Farben kosten das doppelte EU-Verordnung erschwert Tätowierern die Arbeit

Hennef/Troisdorf · Anfang des Jahres trat die neue „Tattoo-Reach-Verordnung“ in Kraft, die bestimmte Substanzen in Tätowierfarben verbietet. Der bereits hart von der Pandemie getroffenen Branche bereitet das große Probleme.

 Tattoo in Schwarz- und Grautönen: Die Nachfrage nach EU-konformen Farben ist groß.

Tattoo in Schwarz- und Grautönen: Die Nachfrage nach EU-konformen Farben ist groß.

Foto: dpa/Marcus Brandt

Aktuell gibt es kaum Farben auf dem Markt, mit denen Tätowierer arbeiten können – die altbewährten Farben dürfen nicht mehr verwendet werden. Das setzt der bereits angeschlagenen Branche zusätzlich zu. “Wir stehen schon seit zwei Jahren immer wieder vor der Frage, ob wir unseren Beruf überhaupt ausüben dürfen – und dann kommt noch so was obendrauf”, ärgert sich Giovanna Ludwig vom Tattoostudio Stadtraben in Hennef. Das Problem der Tätowierer im Kreis ist die neue „Reach-Verordnung“: Sie regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe und ist eine Verordnung der Europäischen Chemikalienagentur.

Laut Ludwig gibt es mittlerweile einige Firmen, die Farben mit einem EU-Label anbieten, diese seien jedoch wegen der starken Nachfrage oft vergriffen. “Online haben wir die Farben bestellt, aber schon kurze Zeit später erhielten wir einen Anruf: Der Andrang sei so groß, dass die Firma überlastet sei”, berichtet die Künstlerin entrüstet. Seit zwei Wochen warte sie schon auf die Lieferung und wisse nicht, wann sie endlich weiterarbeiten könne. Ludwig erzählt, dass sie sich ein wenig über sich selbst ärgere, weil sie nicht eher ausreichend EU-konformen Farben angeschafft habe. Die Tätowiererin sieht aber auch auch ein Versäumnis bei den Herstellern: “Das Verbot kam nicht von heute auf morgen“, betont sie. „Wir haben viele Petitionen unterschrieben, da hätten sich die Firmen auch früher darum bemühen können, rechtzeitig einen erlaubten Ersatz auf den Markt zu bringen”.

Kunden zeigen sich verständnisvoll

Diese Meinung deckt sich mit dem, was ein Mitarbeiter eines großen Tattoozubehörladens erzählt, der aber nicht namentlich genannt werden möchte: “Viele Hersteller sitzen in Amerika und haben uns zunächst gar nicht ernst genommen, als wir ihnen mitteilten, dass ihnen demnächst der EU-Markt wegbrechen wird”. Nur eine österreichische Firma habe sich entsprechend auf das Verbot vorbereitet und bereits vor über zwei Jahren mit der Entwicklung von einem Schwarz und einem Weiß begonnen, die ohne die verbotenen Stoffe auskommen. Die Nachfrage danach sei jedoch so hoch, dass der Onlineshop mit den Bestellungen kaum nachkomme und mittlerweile die Anzahl der Flaschen pro Bestellung reglementiere.

“Unsere Kunden, die Farbtattoos wünschen, müssen wir erstmal auf Eis legen”, erzählt Mitarbeiterin Sonja Klein vom Tattoostudio Wild Style Tattoo in Troisdorf. Die meisten Tattoo-Willigen reagierten jedoch mit Verständnis. Sie seien entweder bereit, statt der Farbe doch nur ein schwarzes oder weißes Tattoo zu nehmen – oder sich zuerst die Basis stechen zu lassen und diese später bunt ausmalen zu lassen. “Schwarz- und Grautöne haben wir schon letztes Jahr bestellt, aber Weiß ist aktuell nicht in unseren Regalen vorhanden”, sorgt sich Klein. “Langsam wird’s schon kritisch“, bestätigt Inhaber Markus Schröder, „aber wir wissen von einem großen amerikanischen Hersteller, dass er in der ersten Januarwoche Farben mit EU-Label etikettiert und in Containern verschifft hat“.

Keine Erfahrung mit neuen Farben

Marius Büring vom Troisdorfer Studio Stichtag erzählt, dass er neue Farben bei einer anderen Firma als sonst bestellt habe, weil er auf ein buntes Sortiment angewiesen sei. “Wir stechen viele Farbtattoos – und dann kommt da einfach so ein Verbot und dann haste halt Pech gehabt”, meint Büring deprimiert. Schon wegen Corona sei sein Kundenzulauf zurückgegangen, die vielen Auflagen schreckten zudem einige ab: "Viele wollen sich nicht testen lassen und können dann eben nicht zu uns kommen, weil wir sonst Strafen bezahlen müssen", berichtet der Tätowierer. Andere wiederum sagten ihre Termine aus Angst vor dem Virus ab.

Das Verbot der bisher verwendeten Farben belastet Bürings Arbeit zusätzlich. “Wir kennen die neuen Farben noch nicht, wissen nicht, wie die Abheilphase ist und wie der Farbverlauf aussieht“, so der Troisdorfer. Da würden die Kunden verständlicherweise vorsichtig. Von einem Kollegen habe er auch gehört, dass die neuen Farben nicht so gut abheilten. „Man muss leider erstmal ein anderes Ergebnis hinnehmen.“ Seinen Kunden erzähle er ehrlich, dass er mit den neuen Produkten noch keine Erfahrung habe.

Auch Tobi Kurze vom Studio Twins Ink in Hennef bestätigt, dass es neue Farben auf dem Markt gibt, die EU-konform sein sollen. Aber diese kosteten das doppelte des ursprünglichen Preises der alten, mittlerweile verbotenen Farben: “Denen geht’s nur um’s Geld“, ärgert er sich, „die nutzen die Situation nun schamlos für sich aus.“ Da er viel in Schwarz und Grautönen tätowiere, warte er aktuell lieber ab, bis sich die Lage wieder beruhigt. Für die Schwarz und Weiß-Töne seien die Preise konstant geblieben.

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