Pflegekinder im Rhein-Sieg-Kreis Pflegekinder und ihre Eltern brauchen besondere Unterstützung

Rhein-Sieg-Kreis · Sie würden es immer wieder tun. Marlen Krampe und Sabine Wagner haben Pflegekinder bei sich aufgenommen. Vor zehn Jahren gründeten die beiden den Initiativkreis für Pflege- und Adoptiveltern im Rhein-Sieg-Kreis – inzwischen eine wichtige Schnittstelle für Eltern, Kinder und Jugendamt.

Pflegeeltern und Pflegekinder im Rhein-Sieg-Kreis benötigen oft Unterstützung. (Symbolbild)

Pflegeeltern und Pflegekinder im Rhein-Sieg-Kreis benötigen oft Unterstützung. (Symbolbild)

Foto: picture alliance / dpa/Frank Leonhardt

Marlen Krampe ist Pflegemutter und hat vier Kinder in ihre Familie aufgenommen. Die sind heute zwischen 14 bis 38 Jahre alt. Vor zehn Jahren hat sie gemeinsam mit Sabine Wagner, einer weiteren Pflegemutter, den Initiativkreis für Pflege- und Adoptiveltern im Rhein-Sieg-Kreis gegründet.

Die beiden Frauen lernten sich über das Jugendamt Bonn kennen und stellten fest, wie hilfreich es ist, mit Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation zu sprechen, so Krampe. So kam ihnen die Idee, den Initiativkreis zu gründen. „Ziel des Initiativkreises ist es, die Kinder besser kennenzulernen“, sagt Sabine Wagner. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann drei Kinder mit Behinderung aufgenommen.

Alle Pflegekinder tragen ein Päckchen mit sich, macht Simone Brede deutlich, die Leiterin des Sachgebietes Pflegekinderdienste beim Jugendamt des Rhein-Sieg-Kreises. Die Päckchen, von denen sie spricht, sind Bindungsabbrüche und Traumata, deshalb sei ein sensibler Umgang der Pflegeeltern mit dem Pflegekind notwendig. Auch sei es teilweise eine Herausforderung, den richtigen Weg für die Pflegekinder zu finden. So stehen die Pflegeeltern teils im häufigen Kontakt zum Jugendamt, den leiblichen Eltern oder dem Gericht, das eine mögliche Rückführung prüft.

Arbeit mit der Herkunftsfamilie

Der Gedanke, dass das Pflegekind womöglich nicht bleibt, gehöre zum Pflegeeltern-Dasein, sagt Marlen Krampe. Eine Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern über das Gericht sei möglich. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen die leiblichen Eltern vor Gericht gehen und prüfen, ob sie ihr Kind zurückkriegen könnten“, sagt sie und ergänzt, dass sie und Sabine Wagner beide bereits in der Situation waren.

„Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie gehört dazu“, sagt Brede. Sie erklärt, dass eine fehlende Idee über die Herkunft des Kindes sich in dessen Erwachsenwerden schmerzhaft auswirken kann. Dabei dürfe die Herkunftsarbeit den Kindern nicht unklar erscheinen, es müsse Klarheit herrschen, fügt sie hinzu. „Das ist auch ein Problem von Familien mit Auslandsadoptionen, dass es meist kaum Informationen über die Herkunft der Kinder gibt“, sagt Krampe. Dadurch sei es schwieriger, die Biographie des Kindes zu verstehen. „Die Kinder erleben dann eine doppelte Pubertät“, sagt sie und erklärt so den Ablöseprozess von der Pflege- und von der Herkunftsfamilie.

So unterscheiden sich die Probleme der Pflege- und Adoptiveltern, erläutert Wagner. Während Pflegefamilien durch Kontakt und Besuche vom Jugendamt fast schon eine öffentliche Familie seien, fühlen sich Adoptiveltern teilweise allein gelassen. Über diese Probleme sprechen sie im Initiativkreis. „Der Ansatz der Gruppe ist, die Kinder und ihre Probleme zu verstehen“, sagt Wagner, weil man eine besondere Familie sei. Dafür trifft die Gruppe sich etwa alle zwei Monate, bei akuten Problemen seien sie aber auch per Telefon zur Stelle, so Krampe.

„Wir versuchen dann, die Eltern zu beruhigen und ihnen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen“, sagt sie. Dazu gehört beispielweise ein Gespräch mit dem Jugendamt. „Häufig erreichen uns telefonisch Schulthemen“, sagt Krampe. Der Eintritt in die Schule sei für Pflegekinder oft schwieriger. Emotionale Situationen wie ein Streit in der Pause, beeinflussen Pflegekinder zumeist mehr und das Lernen werde dadurch schwieriger. „Der zweite große Bereich ist die Diagnostik“, sagt Wagner. Für die Eltern sei es oft schon eine große Erleichterung, einen Namen für neu auftretende Auffälligkeiten zu erhalten.

Viele nehmen weitere Kinder auf

Trotz der Probleme, mit denen Pflege- und Adoptiveltern konfrontiert werden, entscheiden sich viele ein weiteres Mal dazu, ein Pflege- oder Adoptivkind aufzunehmen. Silke Kowalewski beispielsweise hat bereits vor 14 Jahren ein Pflegekind aufgenommen und ein weiteres vor neun Jahren. „Ich war kinderlos und eine Auslandsadoption war für mich keine Option“, sagt sie. Das Jugendamt habe ihr zugesichert, dass Pflege genauso gut sei wie Adoption. Als sich das bestätigte, nahm sie ein zweites Kind auf.

Eva Steeger hingegen ist eine besondere Pflegemutter, denn sie wirkt seit 2014 bei einer Bereitschaftspflegestelle mit. Hier gab sie bisher 13 Kindern ein Zuhause auf Zeit. Ein solcher Aufenthalt sollte aber nicht länger als zwei Jahre dauern, sondern eher kurzfristig sein, da die Kinder eine wirkliche Perspektive brauchen, stellt sie klar.

 Vor zehn Jahren wurde der Initiativkreis für Pflege- und Adoptiveltern im Rhein-Sieg-Kreis gegründet.

Vor zehn Jahren wurde der Initiativkreis für Pflege- und Adoptiveltern im Rhein-Sieg-Kreis gegründet.

Foto: Melanie Beckmann

Bevor die Aufnahme eines Pflegekindes möglich ist, bedarf es einiger Vorarbeit. Angehende Pflegeeltern belegen Seminare beim Jugendamt. Die zeigen auf, was auf sie zukommt. „Das erstreckt sich standardmäßig über sieben Abende und einen Samstag“, erklärt Brede. Auch gebe es davor und danach vorbereitende Gespräche bei der Familie und Gespräche mit Sabine Wagner und Marlen Krampe.

Die beiden arbeiten eng mit dem Jugendamt zusammen. In einem Arbeitskreis mit dem Jugendamt stellen sie zwei Mal pro Jahr die Probleme der Familien dar. Das soll eine größere Unterstützung für die Pflegefamilien im Kreis möglich machen. „Alle Einheiten sollen zum Wohl des Kindes kooperieren“ nennt Krampe einen Grundsatz der Arbeit des Initiativkreises. Neben den Gesprächen gibt es Vorträge, beispielsweise zu den Themen Trauma und Schule, Freizeitangebote für die Familien und Fachtage. Teil des Programms des Initiativkreises ist laut Krampe auch die Jugendarbeit. Hier können sich die Kinder mit anderen Pflege- oder Adoptivkindern austauschen. Schließlich sei es essenziell, dass die Pflegekinder schon früh wissen, dass sie Pflegekinder sind, so Wagner.

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