Geburtshelferinnen im Rhein-Sieg-Kreis Viele Hebammen haben schon aufgegeben

RHEIN-SIEG-KREIS · Viele freiberufliche Geburtshelferinnen fürchten um ihren Beruf. Eine Bestandsaufnahme von GA-Redakteurin Nadine Quadt.

 Hebammen kämpfen für den Erhalt ihres Berufsstandes.

Hebammen kämpfen für den Erhalt ihres Berufsstandes.

Foto: dpa-Zentralbild

Da ist die Mutter, die ihre Tochter zu Hause zur Welt gebracht hat, ganz intim, nur mit ihrem Mann und ihrer Hebamme. Und da ist die Mutter, bei deren Hausgeburt es zu Komplikationen kam. Hebamme Lisa von Reiche riet ihr dringend dazu, ins Sieglarer Krankenhaus zu wechseln. Dort half die Beleghebamme bei der Geburt des Sohnes.

Beide Elternpaare haben vor einem Jahr im Gespräch mit dem GA versichert: "Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen und würde es sofort wieder so machen." Ob sie dazu Gelegenheit haben, ist aber mehr als fraglich. Denn nach derzeitigem Stand bietet ab dem 1. Juli 2016 kein Versicherer mehr eine Berufshaftpflicht für Hebammen an. Da die aber zur Versicherung verpflichtet sind, würde das das Ende freiberuflicher und damit individueller Geburtshilfe bedeuten.

Viele ihrer Kolleginnen hätten bereits das Handtuch geworfen, die Geburtsvorbereitung aufgegeben. "Und es werden wohl noch mehr, fürchtet Lisa von Reiche, die seit 24 Jahren als freiberufliche Hebamme in der Region arbeitet und als Schatzmeisterin im Verein Hebammen für Deutschland e.V. für finanzierbare Arbeitsbedingungen für sich und ihre Kolleginnen kämpft, angesichts der aktuellen Entwicklungen.

Krankenkassen und Hebammenverbände haben in ihren Verhandlungen über den Rahmenvertrag eine Schiedsstelle angerufen. Deren Beschluss bewertet von Reiche als "katastrophales Signal für die individuelle Geburtshilfe". Dieser sieht nämlich verbindliche Ausschlusskriterien für Hausgeburten vor.

"Eltern wie Hebammen sind fassungslos"

So soll es künftig für Entbindungen drei Tage nach dem errechneten Termin eine ärztliche Genehmigung brauchen. "Das ist eine unsägliche Beschneidung der Rechte der Frauen und der Hebammen", sagt von Reiche. "Eltern wie Hebammen sind fassungslos." Den Eltern gehe damit ein verbrieftes Recht auf freie Wahl von Hebamme und Geburtsort verloren. Und den Hebammen ein weiteres Stück Planungssicherheit. Denn sollte der Arzt eine Hausgeburt ablehnen, muss die Hebamme ein Belegkrankenhaus haben, um die Geburt begleiten und abrechnen zu können.

"Unsere Arbeit ist umfassend, individuell, sehr persönlich und mit hoher Verantwortung verbunden", sagt Lisa von Reiche. Hebammen begleiten Frauen während der Schwangerschaft, bereiten sie auf die Geburt vor, helfen dabei, das Kind auf die Welt zu bringen und sind auch in der Zeit danach stets zur Stelle, wenn die Familie Hilfe braucht. "Die meisten Hebammen machen ihren Beruf aus Leidenschaft, aber wir müssen auch davon leben können", sagt Lisa von Reiche.

Ihnen fehlt aktuell Planungssicherheit. "In ein paar Wochen kommen die ersten Frauen, die ihr Kind im Juli 2016 erwarten", so von Reiche. Sie wisse derzeit nicht, was sie diesen werdenden Müttern sagen solle. Nach aktuellem Stand ist die Hebamme, die in der Bonner Hebammenpraxis Storch & Co arbeitet, ebenso wie ihre Kolleginnen dann nicht mehr versichert. "Die Geburtshilfe steht in den Sternen", sagt von Reiche.

104 Hebammen registriert

Sie und ihre Kolleginnen stünden mit dem Rücken an der Wand. Rund 250 Hebammen arbeiten in der Region Bonn/Rhein-Sieg, drei Viertel freiberuflich. Noch sei die Geburtshilfe hier vergleichsweise gut aufgestellt, sagt von Reiche. Im Hebammenzentrum Bonn/Rhein-Sieg sind 104 Hebammen registriert - alle freiberuflich.

"Jeder Frau wäre eine Eins-zu-Eins-Betreuung zu wünschen, die ist in Kliniken aber aus Personalmangel oft nicht zu leisten", sagt Lisa von Reiche. Stattdessen seien zunehmend Interventionen Routine, die ursprünglich für Notfälle gedacht waren, wie Geburtseinleitungen, Wehentropf und Kaiserschnitte.

"Es ist schön, dass wir von der Geburtsvorbereitung bis hin zur Wochenbettbetreuung immer die gleiche, vertraute Person an unserer Seite wussten und wissen", haben die Eltern des kleinen Timo vor einem Jahr betont. Damit das so bleibt, haben Eltern sich zusammengetan und die Elterninitiative "Mother Hood" gegründet. Gemeinsam wollen sie für den Erhalt der individuellen Geburtshilfe kämpfen - auch in der Region.

Weitere Informationen unter www.hebammenfuerdeutschland.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Lüften und Filtern!
Kommentar zu Corona-Maßnahmen an Schulen Lüften und Filtern!
Aus dem Ressort