Urteil am Landgericht Bonn Versöhnung nach Prozess um Familientragödie in Troisdorf
Bonn/Troisdorf · Im Streit hatte ein 26-jähriger Troisdorfer im vergangenen Sommer seinem Bruder ein Messer in den Bauch gestoßen und ihn schwer verletzt. Das Bonner Landgericht verurteilte ihn jetzt zu zweieinhalb Jahren Haft.
Noch vor dem Einzug der Kammer und der darauffolgenden Urteilsverkündung warfen sich der Angeklagte und sein im Publikum sitzender Bruder einen freundlichen Blick zur Begrüßung zu. Mit dem Urteil wurde dann ein Schlussstrich unter eine blutige, aber zum Glück glimpflich ausgegangene Familientragödie gezogen. Zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilten die Richter der 4. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht den 26-Jährigen Troisdorfer, weil er seinem jüngeren Bruder ein Messer in den Bauch gestoßen hatte. Der Verurteilte kann die Strafe im offenen Vollzug absitzen.
Das Gericht sah den Angeklagten bis zu dem verhängnisvollen Abend auf einem guten Weg: Trotz schwerer Kindheit hatte der 26-Jährige sich beruflich und privat beste Perspektiven erarbeitet. Am Abend des 18. September vergangenen Jahres änderte sich das alles allerdings schlagartig. Der junge Mann war mit seinem Bruder, dessen Freundin sowie einigen weiteren Freunden ausgegangen, auch Alkohol war reichlich geflossen. Zu einem Absacker landeten die Brüder und die Partnerin des Jüngeren dann noch in der Wohnung, die der Ältere gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bewohnte. Auf dem Balkon kam es zu einem Streit zwischen den beiden Gästen. Aus Angst, die Nachbarn zu stören, versuchte der 26-Jährige daraufhin, das streitende Paar aus der Wohnung zu bitten.
Streit eskalierte
„Wenn man einen Gewissen Alkoholpegel hat, ist Bitten allerdings ein bisschen schwierig“, kommentierte der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff die nun folgende Situation. Beide Brüder hatten etwa zwei Promille Alkohol im Blut. Der Streit eskalierte schnell und verlagerte sich in das Treppenhaus des Mehrfamilienhauses in Troisdorf. Offenbar wusste sich der später schwer verletzte Bruder durchaus gegen den Rauswurf zu wehren. Das Hemd des Angeklagten war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits zerrissen, und er trug auch einige Kratzer am Oberkörper davon. Dennoch konnten die Wohnungsinhaber die Türe schließen.
„Es wäre gut gewesen, wenn sie zu geblieben wäre“, so Reinhoff weiter. Weil der Rausgeschmissene aber im Treppenhaus lärmte, griff der Wohnungsinhaber in der Küche nach einem Messer und öffnete die Türe wieder. Die Situation sei aber absolut nicht geeignet gewesen, durch das bloße Zeigen eines Messers Eindruck bei dem wütenden Bruder zu schinden, kommentierte Reinhoff die Eskalation. Und so kam es dann zu dem verhängnisvollen Stoß, durch den der jüngere Bruder lebensgefährlich verletzt worden war.
Gericht sah keine Tötungsabsicht
Eine Tötungsabsicht mochte das Gericht dem Mann aber nicht unterstellen. Er erkannte nämlich offenbar sofort seinen Fehler, half die Wunde abzudrücken und gemeinsam benachrichtigten dann alle Beteiligten unverzüglich den Rettungsdienst. Auf ausdrücklichen Rat seines verletzten Bruders hin habe er dann aber zunächst den Tatort verlassen und sich erst am nächsten Tag gestellt, so der Angeklagte im Verlauf des Verfahrens.
„Schön, dass Sie da sind“, sprach Reinhoff das unter den Prozessbeobachtern sitzende Opfer direkt an. Das sei aufgrund der Schwere der Verletzung fast ein kleines Wunder. Versöhnt hatten sich die Brüder aber bereits zuvor. Weil das Gericht den Haftbefehl direkt nach der Urteilsverkündung aufhob, konnten sowohl der Bruder als auch die Lebensgefährtin des Verurteilten den jungen Mann nach der Verhandlung im Foyer des Gerichts unter Tränen und Umarmungen in Empfang nehmen.