Große Politik im Herrenhaus Bratkartoffeln für Kanzler Helmut Kohl

ALFTER · Fast 100 Jahre gönnten sich Spaziergänger während der Obstblüte am Waldrand oberhalb von Alfter kühle Getränke. Dort wurde in den 1970er und 80er Jahren große Politik gemacht, meist an Tisch 25. Der stand in einer Nische des Herrenhauses Buchholz und ermöglichte der Bonner Prominenz ungestörte Gespräche.

1977 erwarben Marlies und Christian Dreesen, Konditormeister und "Alfterer Jong", die 1858 erbaute Waldgaststätte und erweiterten sie, ehe sie das Haus 1995 verpachteten und 2010 verkauften. Schnell sprach sich in der Bundeshauptstadt herum, dass man dort nicht nur sehr gut essen, sondern auch diskret tagen konnte.

Stammgast Helmut Kohl feierte im Herrenhaus seine ersten Wahlsiege, worauf Dreesen sehr stolz ist. In seinem Haus traf sich Anfang September 1982 auch das FDP-Präsidium um Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff. Es ging um den den beabsichtigten Koalitionswechsel von der SPD zur CDU, der dann Kohl zum Kanzler machte.

"Christian und Marlies Dreesen und Ihren Mitarbeitern danke für die stets freundliche Gastlichkeit in Ihrem Hause", schrieb Helmut Kohl am 28. Dezember 1982 auf Büttenpapier ins Gästebuch. Er hat am liebsten Rumpsteak mit Bratkartoffeln und Feldsalat gegessen, erinnert sich Dreesen.

Da wegen der Bedrohung durch die RAF in den 70er und 80er Jahren strenge Sicherheitsstandards galten, aßen hochrangige Politiker immer in Begleitung von drei bis vier Leibwächtern. Um Anschläge zu verhindern, wurden die Besuche meist kurzfristig angekündigt. "Oft rief das Kanzleramt um fünf Uhr an und bestellte einen Tisch, um halb sieben war Helmut Kohl dann da", berichtet Dreesen. Oft sei das Herrenhaus Kohls erste Anlaufstation nach einer Auslandsreise gewesen.

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