Bilderbuchmuseum in Troisdorf Ukrainische Künstlergruppe zeigt das Gestern und Heute ihres Landes

Troisdorf · Hier die Weiten gelber Weizenfelder, da in dunklen Farben gehaltene Momentaufnahmen der Schrecken des aktuellen Krieges: In der Ausstellung „Ukraine: gestern & heute“ verbindet das Bilderbuchmuseum Burg Wissem in Troisdorf zwei Bildzyklen von ukrainischen Illustratorinnen und Illustratoren.

 Die ukrainische Illustratorin Anna Sarvira neben ihrem Werk „Russian Peace“. Es ist Teil des Kriegstagebuchs, das sie zusammen mit anderen ukrainischen Künstlern gestaltet.

Die ukrainische Illustratorin Anna Sarvira neben ihrem Werk „Russian Peace“. Es ist Teil des Kriegstagebuchs, das sie zusammen mit anderen ukrainischen Künstlern gestaltet.

Foto: Nadine Quadt

Es gibt Momente, da muss Anna Sarvira einfach an den Zeichentisch und ihre Gefühle, die sie angesichts des Kriegs in ihrer ukrainischen Heimat umtreiben, künstlerisch verarbeiten. „Es ist aber alles auch sehr persönlich, deswegen kann ich manchmal auch nicht zeichnen“, erklärt die ukrainische Illustratorin, die momentan bei ihrem Freund in Köln wohnt. Untätig ist sie aber im Grunde nie. Sie nutzt ihre über Jahre aufgebauten internationalen Verbindungen, um die Welt auf die Schrecken und die Zerstörung in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Mit ihren ausdrucksstarken und bewegenden Arbeiten – und mit denen anderer ukrainischer Künstlerinnen und Künstlern. Unter dem Titel „Ukraine: gestern und heute“ ist eine Auswahl davon seit Freitagabend in der Remise des Troisdorfer Bilderbuchmuseums auf Burg Wissem zu sehen.

Die Idee dazu hat Anna Sarvira zusammen mit der Kölner Autorin und Moderatorin Ute Wegmann entwickelt. Bei einer Solidaritätslesung für die Ukraine haben die beiden sich Anfang März im Literaturhaus Köln kennengelernt. Sarvira erzählte vom aktuellen Projekt des „Pictoric Illustrators Club“ – einem Kollektiv ukrainischer Illustratorinnen und Illustratoren. Seit Kriegsbeginn setzen die Künstlerinnen und Künstler sich auf verschiedenen Ebenen mit dem Krieg in ihrem Land auseinander und führen ihre Werke in einem „Kriegstagebuch“ zusammen. „Sie alle wollen, dass ihre Bilder gesehen werden“, berichtet Wegmann bei der Vorbesichtigung im Bilderbuchmuseum. „Die Plakate zeigen, wie es wirklich ist in der Ukraine und sie sollen helfen, Spenden für unser Land zu sammeln“, erklärt Anna Sarvira. Das sei das einzige, was sie als Künstler beitragen könnten.

Wegmann und Sarvira wollten dem Grauen aber auch etwas entgegensetzen. Deswegen stellten sie dem aktuellen Bildzyklus ein früheres Projekt des „Pictoric Illustrators Club“ zur Seite. In „Yellow und Blue“ gewähren die Illustratoren Einblicke in die kulturellen, gesellschaftlichen, landschaftlichen und historischen Besonderheiten ihres Landes. Sie zeigen etwa die Weiten der gelben Weizenfelder unter scheinbar endlos blauem Himmel. Auf den großformatigen Plakaten ist Traditionelles und Modernes, Neues und Archaisches zu entdecken, sie sind der künstlerische Weg, Fremden ein Land näherzubringen.

Im Bilderbuchmuseum rannten die beiden Frauen mit der Idee ihrer Ausstellung offene Türen ein. „Wir hatten uns auch schon Gedanken darüber gemacht, wie wir den Krieg in unserem Haus aufgreifen können“, sagt Museumsleiterin Pauline Liesen. Binnen weniger Tage habe das Konzept gestanden, seien Einladungskarten sowie Visitenkarten mit Spendenkonten gedruckt gewesen. „So können wir als Stadt auch auf kultureller Ebene Solidarität mit der Ukraine zeigen“, sagt die Erste Beigeordnete Tanja Gaspers, die auch Kulturdezernentin ist. Aktuell habe die Stadt 550 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen.

Kunstprojekt dokumentiert Krieg in der Ukraine

„Die Art, wie die jungen Illustratoren mit dem Thema umgehen, hat etwas in uns entflammt“, spricht Liesen auch für ihr Team. Frech, offen, frei sind die Attribute, die sie wählt. Ein Blick auf die ausdrucksstarken Plakate zeigt, was sie damit meint. Da sind die angstverzehrten Gesichter von Menschen zu sehen, die in einer Autokolonne aus ihrer Heimat flüchten. Oder Anna Sarviras „Friedenstaube“, die mit Fesseln in den Farben der russischen Flagge an ein Kreuz aus Geschützrohren gebunden ist und den Buchstaben Z auf ihrer Brust eingeritzt hat. Liesen sieht die Werke als „Appell an uns, darüber nachzudenken, was hier falsch läuft“.

Das Projekt läuft unterdessen weiter, die Künstlerinnen und Künstler in der Ukraine verarbeiten immer neue Erfahrungen, veröffentlichen sie auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite. „Ihre Bilder haben sich verändert“, sagt Ute Wegmann. Man sehe, wie sich der Krieg verschärft habe. Diese Entwicklung findet sich auch in der Ausstellung auf Burg Wissem wieder. Auf Monitoren zeigt das Museum neben den Ausdrucken der Originalwerke in einer digitalen Schleife weitere Werke.

Anna Sarvira hat Angst um ihre Familie und Freunde. „Ich telefoniere so oft wie möglich mit ihnen“, berichtet sie. Normalerweise lebt sie in Kiew. Noch vor Kriegsbeginn war sie nach Köln gereist, um ihren dort lebenden Freund zu besuchen. Der Rückflug war für Ende Februar gebucht. „Jetzt bleibe ich erst einmal in Köln und versuche von hier aus zu helfen“, sagt sie. In Finnland, Polen, Ungarn und Frankreich laufen auch Ausstellungen mit Arbeiten des „Pictoric Illustrators Club“. In Deutschland soll es ebenfalls weitere geben, so etwa im K20 in Düsseldorf. Und auch, wenn im Mai die Ausstellung in Troisdorf endet, soll die Hilfe weitergehen. „Wir planen, Bilder bei einem Fest am Internationalen Museumstag zu verkaufen“, sagt Pauline Liesen. Die Einnahmen gingen dann der Ukraine-Hilfe zu. Zum Verkauf stehen dann Ausdrucke der eigentlichen Werke. Die Originale sind in der Ukraine.

Die Ausstellung „Ukraine: gestern und heute“ ist bis Sonntag, 8. Mai, in der Remise des Bilderbuchmuseums Burg Wissem, Burgallee 1, in Troisdorf zu sehen. Mehr Informationen gibt es auf www.bilderbuchmuseum.de

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