ÖPNV-Streik in der Region „Es wird an allen Ecken und Kanten gespart – das merkt man eben auch“

Troisdorf · Die Busfahrer der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft streiken. Sie fordern mehr Lohn und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Bei Betriebsversammlungen in Troisdorf und Hennef erzählen sie, warum sie die Situation unzumutbar finden.

Draußen auf dem Betriebsgelände der RSVG in Troisdorf stehen am Montagmorgen rund 20 Streikteilnehmer.

Draußen auf dem Betriebsgelände der RSVG in Troisdorf stehen am Montagmorgen rund 20 Streikteilnehmer.

Foto: Ines Bresler

Die Busse stehen, die Zufahrt ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Von Montag bis Mittwochmorgen streiken die Angestellten der RSVG. Neben einer Lohnerhöhung von 10,5 Prozent oder mindestens 500 Euro fordern sie auch bessere Arbeitsbedingungen. „Die Arbeitgeber haben ein Angebot von fünf Prozent verteilt auf 27 Monate gemacht – das gleicht nicht einmal die Inflation aus“, sagt Busfahrer Ali Dogan. „Ich fände eine Erhöhung der Tarifentgelte um 500 Euro solidarischer“, erklärt Betriebsratsmitglied Frank Krämer. Die käme vor allem denen zugute, die sie dringend brauchen. „Wir wollen keinen Mehrlohn, sondern einen Inflationsausgleich, damit wir unsere Familien ernähren können“, sagt ein anderes Mitglied.

In Troisdorf haben sich am frühen Montagmorgen etwa 20 Männer versammelt. Vor dem Pavillon mit dem Gewerkschaftslogo kochen einige von ihnen Chai. Am Standort Hennef stehen zur selben Zeit 30 Leute auf dem Hof, sagt Betriebsratsvorsitzender Özcan Özdemir. Er schätzt die Zahl der Streikenden bei der RSVG auf insgesamt über 200. Die Reaktion der Kunden auf den Warnstreik sei sehr unterschiedlich. Viele bekunden ihre Zustimmung. Manch ein Vorbeifahrender zeige ihnen aber auch den Mittelfinger.

Ein Busfahrer bei der RSVG verdient laut Krämer im Durchschnitt 2600 Euro brutto. „Da sind aber schon alle Zulagen für Nacht- und Wochenenddienste eingerechnet“, betont ein Betriebsratsmitglied. Özdemir berichtet von einem seiner Kollegen: „Er ist schon seit 13 Jahren hier und verdient in Steuerklasse 4 rund 1900 Euro netto.“ Sein Mitstreiter Pawel Derevjanko ergänzt: „Mit dem Lohn, den wir hier bekommen, kriegt man keine neuen Mitarbeiter: Wie oft waren schon Praktikanten hier, die sich das zwei Wochen lang angesehen haben und auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind.“ Die Arbeitsbelastung sei durch den Schichtdienst und die Verantwortung, die die Berufskraftfahrer tragen, ohnehin groß.

Hohe Arbeitsbelastung und Zeitdruck

„Hinzu kommt aber, dass wir notorisch unterbesetzt sind und fortlaufend Überstunden machen“, sagt Krämer. Ihm zufolge sind 180 Stunden Arbeitszeit im Monat fast alltäglich. Um die Taktung nach dem Fahrplanwechsel von Dezember 2022 bedienen zu können, bräuchte die RSVG laut Özdemir rund 80 weitere Stellen. Durch den neuen Fahrplan seien 1,2 Millionen Kilometer Zusatzleistung entstanden. Nach dem Wechsel der Geschäftsführung habe sich die Situation der Busfahrer verschärft, denn nun würden keine neuen Leute mehr eingestellt, sagt Özdemir. „Es wird an allen Ecken und Kanten gespart, beim Lohn, beim Personal – und das merkt man eben auch“, findet Krämer.

„Stress und Druck werden immer größer, wir kümmern uns um Menschen in Rollstühlen und Rollatoren, müssen auf Kinder aufpassen, auf Fahrräder und E-Roller im Stadtverkehr“, so Dogan. Der große Zeitdruck sei unter anderem der Taktung geschuldet: „Der Arbeitgeber berechnet eine Durchschnittstaktung, die im Berufsverkehr nicht machbar ist“, so Krämer. Sein Kollege Derevjanko sagt, die Taktung sei so eng, dass Busfahrer ihre Notdurft im Dauerlauf verrichten müssten. Unabhängig voneinander sprechen auch andere Busfahrer die fehlende Zeit für Toilettenpausen an. „Das ist für die Frauen unter uns ein noch größeres Problem“, bemerkt ein Betriebsratsmitglied. Er schätzt die Zahl der weiblichen Kolleginnen auf etwa zehn. Frank Krämer erläutert die Pausenzeitregelung: „Das Problem ist: Gesetzlich ist alle vier Stunden eine Pause von 30 Minuten vorgeschrieben. Der Arbeitgeber kann diese Pause aber auch sechsteln“. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern gebe es sogar die Diskussion, ob auch das Stehen an der Ampel als Pausenzeit gelten könne.

 Am Montagmorgen streiken Verdi-Mitglieder auf dem RSVG Betriebsgelände in Troisdorf.

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Foto: Ines Bresler
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Foto: Benjamin Westhoff

Wenig Zeit für Toilettenpausen

Den Busfahrern macht aber auch die fehlende Planungssicherheit zu schaffen: „Normalerweise sollten wir nach festem Dienstplan arbeiten, durch die Unterbesetzung müssen wir aber oft spontan einspringen“, sagt Derevjanko. Früher konnten sie drei Monate im Voraus planen, jetzt komme der Dienstplan für den nächsten Monat erst kurz vorher raus. Es passiere, dass er an einem freien Tag um fünf Uhr morgens angerufen werde. „Du kannst dein Privatleben überhaupt nicht planen“, so der 36-Jährige. Die Einteilung in über den Tag verteilten Schichten mache die Situation nicht einfacher: „Ich stehe um fünf Uhr auf, um meinen Dienst zu machen. Dann habe ich ein paar Stunden Zeit, passe auf die Kinder auf, gehe einkaufen und muss dann wieder zum Dienst. So wird der Tag sehr lang.“

Was er sich von den Tarifverhandlungen erhofft, fasst Özcan Özdemir zusammen: „Die Post hat einen guten Abschluss, damit wäre ich einverstanden. Vor allem haben die jetzt den Bruttolohn erhöht.“ Frank Krämer fände eine Neuverhandlung ideal: „Wenn es jetzt zu keiner Einigung kommt, wird der Druck auf beiden Seiten erhöht. Wir sind auf jeden Fall bereit, auch in einen längeren Streik zu gehen.“ Wenn es bei der Urabstimmung eine Mehrheit dafür gibt, kann es auch passieren, dass die Busfahrer zwei Wochen lang das Betriebsgelände nicht mehr betreten.

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