mit der Tochter der Neudecks in den Kindergarten und in die Schule.
Bis heute lebt die Familie in Troisdorf. Christel Neudeck auch, in dem Reihenhaus in Spich, in dem 1979 alles begann. Die Tür, die sie einst ausgehängt hat, um auch in der Küche mitzubekommen, was im Wohnzimmer besprochen wurde, ist auch Teil der Ausstellung.
Die Ausstellung „Man muss etwas tun! – Rupert Neudeck und die radikale Humanität“ ist von Freitag, 12. Mai, bis Sonntag, 8. Oktober“ im Musit, Burgallee 3, zu sehen. Infos zum Begleitprogramm auf www.musit-troisorf.de