Volmershoven-Heidgen Ein Spaziergang durch den geschichtsträchtigen Alfterer Ortsteil

ALFTER-VOLMERSHOVEN · "Herzlich willkommen im Tonrevier." Der Satz ist in die hübsche, hölzerne Hinweistafel geschnitzt, mit deren Hilfe Volmershoven-Heidgen seine Besucher begrüßt und zugleich in Text und Bild über die außergewöhnliche Geschichte des Alfterer Ortsteils informiert.

 Die restaurierte Lore erinnert an die Bergbau-Vergangenheit des Ortsteils.

Die restaurierte Lore erinnert an die Bergbau-Vergangenheit des Ortsteils.

Foto: Wolfgang Kaes

Beim Wort Revier denkt der Ortsunkundige unwillkürlich ans Ruhrgebiet, an Kohle und Stahl und Schalke, aber nicht zwangsläufig an das ländliche Volmershoven-Heidgen, das aber ebenso wie das benachbarte Witterschlick eine lange Bergbau-Tradition vorzuweisen hat.

Schon vor Jahrhunderten wurde hier der nah unter der Erdoberfläche liegende weiße Ton abgebaut, zahlreiche Töpfereien und Ziegeleien siedelten sich an. Aber die entscheidende Wende zur industriellen Nutzung brachte der pure Zufall: Im Jahr 1880 stießen die Brüder Johann und Joseph Braun bei Ausschachtarbeiten für einen Brunnen auf Tonschichten in ungewöhnlich graublauer Färbung.

Den flugs eingeschalteten Experten der Wessel'schen Porzellanfabrik in Bonn-Poppelsdorf war rasch klar, auf was die Gebrüder Braun da gestoßen waren: Blauton, der in Deutschland äußerst selten zu finden ist, aber für die Industrialisierung Europas in jener Zeit von entscheidender Bedeutung war. Blauton ist nämlich besonders hochwertig, verfügt über einen außergewöhnlich extrem hohen Schmelzpunkt und eignet sich deshalb für die Herstellung feuerfester Produkte.

Goldgräberstimmung herrschte in Volmershoven-Heidgen ebenso wie im benachbarten Witterschlick: Blauton wurde fortan unter Tage abgebaut, binnen weniger Jahre schnellten die Bodenpreise in schwindelnde Höhen, rund 30 Unternehmen beschäftigten sich vor Ort mit dem Abbau und der Verarbeitung, sogar der Krupp-Konzern aus Essen eröffnete hier eine Dependance, weil der Blauton für die Auskleidung von Schmelzöfen im Ruhrgebiet bestens geeignet war.

Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg lebte jeder zweite Bewohner vom Tonabbau. Heute, im Zeichen des Umweltschutzes, wird die Branche ebenso wie der Quarzabbau auch kritisch gesehen, grenzt der Ortsteil doch unmittelbar an das Naturschutzgebiet Kottenforst.

Die nahe Natur ist übrigens mit ein Grund, warum Volmershoven-Heidgen in den vergangenen Jahrzehnten viele Neubürger anlocken konnte. Die Kombination aus Naturnähe und Großstadtnähe, damit aus Erholungswert am Wohnort und vielfältigen Arbeitsangeboten in der Bundesstadt, erscheint nicht wenigen Menschen besonders reizvoll. Aber es gibt ein weiteres Plus: "Das ist der spezielle Menschenschlag hier", sagt Ortsvorsteherin Sigrit Pippon.

"Man kennt sich, man hilft sich. Hier wird kein Unterschied zwischen Neubürgern und Alteingesessenen gemacht. Jeder ist hier schnell integriert, sofern er dies will." Die resolute 70-Jährige weiß, wovon sie spricht. In Thüringen geboren, in der Westeifel nahe der belgischen Grenze aufgewachsen, ist Sigrit Pippon "erst" 1966 hierher gezogen. Da gehörte ihr Ortsteil noch drei Jahre lang zum Amt Duisdorf, bevor im Rahmen der Gebietsreform 1969 die neue Gemeinde Alfter sowie der Rhein-Sieg-Kreis gegründet wurden.

Bei unserem Spaziergang weist Pippon, die auch Ortsvorsteherin von Witterschlick ist, stolz auf jene sichtbaren Symbole des bürgerschaftlichen Engagements hin: die Wegekreuze zum Beispiel, der im Bau befindliche Biker-Parcours, nicht zuletzt der vor zwei Jahren entstandene Kunstrasen-Platz des 500 Mitglieder zählenden SC Volmershoven-Heidgen 1921 sowie dessen neues Vereinsheim, das vor einem Jahr in Eigenregie durch viele fleißige Hände entstand - natürlich auch dank großzügiger Unterstützung einiger Sponsoren und eines finanziellen Zuschusses aus der Alfterer Gemeindekasse.

Gleich nebenan ist der Tennisclub Am Hardtbach zu Hause, und nicht weit davon haben die Baseball-Freunde ihr eigenes Betätigungsfeld. Die Begeisterung für die amerikanische Sportart hat der evangelische Pfarrer Andreas Schneider nach Volmershoven-Heidgen importiert, und regelmäßig schauen hier Spieler von jenseits des Atlantiks vorbei und geben Kostproben ihres Könnens. Insgesamt ist Volmershoven-Heidgen ein ausgesprochen sportlicher Ortsteil. Dazu trägt bei, dass die örtliche Turnhalle erst kürzlich saniert wurde. Neben dem Baseball verfügt der Ortsteil über ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: ein Waldorf-Kindergarten.

Der ausgeprägte Bürgersinn sowie das rege, vielfältige Vereinsleben trösten zuweilen über einige Minuspunkte in Bezug auf die Infrastruktur hinweg: Volmershoven-Heidgen verfügt über keine eigene Grundschule mehr, keinen eigenen katholischen Pfarrer, kein Lebensmittelgeschäft und inzwischen auch über keine Gaststätte mehr.

Aber immerhin über eine Tankstelle, die nicht nur Treibstoff, sondern ebenso manche Artikel des täglichen Bedarfs feilbietet. In Volmershoven-Heidgen weiß man sich eben zu helfen.

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