Sinnkrise im Supermarkt

Glosse von Julian Schick

Wer in der Schlange an der Supermarktkasse steht, lernt seine Mitmenschen kennen. Zumindest ihre Ernährungsgewohnheiten. Fertigessen oder Feinkosttheke? Sekt oder Selters?

Nach der Arbeit habe ich meistens keine Lust, mich noch an den Herd zu stellen. Also in die Tiefkühltheke gegriffen, eine Portion Fertig-Lasagne herausgefischt und ab an die Kasse. Drei Leute stehen vor mir.

Hey, da hat sich einer für das gleiche Schlemmergericht entschieden wie ich. Mal sehen, was er noch auf das Band packt: Schokolade Trauben-Nuss, igitt, dazu Zigaretten und eine Flasche Feierabend-Bier. Zu allem Überfluss hat er das Geld schon passend abgezählt in der Hand. Ob das seine übliche Abendration ist? Der Mann ist gut 20 Jahre älter als ich. Werde ich auch so enden? Wie lange noch bis zur Trauben-Nuss? Zum Teil esse ich jetzt schon das gleiche ungesunde Zeug.

Zielgerichtet gehe ich zurück zur Kühltruhe und lege den gefrorenen Nudel-Hackfleisch-Klumpen wieder rein. Selbst kochen kann ja nicht so schwer sein. Also auf ein Neues: ein mageres Steak, frisches Gemüse und Kartoffeln. Dazu eine Flasche Rotwein, es muss ja nicht immer das billigste sein. Als ich aus dem Gang zu den Kassen biege, ramme ich mit meinem Wagen den Vordermann.

Die zweite Kassiererin hat gerade Feierabend gemacht. Und nun stehen gefühlte 62 Leute an der letzten geöffneten Kasse. Das ist das Ende meiner guten Vorsätze. Diskret stelle ich den Wagen neben dem Pfandautomaten ab und verlasse den Supermarkt ohne Einkäufe.

Der freundliche Mann in der Döner-Bude sieht mich kommen. "Wie immer?" fragt er freundlich.

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