Singfinger aus Troisdorf Gebärden machen das Leben schöner

Troisdorf. · Meike Walcha-Lu und Lucy James präsentieren seit November als Singfinger ihre Videos bei Youtube. Die beiden zeigen, wie es geht, wenn man mit dem gesamten Körper singen will.

 Die beiden Singfinder Meike Walcha-Lu (l.) und Lucy James zeigen Fingerballett.

Die beiden Singfinder Meike Walcha-Lu (l.) und Lucy James zeigen Fingerballett.

Foto: Martina Welt

„Ich war noch jung und lag die Nächte wach und in meinem Kopf ganz großes Kino“, das sind die ersten Zeilen aus dem Song „Niemals dran gezweifelt“ von Udo Lindenberg. Meike Walcha-Lu spricht die Zeilen bei ihrem Singfinger-YouTube-Auftritt und zeigt die Gebärden dazu. Das Wort „wach“ spricht sie mit großen Augen und gleich daneben öffnet sich ihre Hand und unterstützt die Mimik im Gesicht. Alles ganz langsam und deutlich zum Lernen für Jedermann. Denn die Singfinger in Gestalt von Meike Walcha-Lu und Lucy James sind fest davon überzeugt, dass Singen mit Gebärden noch mehr Spaß macht als „nur zu singen“ und nützlich ist, wenn es mit der Kommunikation mal nicht so klappt wie gewünscht.

Seit November sind sie auf YouTube präsent und zeigen dort die Gebärden zu Wortgruppen einmal wöchentlich. Jeden ersten Dienstag gibt es ein Lied mit den dazu gehörenden Gebärden von den Singfingern. „Wir singen meist von Gema-Gebühren befreite Kinderlieder“, sagt Walcha-Lu. Den Song von Udo gab’s nach langen und intensiven Bemühungen gebührenfrei für Aufführungen zum bevorstehenden Welt-Downsyndrom-Tag an diesem Samstag, 21. März.

Mit dem Thema in Berührung kam Walcha-Lu schon vor sieben Jahren. „Damals lebte ich noch in England und man empfahl mir, das Sprechen mit meiner Tochter durch lautsprachenunterstützende Gebärden zu untermauern, damit sie mit der Zweisprachigkeit besser zurecht kommt“, erinnert sich die Mutter zweier Kinder. Zwei Jahre später wurde ihr Sohn mit Down-Syndrom geboren und sie intensivierte diese Form der Unterhaltung mit gebärdenunterstützender Kommunikation. „Während in England die gebärdenunterstützende Kommunikation (Makaton) für bis zu 20 000 Worte weiterentwickelt wurde, gibt es in Deutschland bis heute viele kleine Töpfchen, die jedoch nicht über 200 Worte hinausgehen.“ Diese Limitierung wollten die beiden Singfinger überwinden. „Schon in der Kita reicht dieser Wortschatz nicht mehr aus“, sagt James.

Die beiden Singfinger-Frauen wurden bei Karin Kestner fündig, die eine Sammlung von 19 000 Worten in Gebärden vorhält. Besonders praktisch: Man kann diese schnell und leicht auch über eine App auf dem Handy nachschlagen. „Damit kommt man schon ziemlich weit und das entspricht auch dem Grundwortschatz der Gebärdensprache für Hörgeschädigte“, sagt Walcha-Lu. Die Deutsche Gebärdensprache für Gehörlose lassen die beiden jedoch außer Acht. Stattdessen setzen sie auf Lautsprache-unterstützende Gebärden (LUG) und zeigen die Schlüsselworte parallel zu den gesprochenen Texten. „Artikel oder viele Verbindungsworte lassen wir einfach weg und ignorieren damit auch die Grammatik der deutschen Gebärdensprache für Hörgeschädigte“, sagen die beiden Singfinger.

LUG sei in erster Linie für hörende Menschen mit oder ohne Sprachschwierigkeiten gedacht, sagt Walcha-Lu. Diese Gebärdenform führe jedoch in Deutschland ein ziemliches Nischendasein und genau da wollen die beiden LUG herausholen. „Wir sind überzeugt, dass es Eltern und Kindern nicht nur mehr Spaß macht, so zu singen, sondern dass LUG ein wichtiger Beitrag für mehr Inklusion sein kann oder auch eine große Unterstützung für bilingual aufwachsende Kinder ist“, so die Singfinger. „Manche Kinder lernen einfach viel später erst zu sprechen und da kann man mit LUG vieles auffangen“, weiß Walcha-Lu. So habe ihre Tochter schon mit sechs Monaten gezeigt, dass sie trinken wolle, zu einer Zeit als sie vom Sprechen noch weit entfernt gewesen sei.

 Gebärdenunterstützende Kommunikation: Meike Walcha-Lu (l.) und Lucy James sind wach.

Gebärdenunterstützende Kommunikation: Meike Walcha-Lu (l.) und Lucy James sind wach.

Foto: Martina Welt

Dass sich ausgerechnet zwei medienerfahrene Frauen unter diesem Thema trafen und zusammenschlossen – das war Zufall oder es sollte einfach so sein. Als Meike Walcha-Lu vor einem Jahr nach Deutschland zurück kam, besuchte ihre Tochter die gleiche Kita wie der Sohn von Lucy James. „Wir haben uns zwischen Jacken und Schals kennengelernt und gefunden“, sagt James, die eine Ausbildung als Schauspielerin und Sängerin gemacht hat und sich sodann mit der Filmemacherin Walcha-Lu zusammenschloss. Auf ihrem YouTube-Kanal wollen die beiden ein neues Angebot schaffen, indem sie zeigen, wie LUG mit mehr als 200 Worten funktioniert.

Einmal wöchentlich gehen die Singfinger zu den „Heidepänz“ am Rotter See, um Kinderlieder mit Gebärden zu singen. Auch in der evangelischen Kita gab es einen Spontanauftritt zu Sankt Martin. Eines steht fest: „Den Kindern gelingt es immer sehr schnell, dass sie ihre Hände, Füße und den Körper zur Unterstützung des gesungenen Liedes nutzen.“ Die Kinder kennen die Lieder und konzentrieren sich auf die Zeichen. Das Schöne daran: Die Mütter erzählen, dass die Kinder auch noch Zuhause die Lautsprache-unterstützenden Gebärden machen, wenn sie die Lieder singen. Die Singfinger sehen auch noch andere Bereiche, in denen LUG hilfreich sein könnte. Zum Beispiel für Schlaganfall-Patienten, die nicht sprechen können.

Die beiden Singfinger erleben die Gebärdensprache durchaus unterschiedlich. Während Lucy James mit ihr eine weitere Ausdrucksform hat, die ihre schauspielerischen Kenntnisse bereichert und sie als gesamte Person fordert, macht LUG für Walcha-Lu den Alltag einfacher. „Wenn mein Sohn mir sagen möchte, dass er lieber Wurst statt Käse essen möchte, benötigt er entweder eine Gebärde oder er muss zum Kühlschrank laufen, diesen öffnen, die Wurst finden und darauf zeigen“, veranschaulicht Walcha-Lu überdeutlich, was sie damit meint.

Im Internet sind die Singfinger unter www.youtube.com/c/singfinger zu finden

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