Prozess am Landgericht Bonn Täter zeigt Reue nach Messerattacke auf seinen Bruder

Troisdorf/Bonn · Der Bundesgerichtshof hob das Urteil wegen Totschlags auf. Im Revisionsverfahren vor dem Landgericht Bonn zeigt der Angeklagte aus Troisdorf, der seinen Bruder im Streit mit einem Küchenmesser attackierte, nun Reue.

Wegen der Messerattacke auf seinen Bruder verantwortet sich ein 26-Jähriger vor dem Landgericht Bonn. (Symbolfoto)

Wegen der Messerattacke auf seinen Bruder verantwortet sich ein 26-Jähriger vor dem Landgericht Bonn. (Symbolfoto)

Foto: Benjamin Westhoff

Die Messerattacke wäre beinahe tödlich ausgegangen: Bei einem Streit am Abend des 18. September 2020 unter zwei betrunkenen Brüdern in einer Troisdorfer Wohnung hatte ein damals 26-Jähriger seinem ein Jahr älteren Bruder mit einem Küchenmesser in den Bauch gestochen. Die Klinge durchbohrte den Darm und eine Hohlvene, nur durch eine Notoperation in der Bonner Uni-Klinik konnte der Schwerverletzte, der die Hälfte seines Blutes verloren hatte, gerettet werden. Wegen der Attacke war der 26-Jährige am 14. April 2021 vom Bonner Schwurgericht wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Es konnte damals nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob der 27-Jährige bei dem Kampf in das Messer gelaufen ist.

Gegen dieses Urteil ist Verteidiger Peter-René Gülpen erfolgreich in Revision gegangen, der Bundesgerichtshof hob es im November auf und verwies es zurück ans Bonner Landgericht, gestern wurde der Fall vor der 3. Großen Strafkammer neuverhandelt. Sie musste prüfen, ob der Angeklagte in Notwehr und damit nicht rechtswidrig gehandelt habe und ob ein sogenannter Täter-Opfer-Ausgleich infrage komme. Gibt es eine solche Wiedergutmachung, kann das Gericht eine Strafe abmildern oder gar nicht verhängen.

Die Brüder stammen aus schwierigen Familienverhältnissen, sie kennen ihren Vater nicht, die Mutter war krank und mit der Erziehung überfordert. Die beiden Söhne prügelten sich ständig, so dass das Jugendamt wiederholt wegen innerfamiliärer Gewalt eingriff. Schließlich wurde der Jüngere mit zwölf Jahren von der Schule genommen, er hat keinen Abschluss und auch keine Berufsausbildung. Schon früh kamen die Jungen in Kontakt mit Alkohol und Drogen, die auch bei dem verhängnisvollen Streit am 18. September 2020 eine Rolle spielten. Am Tatabend hatten beide mit ihren Freundinnen zwei Flaschen Rum und Whisky getrunken, auch Amphetamine und Haschisch konsumiert.

Das Opfer verzieh seinem Bruder

Der Schwerverletzte hat seinem Bruder schon kurz nach der Tat verziehen und im Prozess im April 2021 erklärt, er habe kein Interesse an einer Verurteilung. Beide lagen sich am Ende weinend in den Armen. Der Angeklagte sagte gestern, sie hätten jetzt „ein besseres Verhältnis, als wir es jemals gehabt haben“. Sie redeten viel miteinander und besuchten sich regelmäßig. Außerdem zahle er seinem arbeitslosen Bruder jeden Monat 50 Euro; insgesamt wolle er ihm 5000 Euro als Entschädigung geben.

Nach dem ersten von sechs geplanten Verhandlungstagen zeichnet sich ab, dass der Angeklagte eine Bewährungsstrafe erhält. Darauf hatten sich vorab Staatsanwaltschaft und Verteidigung verständigt. In einem Rechtsgespräch mit dem Gericht einigten sich die Parteien darauf, eine Bewährungsstrafe könne in Aussicht gestellt werden, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablege. Das sagte Rechtsanwalt Gülpen zu. Gründe für die milde Strafe: Der 28-Jährige sei provoziert worden, habe in einem Augenblicksversagen während des Kampfes zugestochen, habe seinem Bruder Erste Hilfe geleistet und Reue gezeigt.

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