"Unter Mitarbeitern herrscht Betroffenheit"

Siegburger Gefängnis positioniert sich nach angekündigter Schließung der Jugendstrafabteilung neu - Nachricht kam über die Medien

"Unter Mitarbeitern herrscht Betroffenheit"
Foto: Manhold

Siegburg. Dass die Jugendabteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg in absehbarer Zeit geschlossen wird, erfuhren die Mitarbeiter und Gefangenen aus den Medien. Das war vergangene Woche. Für die meisten war die Nachricht eine faustdicke Überraschung, denn bisher war dieses Szenario nicht im Kalkül.

Bekanntlich hat NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter Konsequenzen aus dem Mord an einem 20-jährigen Jugendstrafgefangenen in Siegburg gezogen. Wichtiges Ziel: Jugendstrafgefangene und Erwachsene sollen getrennt werden. Deshalb wird in Wuppertal ein neues Jugendgefängnis gebaut, das voraussichtlich 2009 bezugsfertig ist.

Dann sollen auch die jungen Gefangenen aus Siegburg dorthin verlegt werden. "Unter den Mitarbeitern herrscht Betroffenheit, manche sind traurig", sagte am Montag JVA-Leiter Wolfgang Klein. Das sei nachvollziehbar, weil viele Mitarbeiter mit viel Herzblut an der Resozialisierung der Jugendgefangenen mitwirkten. Auch der Vorsitzende des Gefängsnisbeirats, Albert Thüssing, ist nicht zufrieden mit der Entscheidung. "Hier gehen 50 Jahre Erfahrung mit Jugendstrafgefangenen den Bach runter."

Anstaltsleiter Klein ergänzt: "Mich selbst trifft es auch, denn ich bin hier angetreten, um den Jugendstrafvollzug voranzubringen." Deshalb möchte er jetzt in die Offensive gehen, um eine gute Visitenkarte für die Anstalt abzugeben.

Gerade nach dem Gewaltverbrechen vom November sei ein Schwerpunkt auf "gewaltvorbeugende Maßnahmen" gelegt worden. "Die Gefangenen müssen wissen: Gewalt wird nicht toleriert. Das ist kein Kavaliersdelikt", erläutert Klein. Das sei bei den Gefangenen auch angekommen. Denn die Personaldecke ist aufgestockt worden, und Vollzugsbeamten kontrollieren häufiger - auch nachts. Auf der anderen Seiten werde mehr Sport angeboten und Freizeitbeschäftigung.

Ein großes Manko sei die Arbeitssituation. Während die JVA früher einfachere Arbeiten für externe Firmen ausführen konnte, würden die nun vorwiegend in osteuropäischen Ländern erledigt. Die JVA erhält nur noch wenige Aufträge. Mit einer Broschüre unter dem Leitwort "Wir können mehr als Tüten kleben" will die Anstalt nun verstärkt Werbung für sich und ihr Dienstleistungsspektrum machen.

Ebenfalls ein Dauerthema ist die Überbelegung. Insgesamt sitzen auf dem Brückberg 730 Gefangene ein, 333 davon sind Jugendstraftäter. Die Überbelegungsquote liegt bei 15 Prozent. "Das drückt uns, denn unter diesen Umständen sei es schwieriger, einen Behandlungsvollzug zu realisieren", so Klein.

Er und sein neues Leitungsteam arbeiten zudem gerade daran, die Belegung der Hafthäuser neu zu strukturieren. So ist der Neubau (Haus II) komplett für die Jugendlichen reserviert. In Haus I befinden sich noch zwei Jugendabteilungen, allerdings auf zwei Flügel verteilt, in denen auch Erwachsene untergebracht sind. Das soll nun anders werden. "Wir sind uns vergangene Woche mit dem Justizvollzugsamt Wuppertal einig geworden, den gesamten Flügel B von Haus I für Jugendliche zu nutzen", erläutert Klein.

Als einen Gewinn stuft die Anstaltsleitung die Verbesserung der Personaldecke dank der Stellenoffensive des Justizministeriums ein. Voraussichtlich erhält Siegburg 30 zusätzliche Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst und weitere sieben bis zehn Fachdienstmitarbeiter. Letztere können Sozialpädagogen und Psychologen sein. Insgesamt hat die JVA zurzeit 280 Beschäftigte.

Insbesondere die Resozialisierung von schwierigen Jugendlichen bedarf erhöhter Aufmerksamkeit, verbunden mit einem hohen Personalschlüssel. So arbeiten in den beiden sozialtherapeutischen Abteilungen mit insgesamt 30 Gefangenen zwei Sozialpädagogen, zwei Psychologen und neun Vollzugsbeamte. In den anderen Abteilungen kommt ein Abteilungsbeamter auf 40 Gefangene und ein Sozialpädagoge auf bis zu 80 Gefangene. Dafür genießen die beiden Stationen Pilotcharakter für ganz Nordrhein-Westfalen.

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