Familie verklagt Freistaat Bayern SEK stürmte falsche Wohnung in Troisdorf

Bonn/Troisdorf · Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei stürmte im März 2015 eine falsche Wohnung in Troisdorf. Die dort lebende Familie erlitt einen Schock. Jetzt verklagt sie vor dem Bonner Landgericht den Freistaat Bayern auf 17.000 Euro Schadensersatz.

Das war ein Alptraum: Am Nachmittag des 15. März 2015 zersplitterte krachend die Wohnungstür, schwarzgekleidete, vermummte SEK-Männer stürmten die Dreizimmerwohnung und richteten die Maschinenpistolen auf die Familie, die sich mit zwei Kleinkindern im Wohnzimmer aufhielt. Schnell war den Spezial-Einsatzkräften klar, dass sie - auf der Suche nach einem internationalen Drogendealer und seiner Lebensgefährtin - in einer falschen Wohnung gelandet waren. Aber zu spät für eine Korrektur. Durch den fatalen Irrtum erlitt die 59-jährige Bewohnerin eine Herzattacke, sie kollabierte und musste mit Notarzt in die Klinik gefahren werden. Aber der Schock saß auch bei ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann und ihrer 30-jährigen Tochter tief.

Selbst vier Jahre später ist das Trauma nicht geheilt. Wegen des „ungerechtfertigten SEK-Einsatzes“ des Bayerischen Landeskriminalamts haben Mutter und Tochter jetzt den Freistaat Bayern auf insgesamt 17.000 Euro Schadensersatz verklagt. Vor dem Bonner Landgericht fordern sie mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld sowie 7000 Euro Schadensersatz, darunter allein 4500 Euro für zwei durch den Einsatz ramponierte Wohnungstüren. Der Einsatz sei ohne Vorwarnung für die Familie gekommen, die sich bis zu diesem Tag auch nicht vorstellen konnte, dass sie ihre Parterre-Wohnung an einen gesuchten Drogendealer vermietet hatte.

„Wir wurden wie Verbrecher behandelt“, heißt es in der Klage der heute 64-Jährigen. Nach dem traumatischen Erlebnis hätten alle Familienmitglieder therapeutisch behandelt werden müssen, selbst ihr Ehemann hätte noch bis zu seinem Tod 2017 psychologische Hilfe gebraucht. Die Tochter, die nicht mehr in den Keller gehen könne, leide unter Panikattacken, und selbst ihre Enkel - damals fünf und ein Jahr alt - hätten aus Angst vor einem neuen Überfall ihre Großeltern nie mehr in ihrer Wohnung besucht.

Der verklagte Freistaat hält den Einsatz dennoch für gerechtfertigt und wehrt sich gegen den Vorwurf der Kläger, dass ihre Polizisten die Amtspflicht verletzt haben. Das Vorgehen der Beamten sei verhältnismäßig gewesen, da es sich bei dem Haftbefehls-Auftrag um schwerwiegende Rauschgiftkriminalität gehandelt habe. Da Gefahr im Verzug gewesen sei, auch die Vernichtung von Beweismitteln, also Drogen, drohte, habe man schnell handeln müssen. Wegen der Eile und Gefährlichkeit des Auftrags habe es keine Zeit gegeben, die Wohnsituation zu recherchieren.

Auch gegen den Vorwurf der Klägerin, man hätte zuvor ja mal auf das Klingelschild schauen können, wehrt sich der Freistaat: Denn aus kriminologischer Erfahrung würden unter gesuchten Dealern häufig falsche Namen verwandt, um die tatsächlichen Wohnverhältnisse zu verschleiern.

Der 52-jährige Drogendealer, der noch an dem Tag auf einem Supermarkt -Parkplatz in Troisdorf festgenommen werden konnte, wurde später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. (AZ: Landgericht Bonn 1 O 489/18)

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