Coronazahlen steigen im Kreis weiter an ZF-Werk Eitorf will wieder arbeiten

Rhein-Sieg-Kreis. · Eitorf steht weiter im Fokus des Kreisgesundheitsamtes, nachdem sich im ZF-Werk viele Mitarbeiter infiziert hatten. Es gab ein Krisengespräch zwischen Kreis und Konzernleitung. Der Landrat lehnt die Unterstützung von Kommunen weiter ab.

 Eine Hilfestellung bei der Kontaktnachverfolgung, die im Kreis gerne angenommen wird, sind Soldaten der Bundeswehr.

Eine Hilfestellung bei der Kontaktnachverfolgung, die im Kreis gerne angenommen wird, sind Soldaten der Bundeswehr.

Foto: Thomas Heinemann

Eitorf und das ZF-Werk stehen nach wie vor im Fokus des Kreisgesundheitsamtes. Dort sind aktuell 141 positive Corona-Fälle registriert. Die Situation sei auch im Ort so unübersichtlich, dass sich die Schulleiterin der dortigen Dependance des Berufskollegs in Absprache mit dem Schulamt entschieden habe, den Betrieb bis auf weiteres komplett auf Distanzunterricht umzustellen, sagte Landrat Sebastian Schuster auf der Pressekonferenz am Freitag.

Wie berichtet, hat das Stoßdämpferwerk in Eitorf wegen eines Corona-Ausbruchs seine Produktion vorübergehend eingestellt. In dem Werk waren 91 der knapp 700 Beschäftigten positiv auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet worden. Einer Unternehmenssprecherin zufolge will man die Arbeit am Montag wiederaufnehmen – mit negativ getesteten, aber unter Quarantäne stehenden Mitarbeitern.

Telefonkonferenz mit dem Landrat

Doch ganz so einfach ist das nicht, wie Schuster und der Leiter seiner Covid-Fachstelle, Ralf Thomas, erläuterten. Dazu habe es am Donnerstag eine Telefonkonferenz gegeben, an dem neben Schuster und Thomas auch Vertreter des Gesundheits- und des Rechtsamts, der Eitorfer Bürgermeister Rainer Viehof sowie die Werks- und Konzernleitung teilgenommen haben. Thomas zufolge gibt es neben der medizinischen Beurteilung auch einen gewissen „Ermessungsspielraum bei der ordnungsbehördlichen Umsetzung“. Immerhin handle es sich um einen internationalen Konzern und einen für Eitorf wichtigen Arbeitgeber. Da gelte es „intensiv abzuwägen“.

Schuster betonte indes, dass die Gesundheit und die Bekämpfung des Virus für den Kreis „absolute Priorität“ hätten. Man habe aber Verständnis für die Sorgen des Werks. Da gehe es unter anderem auch um die Sicherstellung von Lieferketten für die VW-Autobauer. Entschieden abgelehnt hätte der Kreis das Ansinnen der Werksleitung, externes Personal ins Werk zu holen. Auch einen weiteren Zwei-Schicht-Betrieb kann es aus Sicht des Kreisgesundheitsamts nicht geben. Schuster: „Wenn am Montag die betroffenen Mitarbeiter weiterhin symptomfrei sind und ein negatives Testergebniss haben, können wir uns vorstellen, dass das Werk gegen Mittag seine Produktion wieder hochfährt. Sobald es aber wieder positive Fälle gibt, geht die Ampel sofort wieder auf Rot.“

4627 Personen sind in Quarantäne

Aktuell verzeichnet das Gesundheitsamt im gesamten Kreisgebiet 1200 Corona-Infektionen, in häuslicher Absonderung befinden sich 4627 Personen (Stand: Freitag, 12.45 Uhr). Die 7-Tage-Inzidenz für den Rhein-Sieg-Kreis liegt bei 146. Die Lage sei nach wie vor besorgniserregend, sagte der Landrat.

Dass die Bundeswehr, wie berichtet, den Kreis bei der Kontaktpersonennachverfolgung unterstützt, sei „keine Bankrotterklärung, sondern eine Hilfestellung, die wir gerne in Anspruch nehmen“, betonte Schuster. Auch der Fördermittelantrag für weitere 27 befristete Vollzeitstellen sei bereits gestellt. Dafür bekommen Kommunen pro Kraft und Monat 5200 Euro vom Land.

Nach GA-Informationen haben einzelne Kommunen zuletzt noch einmal personelle Unterstützung angeboten. Rita Lorenz, Pressesprecherin des Kreises, bestätigte das: „Angesichts der gestiegenen Zahl von Quarantäneverfügungen und der allgemeinen Schutzmaßnahmen der Corona-Schutzverordnung erwartet die Kommunen in ihren Ordnungsbehörden aber nun ebenfalls eine immense Mehrarbeit. Landesgesundheitsminister Laumann wiederholte unlängst seine Erwartung, die Ordnungsbehörden sollten die Einhaltung der Quarantäneanordnungen stichprobenweise, aber ernsthaft überwachen.“

Landrat verteidigt Strategiewechsel

Landrat Schuster danke den Bürgermeistern der kreisangehörigen Städte und Gemeinden zwar für ihr Unterstützungsangebot, setze aber eher auf im Kreishaus gebündeltes Personal.

Wie berichtet, hatte Schuster im Sommer die Entscheidung getroffen, dass der Kreis die Kontaktpersonennachverfolgung mit eigenem Personal sowie mit Unterstützung durch Fremdkräfte wie Containment Scouts vornimmt. Lorenz: „Tatsächlich ist der Einsatz eigenen Personals wegen der technischen, organisatorischen und fachlichen Anbindung auch der Einbeziehung dezentraler Unterstützungskräfte in den Gemeinden vorzuziehen.“

Der Landrat rechtfertigte auch den Strategiewechsel beim Vorgehen: So werden unter anderem infizierte Personen aufgefordert, eine Liste ihrer Kontakte anzulegen und diese schon mal selbst zu informieren – bis die offizielle Ordnungsverfügung ausgestellt werden kann. „Wir prüfen gerade mit Juristen, ob wir dieses Vorgehen in eine Allgemeinverfügung aufnehmen können und so alle Kontaktpersonen ebenfalls sofort in Quarantäne schicken können.“

Es gebe bereits drei andere Kommunen in NRW, die dem Beispiel des Rhein-Sieg-Kreises folgen wollten, sagte Schuster, der nochmals an alle Bürger appellierte, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen und „mitzudenken“: Wenn er morgens die Nachricht lese, warum eines von zwei Kindern noch keine Quarantäneverfügung erhalten habe, obwohl es doch auch Kontaktperson sei und ob dieses Kind dann von der Quarantänepflicht befreit sei, „dann fällt mir schon vor Verwunderung der Würfelzucker in den Kaffee“, sagte Schuster.

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