Ökumenische Gemeinde Pfarrer aus Troisdorf wirkt seit über 15 Jahren in Shanghai

Troisdorf · Michael Bauer betreut als katholischer Pfarrer die deutschsprachige Gemeinde in Shanghai. Er nutzt in der Metropole die Grauzonen des Systems. Und es gibt rote Linien.

 Pfarrer Michael Bauer bei einer Taufe in Shenyang in Nordost-China.

Pfarrer Michael Bauer bei einer Taufe in Shenyang in Nordost-China.

Foto: Jürgen Meyer/Katholisches Auslandssekretariat

Ein rot-goldener Lampion, wie man ihn aus chinesischen Restaurants kennt, hängt in Michael Bauers Wohnung. Ganz am Rande des Bildes sieht man ihn, wenn man mit dem Pfarrer per Videokonferenz spricht. Seit August 2004 lebt der Pfarrer im chinesischen Shanghai, wo er die ökumenische deutschsprachige Gemeinde betreut. Geboren wurde der 51-Jährige in Troisdorf-Sieglar.

1994 kam Michael Bauer zum ersten Mal nach China, kurz vor seiner Priesterweihe. Das sei ein besonderer Urlaub gewesen, erzählt er. Er habe damals einen Bischof getroffen. Da Bauer zu dieser Zeit nur wenige Worte Chinesisch sprach, hat der Bischof Latein mit ihm geredet. Er antwortete auf Italienisch. „Damals entstand der Wunsch, längere Zeit als Priester im Reich der Mitte zu leben und zu wirken.“

110 deutschsprachige Gemeinden im Ausland

Er war dann zunächst in Düsseldorf und Zülpich tätig, ehe er 2004 nach Shanghai zog – als erster Pfarrer, der auch vor Ort lebte. Die Gemeinde besteht seit 2001 und feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Zuvor wurde sie betreut von einem Pfarrer aus dem südkoreanischen Seoul, der einmal im Monat nach Shanghai kam.

Insgesamt gibt es rund 110 deutschsprachige Auslandsgemeinden auf der ganzen Welt. Koordiniert werden sie vom Katholischen Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Die Auslandsseelsorge geht zurück auf die Auswanderungswellen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Richtung neue Welt – nach Südamerika, die USA und Kanada, erklärt Sekretariatsleiter Peter Lang. Mittlerweile hat sich der Fokus auf asiatische Wirtschaftsmetropolen verlagert.

Weniger Verwaltung, mehr Seelsorge

Dort betreut Michael Bauer vor allem Expatriates, also Fachkräfte, die von ihren Firmen für eine bestimmte Zeit geschickt werden – und vor Ort ihren Glauben in ihrer Muttersprache leben wollen. Deshalb ist Bauers Gemeinde relativ jung, erklärt er. Die meisten seien zwischen 35 und 50 Jahre alt. „Manche sind nur für sehr kurze Zeit hier, andere bleiben drei Jahre. Die Gemeinde ist immer im Fluss“, sagt Bauer. Die Seelsorge schenke ihnen Heimat und Glauben.

Auch die Seelsorger selbst bleiben in der Regel nur für eine bestimmte Zeit in der Auslandsgemeinde. Ihr Heimatbistum muss sie freistellen. Meist erst einmal für fünf Jahre, dann kann – wie bei Michael Bauer – verlängert werden.

Für Seelsorge hat der Pfarrer mehr Zeit als in einer Gemeinde in Deutschland, weil er in Shanghai kaum Verwaltungsaufgaben übernehmen muss. „So habe ich die Chance, mehr Zeit für Begegnungen zu haben.“ Jeden Sonntag feierte die Gemeinde Gottesdienst. Manche nehmen dafür in der 26-Millionen-Einwohner-Metropole weite Wege auf sich. Etwa 800 Haushalte gehören zu der ökumenischen Gemeinde, die – und das ist einmalig – von Michael Bauer und der evangelischen Pfarrerin Annette Mehlhorn geleitet wird. Auch der Gemeinderat ist ökumenisch besetzt.

Viele finden erst im Ausland zur Kirche

Nicht nur die Gemeindemitglieder, auch Michael Bauer ist viel unterwegs. „Es ist eine Geh-hin-Kirche“, sagt er und lacht. Gemeinderatssitzungen, Bibelkreise oder der Chor treffen sich wechselnd bei den Menschen zu Hause. „Wenn ich vier Termine am Tag habe, bin ich von morgens bis abends unterwegs.“

Was seine Gläubigen beschäftigt, unterscheidet sich sehr von den Sorgen einer Gemeinde in Deutschland. Viele Expatriates arbeiten 60 Stunden oder mehr, haben viel Verantwortung. „Da können sie hier die Seele baumeln lassen“, sagt Bauer. Seit mehreren Jahren bietet er daher Männerbesinnungswochenenden an.

Auch der oder die begleitende Partner(in) bringe oft eigene Sorgen mit. Viele Familien finden auch erst im Ausland wieder zur Kirche: Sie hatten in Deutschland oft kaum Kontakt mehr zur Gemeinde und finden in China wieder dazu. „Das ist eine Chance für die Auslandsseelsorge“, sagt Bauer. „Ich hoffe, dass sie den Glauben dann weiter leben, wenn sie zurückkehren.“

Was er vermisst: Den 1. FC Köln

Mit der besonderen Situation in China hat der Pfarrer gelernt, umzugehen. Er weiß, welche Grauzonen er nutzen kann, „um sie in Freiheitsräume des Glaubens umzuwandeln“. Gleichzeitig werden diese Grauzonen weniger, sagt er. Doch gerade während der Corona-Zeit habe sich gezeigt, dass sie nach wie vor bestehen. Denn lange Zeit waren Kirchen für Ausländer geschlossen. Seine Gemeinde hat die Messe dann in der Kellerbar eines Restaurants gefeiert. Erntedank fand in einem deutschen Restaurant statt, die Erstkommunion in einem Veranstaltungsraum.

Dennoch gebe es einige rote Linien, die Michael Bauer nicht überschreiten sollte. Dazu gehört, dass der Pfarrer sich vorsichtig zur politischen Lage äußert und sich nur sensibel in chinesische Kirchen-Themen einmischt. Gottesdienste mit einer chinesischen Gemeinde zu feiern, sei schwierig. „Der Austausch besteht nur punktuell. Man muss sehr, sehr sensibel und klug dabei vorgehen.“ Er versucht daher, privat Kontakt zu chinesischen Priestern und Bischöfen zu halten.

Fragt man den Pfarrer aus Troisdorf, was er an Deutschland am meisten vermisst, muss er nicht lange überlegen: Den 1. FC Köln. Als Jugendlicher sei er gerne ins Stadion gegangen. Der Fußballverein spielt auch in vielen seiner Predigten eine Rolle. „Manche Gläubige wetten schon, wann ich den FC wieder einmal erwähne.“

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