Gespräch mit Markus Jüris "Asyl ist ein hohes Gut"

Alfter · Wie berichtet, wird der General-Anzeiger den syrischen Flüchtling Badir Saleh (Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert), der Anfang des Jahres einen Asylantrag gestellt hat und seitdem in Alfter lebt, in seinem neuen Leben begleiten.

 Alfters Sozialamtsleiter Markus Jüris sichtet in seinem Büro Tüten mit Spenden für die Flüchtlinge.

Alfters Sozialamtsleiter Markus Jüris sichtet in seinem Büro Tüten mit Spenden für die Flüchtlinge.

Foto: Axel Vogel

Eine zentrale Anlaufstelle für den Syrer ist derzeit - wie für rund 150 andere Flüchtlinge auch - das dortige Sozialamt unter der Leitung von Markus Jüris. Was für Jüris zum Alltag bei der Betreuung von Flüchtlingen wie dem 28 Jahre alten Badir Saleh gehört, wollte Axel Vogel wissen.

Herr Jüris, die Betreuung all der Flüchtlinge wirkt stressig.
Markus Jüris: Heute ist besonders viel zu tun, weil die Barauszahlung des Regelsatzes für den laufenden Monat begonnen hat. So viele Besucher haben wir daher nicht jeden Tag. Aber es ist in den letzten Wochen schon schwieriger geworden, die Menschen mit ihren Bedürfnissen zu betreuen. Das liegt nicht nur daran, dass es immer mehr werden, sondern daran, dass die Flüchtlinge jetzt auch in großen Schüben kommen. In den letzten vier Wochen waren es jeweils sechs Personen in der Woche, was für uns viel ist. Nur zum Vergleich: Wir hatten in den Jahren 2010 bis 2012 etwa vier bis fünf Zuweisungen pro Jahr. Seit 2014 stiegen die Zahlen rasant. Seit Anfang des Jahres sind es bereits 60. Und unser Eindruck ist: Es sind noch sehr viele Flüchtlinge unterwegs.

Werden Sie die alle angemessen unterbringen können?
Jüris: Bei den derzeit rund 150 Flüchtlingen, die wir betreuen, ist das der Fall. Auch die neue Unterkunft, die derzeit am Rathaus in Oedekoven entsteht und im Herbst fertig ist, wird für weitere 60 Personen Platz schaffen. Aber wenn weiterhin sechs Personen pro Woche neu dazu kommen, werden die Kapazitäten nicht bis zum Ende des Jahres reichen. Wir werden alles versuchen, diesen Fall zu verhindern. Aber wenn kein Wohnraum mehr zur Verfügung steht, müssen wir Turnhallen belegen, weil wir zur Aufnahme der Flüchtlinge gesetzlich verpflichtet sind.

Auch in Alfter leben viele Flüchtlinge aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Hier ist die Anerkennungsquote gering.
Jüris: Wir betreuen 40 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Aber für sie gilt - wie für alle Nationalitäten - das verbriefte Recht auf ein Asylverfahren. Und während ihre Anträge bearbeitet werden, sind wir für die Betreuung zuständig.

Was heißt das konkret?
Jüris: Jede Person bekommt eine so genannte Erstausstattung bei der Ankunft, mit der man sich ein Zimmer einrichten kann, das ebenfalls zugewiesen wird. Zudem wird der Regelsatz von 350 Euro pro Monat ausgezahlt. Die Kommune kommt dann noch für die Unterkunft auf und zahlt die Nebenkosten. Die Kleiderstube der CDU kümmert sich um die Bekleidung. Auch eine medizinische Versorgung des Flüchtlings ist abgedeckt.

So wie im Falle von Badir Saleh, der Herzprobleme bekommen hatte und unlängst in der Bonner Uniklinik einen Herzschrittmacher eingesetzt bekam?
Jüris: Ich darf zu dem konkreten Fall aus Gründen des Sozialdatenschutzes nichts sagen. Richtig aber ist: Generell würde die Kommune auch solche Kosten übernehmen.

Wie ist die Chance von syrischen Flüchtlingen als Asylsuchende anerkannt zu werden?
Jüris: Sehr hoch. Hier tendiert die Anerkennungsquote gegen 100 Prozent.

Was hat es mit dem angebotenen Sprachkursus auf sich?
Jüris: Den können wir derzeit 42 Flüchtlingen anbieten, weil der Kursus von dem Besitzer des Obi-Marktes in Oedekoven und dem Verein "Rückenwind" gesponsert wird. Aus meiner Sicht ist das eine gute Sache, weil die Menschen nicht nur Deutsch lernen, sondern auch beschäftigt sind.

Entspannt sich die Betreuungssituation nicht dadurch, dass nicht anerkannte Asylbewerber abgeschoben werden?
Jüris: Fakt ist, dass die Rückführung von Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, nicht in dem Maße vollstreckt wird, wie es möglich wäre. Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt. Zuständig ist hier das Ausländeramt in Siegburg. In Alfter betreuen wir derzeit 30 Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Auch zu deren Betreuung sind wir verpflichtet. Den "ältesten" Asylbewerber, der abgelehnt wurde, betreuen wir seit 18 Jahren. Meine persönliche Meinung ist: Asyl ist ein hohes Gut, an dem nicht gerüttelt werden darf. Aber wenn kein Asylgrund vorliegt, wäre eine schnelle Rückführung hilfreich. Denn sonst kommen immer mehr, und es geht niemand.

Was würde Ihnen noch bei der Betreuung der Flüchtlinge helfen?
Jüris: Durchschnittlich dauern die Verfahren zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Das ist einfach zu lang. Auch mit Blick auf die Flüchtlinge, die sich sehnlichst Klarheit über ihr weiteres Schicksal wünschen.

Gibt es bei all den tagtäglichen Herausforderungen noch Anteilnahme?
Jüris: Klar stumpft man bei den Belastungen in den vergangenen Monaten unwillkürlich ein Stück weit ab. Aber wir dürfen es uns nicht leisten, dass die Menschlichkeit hintansteht. Zumal auch meine Mitarbeiter eine tolle Arbeit machen und die Hilfsbereitschaft der Bürger in Alfter groß ist. Und es gibt immer wieder Fälle, die bewegen: So etwa als gerade erst geschehen, eine alleinstehende Frau aus Syrien vor mir stand. Sie hatte den weiten Weg nach Deutschland über Marokko geschafft und zwar mit ihren beiden kleinen Kindern.

Zur Person

Markus Jüris ist 40 Jahre alt und stammt aus Lantershofen. Nachdem er seine Beamtenlaufbahn bei der Bezirksregierung in Koblenz begonnen hatte, wechselte er im Jahr 2000 als Sachbearbeiter ins Sozialamt nach Alfter. Nach einer Zwischenstation im Planungsamt ist Jüris seit 2008 Leiter des Sozialamtes. Der Vater von drei Kindern wohnt in Sinzig.

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