30 Jahre Frauenhaus Troisdorf Darum braucht der Rhein-Sieg-Kreis ein drittes Frauenhaus
Troisdorf · Vor zwei Jahren ist das Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises in Troisdorf umgezogen, seitdem gibt es dort mehr Plätze. Warum das noch lange nicht genug Plätze sind und der Verein „Frauen helfen Frauen“ ein drittes Frauenhaus fordert.
„Ich bin seit 2010 in Deutschland und habe direkt geheiratet. Seither habe ich nur Beleidigungen, Beschimpfungen und Bestrafungen erlebt. Ich durfte keine Ausbildung machen oder arbeiten“, liest Andrea Brunelli aus den Erlebnissen einer 38-Jährigen, die im Krankenhaus landete, nachdem sie verprügelt worden war. Im Frauenhaus fand die Mutter mit ihren beiden Kindern Schutz. Sie erholte sich, machte eine Ausbildung und lebt inzwischen in einer eigenen Wohnung. Dies ist nur ein Schicksal von vielen, die bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen des Frauen- und Kinderschutzhauses des Vereins „Frauen helfen Frauen“ öffentlich gemacht wurde.
„Bei uns leben aktuell elf Frauen und 19 Kinder“, berichtet Michiko Park. Zusammen mit Jana Bach ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und erzählt, dass seit dem Neubau in 2021 Platz für 30 Personen ist. Nicht Einzelzimmer mit gemeinsamem Bad, sondern zehn Apartments mit eigener Küche und eigenem Bad ermöglichen, dass auch männliche Jugendliche bis 17 Jahre, Menschen mit Behinderung und trans-, inter- und nonbinäre Personen weiblichen Geschlechts aufgenommen werden können. Dabei arbeitet der Verein mit „Rubicon“ in Köln zusammen. Bisher gab es laut Bach jedoch nur eine Trans-Frau, die das Angebot nutzte. Insgesamt reicht der Platz aber bei Weitem nicht aus, wie Bach sagt. Darum fordert der Verein ein drittes Frauenhaus. „Es fehlen 94 Plätze im Rhein-Sieg-Kreis, deutschlandweit sind es 14.000. Wir brauchen mindestens drei Häuser in unserer Größe“, sagt Park.
Flucht vor dem Ehemann oder der Zwangsheirat
„Wir betreuen Frauen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren. Die Kinder sind zwischen null und 18 Jahre alt“, erzählt Bach. Der Durchschnitt der Frauen liegt in der Altersklasse 25 bis 45 Jahre. Zu den Klientinnen zählen nicht nur Ehefrauen, sondern auch junge Frauen, die vor ihren Eltern fliehen, weil eine Zwangsheirat droht. „Oftmals stehen die Frauen mitten in der Nacht nur mit einem Koffer vor unserer Tür“, erklärt Bach. Aus diesem Grund erhält jede ein Willkommens-Set mit Zahnbürste und Kosmetik-Artikeln sowie Kuscheltieren für die Kinder. Der Verein steht in engem Kontakt mit der Polizei. Insgesamt beträgt die Verweildauer im Haus durchschnittlich nur zwei Wochen. „Manchmal ist die Gefährdung zu hoch und die Frauen müssen in ein Frauenhaus weiter entfernt umziehen“, so Park. Oftmals aber regle sich auch das private Verhältnis. Gewaltbereite Ehemänner etwa erhielten ein Annäherungsverbot. Und manchmal kehrten Frauen auch freiwillig zurück, erzählt sie.
Das geht nicht immer gut, wie die 27-jährige Kiki berichtet. „Er hat gesagt, er würde sich bessern. Doch vor kurzem ist er erneut auf mich losgegangen und hat mich gewürgt, bis ich bewusstlos war“, sagt die Frau, die erst seit drei Jahren verheiratet ist. „Ob sie zurückgehen, entscheiden die Frauen selbst. Nur bei Kindeswohlgefährdung greifen wir ein“, so Jana Bach, die dann das Jugendamt informiert. Gearbeitet wird in drei Phasen. „Die erste ist die Clearing-Phase, in der die Situation geklärt wird. Die zweite ist die Stabilisierungsphase, in der die Frauen dabei unterstützt werden, auf eigenen Beinen zu stehen. Die dritte ist die Auszugsphase, in der die Frauen bei der Wohnungssuche und beim Ausfüllen der nötigen Papiere Hilfe erhalten", so Bach.
Strikte Regeln für die Bewohnerinnen
Im Haus selbst müssen die Bewohnerinnen strikte Regeln einhalten. Dazu gehört, dass keine Videos gedreht oder Fotos veröffentlicht werden dürfen. Alkohol, Drogen und Rauchen sind verpönt, ein- bis zweimal wöchentlich wird kontrolliert, ob die Wohnung in Ordnung gehalten wird und die Frauen ihre Kinder im Griff haben. „Denn wir sind kein Heim“, ergänzt Park. Die Frauen putzen und versorgen sich selbst. Das Ziel sei die Wiedereingliederung und eigenständige Lebensführung, so Park. Darum wird streng darauf geachtet, dass sich keiner langfristig einrichtet. Dabei leisten eine psychosoziale Betreuung, eine Trauma-Therapie und Erziehungshilfen Unterstützung. Zwölf Mitarbeiterinnen, von denen viele in Teilzeit arbeiten, betreuen die Frauen in 6,5 Vollzeit-Stellen. Zu ihren Aufgaben gehört auch eine bis zu sechsmonatige Nachsorge, wenn die Frauen im Rhein-Sieg-Kreis bleiben.
Doch das Angebot sei bei weitem nicht ausreichend, sagt Park, Der Verein „Frauen helfen Frauen“ würde für das geforderte dritte Frauenhaus die Trägerschaft übernehmen. Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen 62 vom Land bezuschusste Frauenhäuser. Der Europarat empfahl 2018 in seiner Instanbul-Konvention 2,5 Schutzplätze für Frauen pro 10.000 Einwohner. Für den Rhein-Sieg-Kreis mit seinen 600.000 Einwohnern hieße das 150 Plätze. Aktuell gibt es insgesamt 56 Plätze, verteilt auf Troisdorf und Sankt Augustin. Diese decken ein Drittel der geforderten Schutzplätze ab. So müssen auch Frauen wegen Platzmangel abgelehnt werden. Wer es aber dann mit der Unterstützung geschafft hat, blickt positiv in die Zukunft. „Wir können das schaffen. Wir sind stark. Frauen brauchen aber Hilfe und Unterstützung auch von der Politik“, meint die 32-jährige Leha.