Ausstellung in Oedekoven Als die Nazis die Glocken einschmelzen ließen

ALFTER-OEDEKOVEN · Als Zeichen des Friedens waren sie gedacht und wurden zum Opfer der Weltkriege. Die Rede ist von Kirchenglocken, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen und zu Munition verarbeitet wurden. Eine Ausstellung in Oedekoven dokumentiert die Geschichte der Vorgebirgs-Geläute während der beiden Weltkriege

 Im Ersten Weltkrieg gaben die Witterschlicker die Quirinus-Glocke ab. REPRO/FOTO: HENRY

Im Ersten Weltkrieg gaben die Witterschlicker die Quirinus-Glocke ab. REPRO/FOTO: HENRY

Der Dersdorfer Glockenkundler Achim Bursch hat in Zusammenarbeit mit dem Archivar der Gemeinde Alfter, Christian Lonnemann, eine Plakatausstellung erstellt, die auf jahrelangen Recherchen über Glocken im Vorgebirge beruht.

Am Donnerstag wurde sie von Bürgermeister Rolf Schumacher im Oedekovener Rathaus eröffnet. Anlass für die Schau war der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Und auch der Zeitpunkt im Kirchenjahr war nicht zufällig gewählt. "Ausgerechnet im Advent 1941 haben die Nazis es fertiggebracht, die ersten Glocken zum Schmelzen zu transportieren", sagte Bursch. "Das hat mich sehr schockiert."

Auf den Ausstellungsplakaten sind Zitate aus historischen Quellen und Fotos der Zeit zu sehen. Exemplarisch stellt Bursch die Geschichte der Witterschlicker und der Mertener Kirchenglocken vor. Denn sowohl die Pfarrei Sankt Lambertus als auch Sankt Martin mussten in beiden Weltkriegen Glocken zum Einschmelzen zur Verfügung stellen. So waren die Witterschlicker im Ersten Weltkrieg gezwungen, eine Glocke abzugeben. Welche, entschied die Gemeinde selber. "Es war eine Strategie vom Staat, die Kirchen möglichst weitgehend einzubeziehen, damit der Widerstand nicht so groß war", so Bursch. Die Pfarrgemeinde entschied sich für die kleinste und zugleich älteste, die Quirinus-Glocke. In Walberberg mussten im Zweiten Weltkrieg zwei Glocken abgegeben werden. Wegen ihres hohen Denkmalwerts kamen sie aber in ein Zwischenlager im Hamburger Hafen und wurden auf einer Warteliste für das Einschmelzen vermerkt.

Ein Foto in der Ausstellung zeigt, wie die wertvollen Kulturgüter in dem Lager wahllos aufeinandergestapelt wurden. In diesem Fall war der Abtransport aber ein Glücksfall: Die einzige Glocke, die im Walberberger Kirchturm verblieben war, zerschmolz bei einem Bombardement, das auch die Kirche bis auf die Grundmauern zerstörte. Nur eine kleine Scherbe ist von der Glocke erhalten und bis heute im Walberberger Heimatmuseum zu sehen. Die Glocken im Hamburger Lager überstanden den Krieg unbeschadet und kamen zurück in den Vorgebirgsort.

Die Impekovener Pfarrgemeinde umging die Abgabe im Zweiten Weltkrieg durch eine List. Nur Glocken ab einem Gewicht von 25 Kilo wurden eingezogen. Die Marienglocke aus dem 19. Jahrhundert in der Kapelle Sankt Mariä Heimsuchung wog zwar 50 Kilo, die Pfarrgemeinde gab aber nur 15 Kilo als Gewicht an. Heute hängt die Glocke in der Trauerhalle des Impekovener Friedhofs.

"Unser Gebiet kam im Vergleich zu anderen Gegenden im Erzbistum Köln etwas weniger dramatisch weg", sagte Bursch. Alles in allem wurden im Zweiten Weltkrieg im Erzbistum Köln 77 Prozent der Kirchenglocken eingeschmolzen, in Bornheim und Alfter waren es 29 von 61 Glocken, das sind 42 Prozent.

Auf Abbildungen zeigt Bursch Vorgebirgsglocken. Beispielsweise die Breniger Evergislus-Glocke, benannt nach einem heiliggesprochenen Kölner Bischof. 1614 von dem Lothringer Wandergießer Abraham Gaillot gegossen, ist sie in diesem Jahr 400 Jahre alt geworden. Im Ersten Weltkrieg blieb der Breniger Glockenturm unangetastet, so Bursch. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie als eine von zwei Kirchenglocken im Vorgebirge unter "D" für "Denkmalglocke" eingestuft und blieb so vom Transport verschont.

Und noch ein zweites Jubiläum feiern die Glockenkundler in diesem Jahr: Vor 300 Jahren wurde der belgische Glockengießer Martin Legros geboren, der im Jahr 1745 die Walberberger Marienglocke und in den Jahren 1754 und 1776 zwei Breniger Glocken gegossen hat.

0 Die Plakatausstellung "Bronzeglocken - Vom Friedensinstrument zum Weltkriegsopfer" ist noch bis Sonntag, 25. Januar, zu den üblichen Öffnungszeiten im Foyer des Oedekovener Rathauses, Am Rathaus 7, zu sehen.

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