Seltene Krankheit Frau aus Troisdorf leidet unter seltener Mastzellenkrankheit

Troisdorf · Übelkeit, Brechreiz, Erschöpfung, ständige Müdigkeit - die Symptome der Krankheit, mit der Melanie S. seit 2012 leben muss. Der Grund ist eine seltene Krankheit der Mastzellen.

 Kartoffeln und Reis: Melanie S. aus Troisdorf verträgt aufgrund einer Erkrankung nur histaminfreie Nahrungsmittel.

Kartoffeln und Reis: Melanie S. aus Troisdorf verträgt aufgrund einer Erkrankung nur histaminfreie Nahrungsmittel.

Foto: Marcel Dörsing

Zuerst dachte Melanie S., sie habe während ihres Urlaubs in der Türkei etwas Schlechtes gegessen und sich den Magen verdorben. Doch die Übelkeit, die so plötzlich kam, verschwand einfach nicht mehr. Heute weiß sie, es war der erste Schub einer Krankheit, die bis heute ihr Leben bestimmt. Melanie S. leidet am systemischen Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS).

Mastzellen wehren Bakterien ab und steuern die Wundheilung. Dazu senden sie Botenstoffe ab, um weitere Abwehrzellen herbeizurufen. Sind diese Zellen jedoch krank, wie bei Melanie S., befindet sich das Immunsystem grundlos dauerhaft im Ausnahmezustand. „Die erkrankten Zellen aktivieren auch gesunde Zellen, sodass im Körper eine regelrechte Welle ausgelöst wird“, erklärt Professor Gerhard Molderings von der Universität Bonn, der seit Jahren auf dem Gebiet des MCAS forscht.

Auf fast alle Lebensmittel reagiert Melanies Körper mit einer heftigen Abwehrreaktion. Die Folge: Übelkeit, Brechreiz, Erschöpfung, ständige Müdigkeit. Zur Hochphase der Erkrankung wog Melanie nur noch 36 Kilogramm. „Das Essen wollte einfach nicht in mir bleiben“, sagt Melanie. „Es gab eine Zeit, da habe ich mit dem Leben abgeschlossen.“ Begonnen haben die ersten Symptome kurz nach der Geburt ihres Sohnes 2012. „Ich habe mich ständig schlapp und krank gefühlt“, sagt die heute 32-Jährige. Beunruhigt hatte sie das zunächst nicht.

Erst nachdem sie den Türkeiurlaub wegen der Beschwerden abbrechen musste, suchte sie einen Arzt auf. Es folgte eine Odyssee durch Arztpraxen und Kliniken in ganz Deutschland. Niemand fand eine Ursache für ihre Symptome. „Nicht zu wissen, was mir dir passiert, ist einfach schrecklich“, so Melanie. Sie stieß schließlich durch Recherchen im Internet auf die Mastzellenkrankheit: „Was dort Betroffene berichteten, passte einfach genau zu meinen Beschwerden.“ Aber kein Arzt nahm ihren Verdacht ernst. Freunde wendeten sich in diesen Jahren von ihr ab. „Ich konnte nicht mehr Ausgehen, war einfach nicht mehr verfügbar.“ Zum ihrem Glück unterstützte sie ihr Ehemann in dieser Zeit. Mittlerweile hat sich das Paar jedoch getrennt. Fast drei Jahre vergingen, ohne dass ein Arzt die richtige Diagnose stellte.

Schokolade oder Wein sind streng verboten

Rund 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden laut Molderings unter dem Syndrom. Erkannt werde es allerdings noch viel zu selten. Zwar beschäftige sich die Forschung seit rund 20 Jahren mit der Erkrankung, doch viele Ärzte in Praxen und Kliniken wüssten noch nicht um die Bedeutung der Mastzellen bei Krankheitsbildern wie etwa dem Reizdarm oder Fibromyalgie.

Erst in einer Klinik in Kirchheim kennt ein Arzt die seltene Erkrankung und führt bei Melanie einen entsprechenden Test durch. Seitdem sie Medikamente nimmt, die die pseudo-allergische Reaktion ihres Körpers auf manche Nahrungsmittel unterdrückt, hat sich ihr Zustand stabilisiert. Sie stellte ihre Ernährung auf histaminfreie Kost um. Lebensmittel, die für viele unverzichtbar erscheinen wie Schokolade, Pizza oder ein Glas Wein sind für sie streng verboten. „Ich esse nur, weil ich überleben muss“, sagt Melanie. Kartoffeln oder Reis mit Zucchini oder Möhren, leicht gesalzen, lautet ihre tägliche Diät. „Ich kämpfe jeden Tag, mal geht es besser, mal schlechter“. An guten Tagen schafft sie einen Spaziergang zum Spielplatz mit ihrem fünfjährigen Sohn. Ihren Beruf als gelernte Friseurin kann sie nicht mehr ausüben.

Die Gründe für den Ausbruch der Erkrankung sind laut dem Bonner Forscher Molderings vielfältig. Sie können sowohl im Erbgut zu finden sein als auch in schädlichen Umwelteinflüssen. „Meine größte Angst ist, dass mein Sohn auch erkranken könnte“, sagt Melanie S.

Darum kämpft sie jetzt dafür, dass mehr Menschen etwas über die Krankheit erfahren, die Forschung vorangetrieben und irgendwann ein Heilmittel gefunden wird. Hoffnung setzt die alleinerziehende Mutter auf eine Chemotherapie – ein Schritt, von dem sich ihre Ärzte eine Besserung versprechen. Ob ihre Krankenkasse die Kosten für die Behandlung übernimmt, ist allerdings unklar. Derzeit lasse die Kasse den Fall prüfen. Das Ergebnis sei noch völlig offen, so Melanie.

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