Braunkohleabbau in NRW "Viele RWE-Mitarbeiter fühlen sich bedroht"

Essen · Im Interview spricht RWE-Chef Rolf Martin Schmitz über die Zukunft des Hambacher Waldes, den Nazis-Vergleich der Grünen und den drohenden Jobabbau in seinem Konzern.

Über die RWE und den Hambacher Wald sprach RWE-Chef Rolf Martin Schmitz mit Michael Bröcker und Antje Höning.

Herr Schmitz, gehen Sie gerne in den Wald?

Schmitz: Ich gehe gerne im Wald spazieren, ich liebe die Natur. Doch in einer Industriegesellschaft gibt es Grenzen. Und der Hambacher Forst wäre auch dann nicht mehr zu retten, wenn wir die Bagger stoppen.

Schmitz: Von den einst 4100 Hektar ist der wesentliche Teil bereits gerodet. Nun geht es noch um 200 Hektar. Wir brauchen die Erdmassen unter dem Wald, um die steile Abbruchkante am Tagebau aufzufüllen und die Rekultivierung zu machen. Ich zweifele, ob es überhaupt noch Fledermäuse in dem Wald gibt, nachdem so viele Menschen da durchgelaufen sind.

Schmitz: Ja, das hat uns sehr überrascht. Die rot-grüne Landesregierung hatte mit der Leitentscheidung erst 2016 sorgsam begründet, dass der Braunkohle-Abbau in Hambach energiewirtschaftlich notwendig ist. Jetzt haben die Richter verfügt, dass der Sofortvollzug, also die Rodungen, bis zum kompletten Ende des Verfahrens ausgesetzt werden muss. Das heißt: Selbst wenn wir am Ende vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen, gibt es erhebliche Verzögerungen.

Schmitz: Für das rheinische Revier ist das ein Schlag. Nun müssen wir sehen, wie wir den Betrieb so anpassen, dass wir die Auswirkungen auf das Unternehmen und die Beschäftigten so weit wie möglich mindern. Das heißt, wir strecken den Betrieb. Wir senken die Förderung um 10 bis 15 Millionen Tonnen im Jahr und müssen die Auslastung der Kraftwerke und Veredlung zurückfahren.

Schmitz: Der Rückgang der Braunkohle-Förderung wird nicht ohne Auswirkung auf die Beschäftigung bleiben. Bedenken Sie: Am Tagebau Hambach hängen 4600 Arbeitsplätze, davon 1300 allein im Tagebau und 1500 in der Veredlung der Braunkohle. Wie viele Arbeitsplätze wir am Ende tatsächlich streichen müssen, ist noch offen.

Schmitz: Man kann ein Kraftwerk nicht in Kurzarbeit betreiben. Das muss, wenn es am Netz ist, immer in Betrieb sein und im Schichtdienst gefahren werden.

Schmitz: Das hatten wir nicht gesagt. Unser Argument ist: 15 Prozent der Stromversorgung von NRW kommen aus der Hambach-Braunkohle. Wenn dieser Strom wegfällt, steigen die Strompreise. Dabei ist die energieintensive Industrie in NRW, an der über 250 000 Arbeitsplätze hängen, auf günstigen Strom zwingend angewiesen.

Schmitz: Ich fände es erschreckend, wenn in Deutschland Gerichte durch solche Dinge beeinflusst würden.

Schmitz: Wer Nazis und die Mitarbeiter der Braunkohle in einen Topf wirft, der hat jedes Maß verloren. Inzwischen hat sich Frau Düker entschuldigt. Vielleicht sollte man vor dem Twittern mehr nachdenken. Unsere Mitarbeiter sind zutiefst getroffen. Die Unsicherheit ist extrem hoch. Sogar unsere Azubis werden in sozialen Netzwerken angegangen: Wie kann man da nur bei RWE arbeiten? Viele Mitarbeiter fühlen sich bedroht.

Schmitz: Lange war Hambach nur ein lokales Thema, doch wurde in Berlin ein Zusammenhang zur Kohlekommission hergestellt. Dabei hat das eine (kurzfristige Rodung jetzt) mit dem anderen (langfristiger Ausstieg) nichts zu tun. Seither aber ist Hambach ein Symbol für den Kampf gegen die Kohle geworden.

Schmitz: Nein, der Vergleich passt nicht. Damals ging es um das Ob eines Ausstiegs, das ist bei der Kohle längst entschieden und eingeleitet. Alleine wir mindern unseren CO2-Ausstoß bis 2030 um bis zu 50Prozent. Aber wir müssen Eskalationen verhindern.

Schmitz: Nichts ist vorbei, der Kampf um Hambach geht weiter. Die Aktivisten haben angekündigt, dass sie wieder Baumhäuser besetzen und Barrikaden errichten wollen. Das ist schon in vollem Gange. Und NRW-Innenminister Reul hat klar erklärt, dass er keine rechtsfreien Räume im Hambacher Forst mehr zulassen wird.

Schmitz: Ja, natürlich. Durch das Urteil ist der Wald weiter kein Betriebsgelände, daher wäre es unzulässig, ihn zu sperren. Zugleich haben wir als Eigentümer eine Verkehrssicherungspflicht. RWE wird daher weiter die Rettungswege in den Wald freihalten.

Schmitz: Ja. Sechs Jahre lang hat die alte Landesregierung rechtsfreie Räume im Hambacher Forst zugelassen. Diesen Zustand hat die Regierung Laschet beendet. Und sie hat wie die SPD bekräftigt, dass sie an der Leitentscheidung festhält. Was nach der Kommission kommt, das werden wir sehen.

Schmitz: Deren Verhalten kann ich nicht verstehen. Man kann nicht in der Regierung Entscheidung fällen, um dann zwei Jahre später in der Opposition nicht mehr zu ihnen stehen. So kann man in einem Industrieland keine Politik machen.

Schmitz: Lange hat die Bundespolitik Leitlinien und ein Zielbild für die Energiewirtschaft vorgegeben. Davon ist im Moment nichts zu sehen. Es ist auch nicht hilfreich, wenn es keinen Energie- Staatssekretär gibt.

Schmitz: Ich kann mir vorstellen, dass wir bis dahin 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien haben und es darüber hinaus Kraftwerkskapazitäten gibt, die die Versorgung sichern. Aber wir brauchen dafür ein klares Konzept und klare Vereinbarungen.

Schmitz: Die Grundlogik des Gesamtvorschlages halte ich für überzeugend. Wir definieren ein Ziel für 2030 und überprüfen in 2027, ob die Rahmenbedingen noch zutreffend sind. Das Enddatum für den Ausstieg sollten wir aber jetzt noch nicht festlegen. Das hängt vomAusbau der Erneuerbaren Energien und der Netze ab. Daher sollten wir in 2033 erst mal schauen, wie weit wir gekommen sind und dann das finale Ausstiegsdatum festlegen. Vielleicht geht es danach schneller als gedacht.

Schmitz: Unsere Genehmigungen gelten bis etwa 2045. Wenn sich daran aus etwas ändern soll, weil die Gesellschaft dies verlangt, dann sollte man sich mit uns zusammensetzen. Dann können wir gemeinsam schauen, wie man diesen Weg ebnen kann und was das kostet. Das Primat bei der Energiepolitik liegt bei der Politik.

Schmitz: Wir müssen die Tagebaue und Kraftwerke geordnet zu Ende führen. Das sind wir den Mitarbeitern, aber auch der Region schuldig. Und wir müssen, falls wir früher als geplant aussteigen, entsprechend entschädigt werden. Das sind wir unseren Aktionären schuldig.

Schmitz: Das haben wir nicht. Wir warten jetzt mal ab, zu welchen Empfehlungen die Kommission kommt.

Schmitz: Die kommunalen Aktionäre stehen zu uns. Doch unsere anderen Investoren, vor allem aus Frankreich und den angelsächsischen Ländern, sind beunruhigt. Unser Finanzvorstand ist seit Tagen in Gesprächen. Es gibt keine Vorwürfe der Investoren gegenüber RWE. Doch das Vertrauen in Politik und Rechtsstaat schwindet. Bei Investoren macht sich ein grundsätzlicher Vertrauensverlust in den Standort Deutschland breit. Das ist eine gefährliche Entwicklung.

Schmitz: Es bleibt dabei: Für 2018 soll es eine Dividende von 70 Cent je Aktie geben.

Schmitz: Ich wundere mich sehr, dass er sich mit den gewalttätigen Aktivisten solidarisieren will. Auch die VW-Werke sind auf günstigen Strom angewiesen. Ich habe Herrn Diess zu uns in den Tagebau eingeladen, um ihm die Zusammenhänge zu erläutern.

Schmitz: Ich erwarte, dass die Kommission sich offen über die Zusammenhänge informiert. Und ich rechne damit, dass dort einige Tausend Beschäftigte die Kommission empfangen.

Schmitz: RWE muss nun die einschneidenden Folgen des Urteils bewältigen. Zugleich fordere ich die NGOs wie Greenpeace und den BUND auf, mit RWE zusammen eine Kampagne gegen Rechtsbruch zu starten. Wir halten uns an das Urteil, es wäre schön, wenn auch andere Parteien sich an die Rechtslage halten und keine neuen Baumhäuser bauen.

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