Kork-Künstler aus Alfter baut Baaltempel von Palmyra nach Ein Kulturschatz aus Kork

ALFTER · Ein Jahr nach der Zerstörung von Palmyra durch den IS stellt der Phelloplastiker Dieter Cöllen aus Alfter sein Modell des Baaltempels fertig.

 Dieter Cöllen (rechts) zeigt Rosslin (6) und Ibrahem (10) sein Korkmodell des Baaltempels, wie er nur etwa 40 Kilometer von ihrer syrischen Heimatstadt zu sehen war.

Dieter Cöllen (rechts) zeigt Rosslin (6) und Ibrahem (10) sein Korkmodell des Baaltempels, wie er nur etwa 40 Kilometer von ihrer syrischen Heimatstadt zu sehen war.

Foto: Stefan Hermes

Eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler der Welt wurde im August 2015 durch die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates (IS) gesprengt. Auch dass Palmyra, die Palmenstadt im Zentrum des Hochlandes von Aleppo seit 1980 zum Weltkulturerbe gehört, konnte es nicht schützen. Fast 2000 Jahre zeugte der nun in Trümmern liegende Baaltempel von der Hochkultur in der syrischen Wüste. Einer, der das antike Bauwerk noch vor Ort kennengelernt hatte, ist der Alfterer Korkkünstler Dieter Cöllen (61).

Nach dreimonatiger Arbeit hat er nun ein Modell des Baaltempels mit der von ihm noch beherrschten Kunst der Phelloplastik, des Gestaltens mit Kork, fertiggestellt. Viele seiner Arbeiten sind weltweit in öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen.

In nächster Nähe kann von ihm der Kapitolstempel, das mit 1,60 Meter größte moderne Korkmodell der Welt im Kölner Praetorium besichtigt werden, das eindrucksvoll die Wirkung des Modellbaus mit Kork belegt, die im 18. und 19. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte und heute zwar nicht in Vergessenheit geraten ist, doch aufgrund des hohen Zeitaufwandes kaum noch bezahlbar zu sein scheint.

Auf einer Grundplatte von 74 mal 70 Zentimetern ist nun der Baaltempel im Maßstab von 1:100 mit seinem davorstehenden Eingangstor entstanden, wie er vor der Sprengung durch den IS zu besichtigen war. Cöllen ist entgegen der Meinung des Assad-Regimes und einiger Archäologen der Ansicht, dass ein Wiederaufbau vor Ort einer Geschichtsfälschung gleichkäme. „Geschichte muss Geschichte bleiben. Ein Trümmerfeld sagt mir weitaus mehr als der Wiederaufbau unter touristischem Aspekt. Hier sollte es ums Nachdenken gehen“, erklärt Dieter Cöllen.

„Ich will mit dem Modell Gedankenanstöße geben"

„Ich will mit dem Modell Gedankenanstöße geben. Man soll darüber nachdenken, was wir verloren haben und warum wir es verloren haben.“ Zusätzlich kann das religiöse Bauwerk auch mit modernen Mitteln wie virtuellen Projektionen und Darstellungen im Detail wieder erfahrbar gemacht werden. Was bei dieser Technik jedoch auf der Strecke bleibt, ist die Emotion, die das durch Zeit und Erosion langsam verfallene Gebäude bei den Menschen auslöste, die Gelegenheit hatten, den nach hellenistisch-römischen Vorbildern entstandenen Tempel zu besichtigen.

Das im Modellbau verwendete natürliche Material Kork ist durch seine unregelmäßige Beschaffenheit geeignet, dem Betrachter auch ein Gefühl für das Bauwerk zu vermitteln. Es gelingt Dieter Cöllen durch seine akribisch detailgetreu nachgebildeten Säulenhallen mit korinthischen Kapitellen, über Treppenaufgänge im Inneren, über Reliefs und das in Teilen noch erhaltene Fischgrätmuster des Bodens den Tempel in seiner Anmutung derart genau nachzubilden, dass sich das im Freien fotografierte Modell kaum von dem fotografierten Original unterscheiden lässt.

Der Auslöser für die zeit- und arbeitsintensive Rekonstruktion des Baaltempels liegt für Dieter Cöllen in einem nicht zustande gekommenen Wunschauftrag zur modellhaften Wiederherstellung der Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan, die 2001 von den Taliban zerstört wurden. Damals mangelte es an Zeit, um dem Bedürfnis nachkommen zu können, über seine Kunst den Verlust zu verarbeiten, den er durch seine frühen Reisen zu den antiken Stätten der Vergangenheit besonders stark verspürte.

Dazu gehörte auch eine auf der Buddha-Statue in Bamiyan verbrachte Nacht, in der er eine besondere Verbindung mit dem Kulturdenkmal eingegangen ist. 15 Jahre später sollte sich nicht erneut wiederholen, was er damals verpasst hatte. Er entschloss sich, den Baaltempel auf eigene Kosten wieder entstehen zu lassen. Nicht zuletzt sein Engagement für syrische Flüchtlinge in Alfter und die einer Patenschaft gleichkommende Fürsorge für die beiden aus Syrien stammenden Kinder Ibrahem (10) und Rosslin (6) bestätigten ihn in seinem Vorhaben.

„Es macht sie glücklich und stolz, dass wir uns hier mit ihrer Kultur auseinandersetzen.“ Cöllen: „Über die Zusammenarbeit mit ihnen ist mir klargeworden, dass sie gar nicht wissen, was sie an Kulturschätzen besitzen. Wenn Aleppo heute zerbombt ist und die Menschen hier zu uns kommen, dann ist es doch wichtig, ihnen zu sagen, welchen Reichtum sie besessen haben.“

Der 61-Jährige ist sich sicher, dass es die Aufgabe der Kinder sein wird, eines Tages Brücken zwischen den Kulturen zu bauen. Und dann sei es wichtig, dass sie ein Geschichtsbewusstsein haben, was sich nicht nur mit Krieg und Zerstörung auseinandersetzt. Er weiß, dass es für lange Zeit nicht mehr möglich sein wird, an all die Orte in der Welt zu reisen, die eine persönliche Begegnung mit den vergangenen Kulturen möglich machen würde.

So ist seine Vision für die er noch Mitstreiter sucht, eine Galerie aller inzwischen zerstörten oder nicht mehr zugänglichen Kulturdenkmäler, die die Unesco als Weltkulturerbe auf ihre Liste gesetzt hat. Denn, wie es Humboldt formulierte: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.“

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