Wechselvolle Geschichte Spielbank in Bad Neuenahr feiert 70-Jähriges

BAD NEUENAHR · Das erste staatlich konzessionierte Casino in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt eine wechselvolle Geschichte: Vom Glanz der Bundespressebälle bis zur Konkurrenz aus dem Internet. Ein

Erich Ollenhauer tanzte beim Bundespresseball 1957 mit Schauspielerin Hildegard Knef.

Erich Ollenhauer tanzte beim Bundespresseball 1957 mit Schauspielerin Hildegard Knef.

Foto: pa

70 Jahre Spielbank Bad Neuenahr sind auch sieben Jahrzehnte im Spiegel der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Leere Kassen, ein am Boden liegender Kurbetrieb und hungernde Menschen waren denkbar schlechte Voraussetzungen, um Fortuna herauszufordern – es war ein gewagtes Spiel kurz nach der Währungsreform im noch jungen Bundesland Rheinland-Pfalz und unter den Augen der französischen Besatzungsmacht.

Doch Visionären wie dem späteren ersten Direktor Richard Foerster, seinem trotzigen Optimismus und der weitsichtigen Bedingung, Stadt, Kur AG, Kreis und Land an den Erträgen partizipieren zu lassen, sind zu verdanken, dass am 15. Dezember 1948 in der ersten deutschen staatlich konzessionierten Nachkriegs-Spielbank eine goldene Elfenbeinkugel im Roulettekessel auf die 10 fällt – seitdem Glückszahl des Casinos und heute noch ausgestellt im Foyer. Ein Glücksfall für die öffentliche Hand: Bis heute flossen von der Spielbankabgabe rund 830 Millionen Euro.

Für die Bundespressebälle werden Spieltische beiseite geräumt

Die Zweifler haben sich getäuscht, denn es braucht nur neun Monate, um den 100 000. Besucher begrüßen und eine Dependance in Bad Dürkheim eröffnen zu können. Mit Bonn als Bundeshauptstadt zieht auch an der Ahr der gesellschaftliche Glanz ein. Für die Bundespressebälle, bei denen sich alles von Rang und Namen aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kunst versammelt, werden die Spieltische beiseite geräumt, wird das Casino zum Ballsaal. Ob Lilian Harvey, Schauspielerin Hildegard Knef oder Josephine Baker – sie alle genießen das besondere Flair in dem Jugendstilgebäude. Bis 1959, dann baut Bonn die Beethovenhalle und die Ära der Bundespressebälle an der Ahr endet.

Die „Madame-Herbstbälle“ lösen das Profil ab, die Prominenten wie Operndiva Anna Moffo oder die Kessler-Zwillinge bleiben der Kurstadt treu. Mit Neid schauen in den 1970er Jahren viele Städte auf die Orte mit florierenden Spielbanken, so dass zu den zwölf Standorten allein 1979 13 neue hinzukommen. Ein Meilenstein für den Bad Neuenahrer Glückstempel folgt 1977 mit der Eröffnung des Automatenspiels. Zwischen 1978 und 1986 werden rund acht Millionen Mark in Umbau und Neugestaltung gesteckt. Und: 1985 wird die sogenannte Bannmeile aufgehoben. Jetzt dürfen auch Bürger der Stadt dort spielen und müssen zwischen Chance und Risiko abwägen.

Spieltisch in der Therme

Der zehnmillionste Besucher wird ein Jahr später begrüßt. Das Casino geht baden: Zur Eröffnung der gegenüberliegenden Ahr-Thermen 1993 wird im Becken ein schwimmender Roulettetisch aufgebaut. Noch im selben Jahr weicht mit der Einstellung des ersten weiblichen Croupiers beim Black Jack eine Männerdomäne auf. Der Attraktivitätssteigerung durch eine ständige Erweiterung des Spielangebotes tragen Besucherzahlen – 16 Millionen in 70 Jahren – und das höchste Bruttospielergebnis in der Unternehmensgeschichte im Jahr 1999 Rechnung.

Mit dem Millennium folgt die Umstellung auf den Euro und der Wind für Michael Seegert, der 2003 das Ruder von Bert Hanken bis heute übernimmt,wird rauer. Finanzkrise, Nichtraucherschutz und Glücksspiel-Staatsvertrag mit Knebeln wie strengeren Zugangskontrollen, Suchtprävention und Kriminalitätsabwehr sorgen dafür, dass Gäste abwandern: zu den Anbietern von Online-Spielen im Internet.

Den höchsten Einzelgewinn von einer Million Euro räumt übrigens 2008 ein Gast aus dem Rheinland ab. Neben Bad Dürkheim setzt Seegert auf ein weiteres Standbein und eröffnet 2009 das Casino am Nürburgring. Anlässlich des 70. Geburtstages am Wochenende ist das Team trotz aller Herausforderungen in Feierlaune. Denn alle, die von „Glücksrittern“ profitieren, hoffen, dass es noch lange heißt: „Bitte das Spiel zu machen.“

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