Interview mit Schuldnerberaterin Sonja Jarosch "Viele öffnen keine Briefe mehr"

Eine Bürgschaft, Arbeitslosigkeit, Scheidung: Aus unterschiedlichen Gründen wachsen immer mehr Menschen die Schulden über den Kopf. Sonja Jarosch weiß, was in solchen Fällen zu tun ist: Sie ist Schuldner- und Insolvenzberaterin beim Katholischen Verein für soziale Dienste (SKM).

 Sonja Jarosch ist seit vier Jahren Schuldner- und Insolvenzberaterin beim Katholischen Verein für soziale Dienste (SKM). Die 33-Jährige ist unverheiratet. Sie hat in Münster Jura studiert und dort auch ihr Rechtsreferendariat absolviert.

Sonja Jarosch ist seit vier Jahren Schuldner- und Insolvenzberaterin beim Katholischen Verein für soziale Dienste (SKM). Die 33-Jährige ist unverheiratet. Sie hat in Münster Jura studiert und dort auch ihr Rechtsreferendariat absolviert.

Foto: Henry

Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen?
Sonja Jarosch: Das ist je nach Altersgruppe unterschiedlich. Junge Leute haben häufig Probleme bei der ersten Wohnung oder bei der Familiengründung. Menschen mittleren Alters geraten etwa durch eine Trennung, Arbeitslosigkeit oder eine Hausfinanzierung in eine Schuldensituation, die sie nicht mehr von selbst bewältigen können. Häufig führen auch der Verlust des Arbeitsplatzes oder befristete Zeitarbeitsverhältnisse in die Schuldenfalle. Diese Fälle nehmen stark zu. Ältere trifft es, wenn die Rente wesentlich niedriger ausfällt als das Einkommen.

Wann wenden sich die Leute an Sie?
Jarosch: In vielen Fällen erst, wenn sich schon der Gerichtsvollzieher ankündigt oder eine Kontopfändung droht. Viele Schuldner öffnen die Briefe gar nicht mehr. Oft fragen auch Klienten bei uns an, wenn sie zu einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert werden. Diese muss abgegeben werden, um dem Gläubiger einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu verschaffen.

Wie können Sie helfen?
Jarosch: Man muss sich erst einmal einen Überblick über die finanzielle und soziale Situation des Klienten verschaffen. Zinsen, Mahngebühren und verjährte Forderungen können den aktuellen Schuldenstand verändern. Wir schreiben die Gläubiger an, um den aktuellen Schuldenstand zu erfahren - was nicht immer einfach ist, da heute auch viel an Inkassounternehmen weitergegeben wird. Häufig belasten den Klienten soziale Probleme, zum Beispiel familiärer oder psychischer Art, oftmals durch die Schuldensituation verursacht. Hier arbeiten wir mit weiteren sozialen Diensten zusammen, unsere Arbeit greift dann ineinander. Der Klient entscheidet dann mit unserer Hilfe, welcher Lösungsweg für ihn der beste ist.

Welche Lösungsmöglichkeiten schlagen Sie konkret vor?
Jarosch: Das ist natürlich immer unterschiedlich. Sehr oft ist erst mal eine Existenzsicherung notwendig, Miete und Strom sind nicht bezahlt worden. Dann muss man zunächst schauen, wie die täglichen Kosten bestritten werden können. Jungen Leuten kann man zum Beispiel helfen, indem ein Haushaltsbuch geführt wird. Je nach Fall lassen sich Ratenzahlungen vereinbaren, manchmal ist auch das Insolvenzverfahren eine realistische Möglichkeit zur Schuldenregulierung.

Wie läuft eine Insolvenz ab?
Jarosch: Zunächst einmal muss man zwischen einer Verbraucherinsolvenz von Privatleuten und einer Regelinsolvenz, die Selbstständige betreffen kann, unterscheiden. Bei unseren Klienten handelt es sich im Extremfall um eine Verbraucherinsolvenz. Mit unserer Hilfe kann ein außergerichtlicher Einigungsversuch erstellt werden. Scheitert dieser, hat der Klient die Möglichkeit, einen Antrag auf Verbraucherinsolvenz beim Insolvenzgericht zu stellen. Sämtliche Vermögenswerte fließen dann mit ein. Wer sechs Jahre lang die Auflagen befolgt und nur mit dem Pfändungsfreibetrag auskommt, erhält danach die Restschuldbefreiung.

Was raten Sie Leuten, denen eine Kontopfändung droht?
Jarosch: Sie sollten zunächst ein Pfändungsschutzkonto einrichten. So kann zum Beispiel eine Einzelperson ohne Unterhaltsverpflichtungen 1028,89 Euro im Monat vor Pfändung schützen. Bei Unterhaltsverpflichtungen wird der Sockelbetrag erhöht. Die einzelnen Beträge ergeben sich aus der Pfändungstabelle.

Wie kann man sich am besten vor Schuldenfallen schützen?
Jarosch: Man kann Jugendlichen Fallen aufzeigen, wie etwa teure Handyverträge, und ihnen bewusst machen, was für Lebenshaltungskosten anfallen. Zu den klassischen Fallen gehören Bürgschaften, auf die man sich im Vertrauen, dass alles gut geht, einlässt, und aus denen man dann nicht mehr rauskommt. Bei der Aufnahme von Krediten muss man die anfallenden Zinsen berücksichtigen und vorher durchrechnen, ob man sie abbezahlen kann. Hier werden Kosten, wie etwa, wenn die Waschmaschine kaputt geht, oft nicht bedacht.

Die Nebenstelle Bornheim der SKM-Schuldnerberatung, Königstraße 130, vergibt für jeden Mittwoch (8 bis 11 Uhr) Termine unter der Telefonnummer 02225/7084790. Die Beratung ist kostenfrei.

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