Vier Schüsse, die alles verändert haben

Vor einem Jahr stirbt Kommissar Gerd Höllige im Dienst - Gedenkstein am Godesberger Stadtpark errichtet

  Eine Stätte der Erinnerung:  Udo Schott, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, zündet am Gedenkstein zu Ehren von Gerd Höllige eine Kerze an.

Eine Stätte der Erinnerung: Udo Schott, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, zündet am Gedenkstein zu Ehren von Gerd Höllige eine Kerze an.

Foto: Volker Lannert

Bad Godesberg. Vergessen? Nein, niemals! Wenn Thomas Möller sonntags zum Spätdienst fährt und seine Frau ihn mit den Worten "Pass auf Dich auf" verabschiedet, holt ihn die Vergangenheit jedes Mal wieder ein.

Es war der 28. Juli 2002. Ein Sonntag, an dem der Polizeikommissar um 14 Uhr seinen Spätdienst auf der Wache Bad Godesberg beginnt. Es ist Möllers erster Tag nach dem Urlaub und seiner erster Diensttag mit dem Kollegen Gerd Höllige. Der 40-Jährige war erst vor ein paar Wochen zur Wache Zeppelinstraße versetzt worden. Höllige, Möller und zwei weitere Kollegen richten sich an diesem sonnigen Sonntag auf eine ruhige Schicht ein. Der Fernseher läuft: Formel-1-Rennen auf dem Hockenheimring, letzte Etappe der Tour de France nach Paris. Doch lange können Höllige und sein Kollege Wolfgang Kraus Autos und Räder nicht verfolgen.

Um 14.45 Uhr werden die Beiden zu einem Einsatz in die Koblenzer Straße gerufen. Es heißt, ein Mann sitze vor Haus Nummer 81 auf der Kellertreppe; er habe eine Scheibe eingeschlagen. Ein alltäglicher Einsatz, der in einer Katastrophe endet. Bei seiner Festnahme reißt Giorgio N. Kraus die Dienstwaffe aus dem Holster und feuert. Drei Kugeln treffen Höllige. Er verblutet vor den Augen des selbst durch einen Bauchschuss lebensgefährlich verletzten Kraus. Der Kommissar schafft es, über Handy seine Frau anzurufen, dann bricht er zusammen. Das Gespräch ist beendet. Die Ehefrau informiert Möller auf der Wache: "Es ist etwas Schreckliches passiert."

Die Lebensgefährtin Hölliges hört im Radio, dass bei einer Schießerei in Bad Godesberg ein Polizeibeamter getötet wurde. Sie ahnt Schlimmes, versucht, ihren Freund über Handy zu erreichen. Doch der kann sich nicht mehr melden. Höllige ist tot. Ermordet, wie sich später herausstellt von einem psychisch kranken Menschen. Giorgio N. hat die Polizisten für Killer der Mafia gehalten. Kommissar Andreas Schmidt, ein Freund Hölliges, der Dienst im Präsidium hat, sagt: "Die Lebensgefährtin hat geahnt, dass es ihren Freund getroffen hatte." Es ist Schmidt, der die Todesnachricht überbringt. "Es war alles so realitätsfern, wir konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen", sagt Schmidt ein Jahr danach.

Gestern hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Kurpark einen Gedenkstein aufgestellt. "Gerd Höllige - am 28. Juli 2002 im Dienst ermordet", ist dort in goldfarbenen Buchstaben eingraviert. "Vier Schüsse haben alles verändert. Gerd Höllige starb in einem Lebensabschnitt, in dem er sein persönliches Glück gefunden hatte", sagt Polizeipräsident Wolfgang Albers. Er denkt auch an Wolfgang Kraus, der wohl nie wieder in den Polizeidienst zurückkehren wird: "Die Wunden an seinem Körper sind vernarbt, die Wunden in seiner Seele verheilen nie."

Für den GdP-Vorsitzenden Udo Schott ist der Gedenkstein eine Stätte der Erinnerung und Mahnung. Polizeiseelsorger Peter-Paul Nöbel spricht von Ohnmacht - die Tat sei nicht zu verhindern gewesen. "Tot ist nur, wer vergessen wird. Der Stein ist das ewig Bleibende." Das Bläserquartett der Schützenkapelle Bornheim spielt getragene Musik. Schott zündet eine Kerze an. Viele Polizisten haben sich versammelt. Ihre Gedanken sind in diesem Moment wieder bei jenem verhängnisvollen Sonntag. Vergessen werden sie nicht.

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