Botschafter für Bad Neuenahr Villen aus der Zeit des Historismus

BAD NEUENAHR · In unregelmäßigen Abständen führte die Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ Interessierte durch die Kreisstadt und nimmt vor allem alte Bauwerke unter die Lupe. Die Initiative war jetzt auf dem Johannisberg unterwegs.

 50 Interessierte war der Einladung gefolgt.

50 Interessierte war der Einladung gefolgt.

Foto: Gausmann

Die Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Sensibilisierung für die Baukultur des Bades Neuenahr und der übrigen Stadtteile der Kreisstadt zu erreichen. Unter anderem führen die Mitglieder unter dem Oberbegriff „Sehschule“ kritische Stadtrundgänge durch. Fünf mehr oder weniger große Villen auf dem Johannisberg standen jetzt im Fokus.

Rund 50 interessierte Bürger folgten dem Rundgang. Entstanden ist das kleine Villenviertel mit dem herrlichen Ausblick über die Kreisstadt bis hoch auf die Grafschaft überwiegend zu Zeiten des „Historismus“, eines im 19. Jahrhundert verbreiteten und teilweise noch ins 20. Jahrhundert nachwirkenden Stils, bei dem man auf ältere Stilrichtungen zurückgriff und diese teilweise kombinierte.

In dieser Zeit, um das Jahr 1860, entstand die Schweizer Villa, auch Schweizer Haus genannt. Diese Doppelvilla aus Backstein und Bruchstein wurde betont rustikal im „Schweizer Stil“ gebaut. Schon zu den Bauzeiten zog es gut betuchte Menschen zum Urlaub in die Schweiz, Baustile wurden kopiert. Hausinhaber Fritz Schonlau konnte beinahe lückenlos über die Geschichte des Hauses erzählen. Hier war einst für kurze Zeit ein Café, aber auch ein Mädchenpensionat untergebracht. Es wurde zu einer Sommerresidenz und einem Schutzort im zweiten Weltkrieg, als Bad Neuenahr „Sanitätsstadt“ war.

Dennoch schlugen in unmittelbarer Nachbarschaft Bomben ein und richteten Schäden an. Hier wohnten aber auch nacheinander ein hoher Nationalsozialist, dann ein Offizier der US-Armee und schließlich eine polnische Flüchtlingsfamilie. Dr. Martin Bredenbeck, der Geschäftsführer des Rheinischen Vereins für Denkmalschutz und Landschaftspflege, begleitete die Sehschule und erklärte, auf welche Baustile die Bauherren und Architekten im Historismus beim Bau der Villen zurückgriffen. So sei die Schweizer Villa dem Klassizismus angelehnt.

Gleich gegenüber steht die um 1907 erbaute Villa Agnes, in der die Tochter eines brasilianischen Diplomatenehepaares ihr komplettes Leben verbrachte. „Isabell Gonzales schimpfte nach einer geplatzten Hochzeit tagein, tagaus vom Balkon auf die Männerwelt“, berichtete der heutige Besitzer Dominik Ketz.

Weil sie aber kein Einkommen hatte und das Erbe irgendwann aufgebraucht war, musste sie Teile vermieten, unter anderen an das Bad Neuenahrer Kurorchester. Jedes der Häuser in dieser Villenkolonie könnte eine wirklich spannende Geschichte erzählen.

Entstanden sind sie zumeist mit dem Boom, den das damals entstehende Heilbad auslöste. So gibt es von der Villa Erika, die Oliver Wilke aufwendig im alten Stil sanierte, eine Postkarte, mit der Zimmer in der „schönsten, gesundesten und ruhigsten Lage von Neuenahr“ angeboten wurden.

Und auch das Gut Johannisberg mit einer Villa im Baustil der Neu-Renaissance und dazugehörigem Wirtschaftsgebäude blickt auf eine bewegte Vergangenheit. Wesentlich kleiner dimensioniert sind das Haus Anna der Familie Klein und dessen neuere Zwilling, der baugleich direkt nebenan steht.

Was alle Villen auszeichnet: Sie wurden von ihren Besitzern in oftmals jahrelanger Arbeit restauriert und saniert, wobei der ursprüngliche Baustil zumeist beibehalten wurde. Für die Bürgerinitiative sind es vorbildliche Beispiele geschichtsbewusster Stadtgestaltung.

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