Flüchtlinge in Rheinbach Stefan Raetz: Unsere Aufnahmekapazitäten sind erschöpft

RHEINBACH · Den Anträgen kleinerer Parteien im Rheinbacher Rat - gleich jedweder Farbschattierung - ist nicht selten das gleiche Schicksal beschieden: Wenn in Ausschüssen oder im Rat die Frage nach dem Sein oder Nichtsein dieser beantragten Idee gestellt wird, gehen zumeist zu wenig Arme in die Luft, um dem Vorschlag über die Hürde der Zustimmung zu helfen.

 150 Menschen kamen zur Besichtigung der Flüchtlingsunterkunft in Wormersdorf. Am 12. November ist die nächste Bürgerinfo.

150 Menschen kamen zur Besichtigung der Flüchtlingsunterkunft in Wormersdorf. Am 12. November ist die nächste Bürgerinfo.

Foto: Axel Vogel

Ganz anders sah es jetzt mit einem Vorstoß der Grünen-Fraktion aus: Einstimmig billigte der Haupt- und Finanzausschuss die Anregung der Fraktion mit der Sonnenblume im Logo, im Rathaus die Stelle eines Flüchtlingskoordinators zu schaffen.

Zuvor schilderte Bürgermeister Stefan Raetz (CDU) die Dramatik der aktuellen Lage: Die Aufnahmekapazität der Kommune sieht der Verwaltungschef vollends erschöpft. "Und wenn die Zuwanderungszahlen so bleiben, wird die Halle in Ramershoven nicht ausreichen, dann wird es gegen Ende des Jahres keine Mehrzweckhalle in Rheinbach mehr geben, die nicht in der Nutzung ist", mahnt er.

Was das für Folgen für die Vereine und das Brauchtum wie den Karneval habe, dies mochte er "sich gar nicht vorstellen", bekundete Raetz vielsagend.

347 Asylsuchende sind aktuell in fünf städtischen und neun angemieteten Objekten in der Glasstadt untergebracht, berichtete der Christdemokrat. Insgesamt 70 Objekte habe seine Verwaltung allein in jüngster Zeit geprüft. "Was da zum Teil angeboten wird, ist eine Frechheit", sagte Raetz empört. Gewisse finanzielle Grenzen wolle die Stadt - trotz der Notlage - nicht überschreiten.

Und: Wenn der Verwaltung eine Abrissverfügung in die Hände falle, werde sogar geprüft, ob das Gebäude nicht später dem Erdboden gleich gemacht werden kann, um es für provisorischen Wohnraum zu nutzen.

"Das macht mir als Bürgermeister große, große Sorge"

"Wir sind im ersten Jahr einer neuen Völkerwanderung", schilderte er. Schleuser witterten ein Riesengeschäft: Insgesamt 5000 Dollar bezahlten Flüchtlinge an die kriminelle Dienstleister "für den Weg hierher", so Raetz.

"Das macht mir als Bürgermeister große, große Sorge." Um über den aktuellsten Stand der Situation in Rheinbach zu informieren, lädt die Verwaltung für Donnerstag, 12. November, 19.30 Uhr, zur Bürgerinformation in die Stadthalle ein.

Einstimmig beschloss der Ausschuss außerdem, auf Antrag von CDU und FDP, eine umfassende Unterbringungsplanung für die Flüchtlinge zu erstellen. Alle perspektivischen Möglichkeiten der Aufnahme und die damit einhergehenden Folgen sollen in diese Planung einfließen.

Um der "Mammutaufgabe", so Beigeordneter Raffael Knauber, Herr zu werden, soll eine Stabsstelle in der Stadtverwaltung eingerichtet werden. Zur Koordinierung der unterschiedlichen Fachbereiche im Rathaus sowie der mannigfaltigen ehrenamtlichen Organisationen laufen beim "Koordinator für die Flüchtlingsarbeit" alle Fäden zusammen.

Vor einem grundsätzlichem Dilemma sieht Bernd Beißel (CDU) die lokale Politik: Vieles, was die Situation vor Ort entzerren würde, könne nicht vor Ort entschieden werden - etwa die nötige schnelle Abschiebung abgelehnter Antragsteller. Alles andere als optimal sei zudem, dass Abschiebungen mit juristischen Möglichkeiten um bis zu zwei Jahre verzögert werden können.

Dass es "kein klares Konzept auf EU- und Bundesebene" gibt, kritisierte auch Karsten Logemann (FDP). Die Auswirkung dieser Konzeptlosigkeit treffe die Kommunen: "Wir werden die Kosten umlegen müssen, wenn wir keine Kompensation haben", sagte der Liberale.

Eigene Bürger nicht aus den Augen verlieren

"Die Situation ist dramatisch, und sie wird dauerhaft bleiben", erklärte Folke große Deters (SPD). Die Hoffnung, die Völkerwanderung eindämmen zu können, habe er aber, wenn Asylanträge wesentlich schneller bearbeitet würden und abgelehnte Antragsteller rasch in ihre Herkunftsländer zurückkehrten.

Und: "Es muss mehr Mittel von der Bundesebene geben", forderte der Sozialdemokrat. "Es kann nicht sein, dass auf der einen Ebene eine 'schwarze Null' erzielt wird und die andere Ebene in Schulden versinkt."

Mahnende Worte fand auch Claus Wehage (CDU). Bei aller Dramatik der Lage dürften Politik und Verwaltung auch die eigenen Bürger nicht aus den Augen verlieren. "Es darf nicht sein, dass es heißt: Das Geld für die Flüchtlinge habt ihr, aber für meinen Bürgersteig ist kein Geld da", sagte der Christdemokrat. Darum sei es wichtig, die Bürger mit ihren Sorgen nicht allein zu lassen. "Wir müssen das eine tun, dürfen aber das andere nicht lassen."

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