Interview mit Hildegard Scherer "Auf das eigene Gefühl verlassen"

ALFTER · Gespräch am Wochenende: Hildegard Scherer spricht über ihre Arbeit als Schiedsfrau.

 "Schlichten statt Richten" ist der Leitspruch der Schiedsleute. Hildegard Scherer will Streitparteien in Alfter und Gielsdorf wieder dazu bringen, sich zu vertragen.

"Schlichten statt Richten" ist der Leitspruch der Schiedsleute. Hildegard Scherer will Streitparteien in Alfter und Gielsdorf wieder dazu bringen, sich zu vertragen.

Foto: Wolfgang Henry

Die Hecke ist zu hoch, der Baum des Nachbarn wächst über die Grundstücksgrenze - es gibt viele Fälle, in denen Schiedspersonen dabei helfen können, einen Streit zu schlichten. Für die Orte Alfter und Gielsdorf hat Hildegard Scherer in der Gemeinde Alfter im Februar das Amt übernommen. Mit ihr sprach Hannah Schmitt.

Sie sind erst die zweite Schiedsfrau in der Gemeinde Alfter. Schlichten Frauen anders als Männer?
Hildegard Scherer: Vielleicht sind sie etwas sensibler. Ich lasse mich aber überraschen, was kommt. Es ist eine sehr interessante und spannende Aufgabe, die Menschen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen.

Haben Sie vorher bereits Erfahrung mit den Thema Schlichten gehabt?
Scherer: Überhaupt nicht.

Wie sind Sie dann dazu gekommen, Schiedsfrau zu werden?
Scherer: Wie die Jungfrau zum Kinde (lacht). Ich habe im Oktober einen Anruf aus der Gemeindeverwaltung bekommen, ob ich nicht Interesse an dem Ehrenamt hätte. Die Gemeinde hatte bereits im Sommer jemanden per öffentlicher Ausschreibung gesucht, aber keinen geeigneten Kandidaten gefunden. Ich habe mich dann erst einmal mit dem Amt auseinandergesetzt und mit den beiden damaligen Schiedspersonen gesprochen. Es klang sehr interessant, also habe ich mich beworben.

Was genau sind Ihre Aufgaben als Schiedsfrau?
Scherer: Unser Leitspruch ist "Schlichten statt Richten". Wir wollen, dass sich beide Parteien an einen Tisch setzen und wieder miteinander sprechen. Es ist ja oft ein Streit, der schon lange gegärt hat. Ziel ist es, einen Vergleich zu schließen, indem sich beide aufeinander zu bewegen. Etwa, wenn dem einen die Hecke des anderen zu hoch ist. Der Vergleich ist dann rechtsverbindlich und 30 Jahre gültig. Schiedsleute sollten mit dem Bauch arbeiten, sich auf das eigene Gefühl verlassen und vor allem unparteiisch sein.

Welche Fälle landen vor Schiedspersonen?
Scherer: Es gibt Fälle, die müssen bei Schiedsleuten verhandelt werden. Erst wenn das nicht klappt, können sie vor Gericht gehen. Dazu gehören sogenannte bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, zum Beispiel wenn es um das Beschneiden von Hecken und Bäumen, die Errichtung von Zäunen oder die Verletzung der persönlichen Ehre geht. Aber auch Strafsachen, wie die Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung oder Bedrohung.

Wie geht man an die Aufgabe ran?
Scherer: Das muss man von Fall zu Fall entscheiden. Ich denke, man muss offen sein und den Menschen zuhören können. Mein Vorgänger Heribert Recht und Heinz-Peter Heinrichs, der Schiedsmann für Oedekoven, Impekoven und Witterschlick, stehen mir dabei mit Rat und Tat zur Seite.

Gibt es Besonderheiten beim Schlichtungsverfahren?
Scherer: Anders als vor Gericht kann ein Vergleich anders aussehen als das, was im Gesetz festgeschrieben ist. Darf zum Beispiel eine Hecke laut Verordnung nur 1,5 Meter hoch sein, aber beide Streitparteien einigen sich auf zwei Meter, dann ist das in Ordnung.

Was gibt es noch für Unterschiede zum Gericht?
Scherer: Wir sind billiger (lacht). Wenn es zum Vergleich kommt, kostet eine Schlichtung 25 Euro plus die Ausgaben etwa für Kopien, Porto oder Dolmetscher, falls sie nötig sind. Ohne Vergleich sind es zehn Euro. Außerdem geht es schneller. Sobald ein Antrag gestellt ist, wird geschaut, dass der Termin in den nächsten vier Wochen liegt.

Wie viele Schlichtungen haben Sie seit Februar schon gemacht?
Scherer: Bisher noch gar keine.

Also gibt es in Alfter nicht so viel Streit?
Scherer: Das kann man so nicht sagen. Es gab bisher zwei Streitigkeiten, die nicht in meinem Bezirk lagen. Die habe ich an den Schiedsmann für Oedekoven, Impekoven und Witterschlick weiterverwiesen. Bei zwei weiteren Fällen habe ich vor Ort erste Gespräche geführt. Die erste Frage ist dann immer: Haben Sie schon mal mit dem anderen geredet? Meistens kommt dann ein Nein. Ich habe ihnen dann ans Herz gelegt, das zunächst zu tun. Da kam es dann bisher auch nicht zu einem Schlichtungsverfahren.

Sie sind für den Bezirk zuständig, in dem Sie auch wohnen. Theoretisch könnten auch Ihre Nachbarn oder Freunde vor Ihnen sitzen.
Scherer: Das kann passieren. Aber als Schiedsperson muss ich neutral sein und darf nicht zu einer Seite halten. Ich muss beide Seiten anhören und Möglichkeiten finden, wie man sich einigen kann.

Darf man als Schiedsfrau denn selbst streiten?
Scherer: Ich denke schon, wir sind doch alle nur Menschen (lacht). Bloß weil ich jetzt schlichte, ändert sich daran nichts.

Denkt man denn anders darüber nach?
Scherer: Ich glaube schon. Man wird bei dem Thema vielleicht sensibler.

Zur Person

Hildegard Scherer lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Alfter-Ort. Die 50-Jährige arbeitet bei der Telekom im gehobenen Dienst, ist aber in Erziehungszeit. Scherer hat Fernmeldehandwerker gelernt und danach Nachrichtentechnik studiert. Seit dem 11. Februar ist sie Schiedsfrau für Alfter und Gielsdorf. Sie folgt auf Heribert Recht, der zuvor zehn Jahre Schiedsmann war.

Infos zum Schiedsamt

Schiedspersonen vermitteln bei Auseinandersetzungen und können in einem Schlichtungsverfahren eine zügige und kostensparende Einigung herbeiführen. Sie werden für fünf Jahre vom Rat gewählt und vom Amtsgericht vereidigt. Die Gemeinde Alfter zahlt den Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung.

Schiedspersonen müssen in der Gemeinde Alfter zwischen 30 und 70 Jahren alt sein, juristische Kenntnisse sind nicht notwendig. Der Bund Deutscher Schiedsmänner und -frauen bietet zur Weiterbildung verschiedene Seminare an. Weitere Infos auf www.schiedsamt.de. Die Schiedspersonen für Alfter sind wie folgt zu erreichen: Hildegard Scherer telefonisch unter 02222/938528, per Fax 02222/3761596 oder E-Mail an scherer.schiedsfrau@t-online.de, Heinz-Peter Heinrichs unter der Telefonnummer 0228/643959.

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