Vinxel: Wo der Minister das Melken lernte

Auf dem Versuchsgut Frankenforst der Universität Bonn steht Europas modernster Forschungsstall für Milchkühe

Vinxel: Wo der Minister das Melken lernte
Foto: Frank Homann

Königswinter-Vinxel. Wenn ein Minister von seiner Ausbildungszeit zwischen Schweinestall und Misthaufen ins Schwärmen gerät, dann ist ihm die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer gewiss.

Dem nordrhein-westfälischen Umwelt- und Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg ging das jetzt so, als er auf Gut Frankenforst Europas modernsten Forschungsstall für Milchkühe einweihte. Genau hier hatte Uhlenberg vor 43 Jahren seine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert - und ist auch heute noch überzeugt: "Auf Frankenforst kann man gut melken".

Das Melken wird auf dem Versuchsgut der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn weiterhin eine zentrale, wenngleich längst nicht die einzige Rolle spielen. Dies würde einerseits kaum den Rahmen der Eröffnungsfeier rechtfertigen; andererseits ließe die Investitionssumme von 1,7 Millionen Euro für einen Kuhstall, bereitgestellt von der Universität Bonn und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, zurecht aufmerken.

Nein, es geht in Vinxel um mehr als um Viehhaltung. Ziel ist die Erforschung der Milchentstehung "von der Zelle bis zur Milchtüte", wie es ein Redner ausdrückte. Dazu fließen auf Gut Frankenforst die Fähigkeiten verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen zusammen, von Agrar- über Ernährungswissenschaftl zu Ökonomie, Veterinärmedizin und Mathematik.

Diesem akademischen Reigen entsprechend, hat es der neue Stall im wahrsten Sinne "in sich": Die Technik verfügt über Messsysteme für die Erfassung der Aktivität einzelner Milchkühe, ihrer Futteraufnahme, ihres Melkverhaltens und weiterer physiologischer Parameter wie Milchfluss, Herzfrequenz oder Milchinhaltsstoffe.

Mit der Software "KuhDaM" erfassen die Forscher die Daten jedes Tieres und können diese im Detail auswerten. Dabei greifen sie sogar auf die Möglichkeiten des Global Positioning Systems (GPS) zurück, von dem sie sich neue Methoden zur Erfassung der individuellen Tieraktivität erhoffen.

Anders gesagt: Die "Laufwege" der Rinder werden nachvollziehbar. Es könne, so ein Dozent gestern beim Rundgang, durchaus aufschlussreich sein, wie oft und wie lange sich eine Kuh auf der Weide oder am Trog befindet. Auch über das Wohlbefinden der Tiere gäben derlei Erkenntnisse Aufschluss. Eine vergleichbare Anlage gibt es bislang nur in der Schweiz.

Bemerkenswert ist auch das Messsystem für die Futteraufnahme von Milchkühen. Von der präzisen Erfassung und Auswertung dieses Vorgangs erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die Leistungsphysiologie des Milchrindes. Dies gilt auch für die Untersuchung der Milchgabe. Das Melken sei ein komplexer Vorgang, bei dem viele Faktoren bis heute nicht in ihrer Gesamtheit verstanden werden.

Hier gebe es Optimierungspotential. Das Software-Programm "KuhDaM" stammt vom Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Universität Kiel. Es ermöglicht eine genaue Zuordnung der Daten zur einzelnen Kuh sowie zu den Zeiten und Ereignissen. Erklärtes Ziel des Vorhabens ist es, "der tierwissenschaftlichen Forschung neue Möglichkeiten für die interdisziplinäre Forschung zu eröffnen, um international an vorderster Front zu stehen", wie es Dekan Karl Schellander ausdrückte und darin von Prorektor Armin Cremers bestärkt wurde, der in Vinxel Rektor Jürgen Fohrmann vertrat.

Professor Cremers unterstrich die Bedeutung von Innovationen zur wissenschaftlichen Grundlagenforschung, welche von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität auch weiterhin gefördert werde.

Gleichzeitig aber werde von der Wissenschaft anwendungsorientierte Arbeit verlangt, im konkreten Falle etwa in Gestalt wachsender Ansprüche an hochwertige Lebensmittel. Schließlich hätten es Forschung und Lehre mit veränderten Studienbedingungen aufgrund des Bologna-Prozesses und neuen Organisationsformen zu tun.

"All diese Herausforderungen aber wurden von der Landwirtschaftlichen Fakultät als Chance begriffen", lobte Cremers. Moderiert wurde die Eröffnungsfeier von Professorin Helga Sauerwein.

Minister Eckhard Uhlenberg sprach der Landwirtschaft eine wachsende Bedeutung zu und verschwieg nicht die aktuellen Probleme der Milchbauern. "Gerade vor diesem Hintergrund benötigen wir leistungsfähige Betriebe, die wettbewerbsfähig sind. Die wissenschaftliche Forschung liefert die Grundlagen hierfür", so Uhlenberg.

Zudem zeigte er sich überzeugt davon, dass der Standort Gut Frankenforst "für die nächsten Jahrzehnte gesichert" sei, was nicht nur die Belegschaft, sondern auch Bürgermeister Peter Wirtz sichtlich freute.

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