Flüchtlinge berichten beim Fastenbrechen in der Moschee über ihr Schicksal 4000 Kilometer bis ins rettende Alfter
ALFTER · Rund 4000 Kilometer sind es aus dem Osten Syriens bis ins rheinische Alfter. Ein langer Weg schon zu Friedenszeiten für denjenigen, der ein Auto oder Geld besitzt, um sich einen Flug, beziehungsweise eine Bus- oder Bahnfahrt leisten zu können.
Wie weit und beschwerlich muss dieser Weg aber erst für jemanden sein, der sich jetzt, während des nach wie vor tobenden, blutigen Bürgerkriegs auf den Weg macht, ohne viel Geld, zu Fuß und allein?
Der Syrer Badir Saleh (Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert) ist diesen beschwerlichen Weg Ende vergangenen Jahres gegangen. Und der 28-Jährige hat es nicht nur geschafft, dem Krieg zu entkommen, sondern auch eine zunächst sichere Zuflucht zu finden. Seit sechs Monaten lebt Badir Saleh nach eigener Auskunft als Flüchtling in einer Unterkunft der Gemeinde Alfter am Rathaus in Oedekoven.
Gelegenheit zu erfahren, was er unterwegs erlebte, was er sich für die Zukunft erhofft, bekam der General-Anzeiger am Freitag. Anlässlich des Ramadan-Festes hatte Necat Sertkaya, Vorsitzender des Witterschlicker Moscheevereins, zum ersten Mal auch Flüchtlinge aus Alfter in die Moschee eingeladen. Neben Muslimen wie Saleh waren insgesamt 15 Flüchtlinge auch aus christlichen Ländern, wie etwa aus Serbien, gekommen und hatten sich unter die mehr als 100 Teilnehmer des bunten Festes gemischt.
Sich zu öffnen, Gastfreundschaft zu leben auch für Nichtmuslime, das ist das erklärte Ziel, nachdem der Verein die neuen Moschee im vergangenen Jahr eröffnet hatte, erklärte der Vorsitzende Sertkaya. Von daher sei die Einladung an die Flüchtlinge nur folgerichtig gewesen. "Diese sind uns auch in Zukunft willkommen, etwa zum Freitagsgebet oder Ramadan", so Sertkaya weiter.
Dass von dem Angebot rege Gebrauch gemacht wird, kann sich Taybe Özcan, Vorsitzende des Arbeitskreises für Ausländerfragen und Integration in der Gemeinde, gut vorstellen. Immerhin stammen laut Özcan viele der rund 130 Flüchtlinge in der Gemeinde aus arabischen Ländern wie Syrien, dem Libanon und Marokko.
Und wie am Freitag zu erleben war, kamen nicht nur muslimische Flüchtlinge. So saß der christlich-orthodoxe Serbe Novakov Lazar mit seinem sieben Jahre alten Sohn Christian an einem der Tische im Gemeinschaftsraum der Moschee. Nach eigener Aussage hatte er wegen unhaltbarer Zustände vor sieben Monaten seiner Heimatstadt Pancevo den Rücken gekehrt, mitsamt seiner Frau und den beiden Kindern. "Die Leute dort haben uns nicht gut behandelt, weil wir Roma sind", sagte er.
Hier in Deutschland möchte er bleiben, zumal seine Frau wieder schwanger sei. Er habe zwar keinen Beruf, so Novakov. Aber er sei in seiner Heimat acht Jahre lang zur Schule gegangen, und wolle sich hier weiterbilden, wenn er Asyl erhalte.
Unter allen Umständen bleiben will auch der Syrer Saleh. Verständlich, nach allem was der freundliche und zurückhaltende Mann erlebt hat. Und verständlich auch, wenn man weiß, was Badir Saleh in seiner Heimat erwarten dürfte, wenn er dorthin zurückkehren würde: Der 28-Jährige war Soldat in der syrischen Armee und aus Angst, in dem Bürgerkrieg umzukommen, Ende vergangenen Jahres desertiert.
Nach seinen Schilderungen begann dann eine 51-tägige Reise in das Land seiner Verheißung, nach Deutschland. In Syrien schaffte er es durch das Gebiet bis an die Zähne bewaffneter Milizen und Regierungstruppen über die türkische Grenze, wo ihn der Weg dann Richtung Griechenland führte.
In Mazedonien war er zwei Wochen lang auf Fußmärschen in Richtung serbischer Grenze unterwegs, übersetzte Rhimo El Nali, ehrenamtliche Betreuerin von Asylbewerbern in der Gemeinde. Weiter ging es durch Serbien mit vier Landsleuten zur ungarischen Grenze.
Dort wäre seine Reise beinahe zu Ende gewesen: "Saleh wurde von Grenzpolizisten verhaftet und vier Tage lang eingesperrt", führte El Nali aus. Dabei sei er auch geschlagen worden.
Doch Badir Saleh gelang die Flucht aus jenem Flüchtlingscamp, in das ihn die Grenzer eingesperrt hatten. Er durchquerte Ungarn, und bestieg in Österreich einen Zug, der ihn endlich nach Deutschland brachte. Hier schienen ihn alle Ängste und Strapazen der Flucht eingeholt zu haben: "Er musste sich wegen einer Herzerkrankung im Krankenhaus behandeln lassen", erklärt seine Betreuerin El Nali.
Natürlich hat er Heimweh, trotzdem sieht er seine Zukunft hier, "weil ich in Frieden leben will", übersetzt El Nali.
Nur einen Wunsch hat er noch, wenn sein Asylantrag genehmigt werden sollte: Er will seine Familie, seine Eltern, die drei Brüder und zwei Schwestern, ins rettende Alfter holen.