Gespräch am Wochenende „Für viele bedeutet Karneval eher Ballermann“

Interview · Nach zwei Jahren Corona-Pause können viele Karnevalisten den Start in die Session kaum erwarten. Dennoch verlief der Vorverkauf des Witterschlicker Karnevalsvereins „Tonmöhne 1947“ für die Auftaktsitzung an diesem Samstag ausgesprochen schleppend.

Seit 30 Jahren Sitzungspräsidentin bei den Witterschlicker Tonmöhne: Doris Viernich.

Seit 30 Jahren Sitzungspräsidentin bei den Witterschlicker Tonmöhne: Doris Viernich.

Foto: Axel Vogel

Rund 40 Prozent weniger Karten als 2019 seien bisher verkauft worden. Über mögliche Gründe, die Vorbereitungen auf die Session, das veränderte Verständnis von Brauchtum und den Karneval der Zukunft sprach Sitzungspräsidentin Doris Viernich mit Susanne Träupmann.

In diesem Jahr kann der Sitzungskarneval wieder ohne Auflagen gefeiert werden. Warum ist das Interesse für Ihre erste Veranstaltung, die Prunksitzung, so gering?

Doris Viernich: Die beiden Corona-Jahre haben das Interesse anscheinend verlagert. Vor 2020 war die Turnhalle bei unseren Sitzungen fast immer ausgebucht. Jetzt scheinen die Leute das Feiern nicht mehr gewöhnt zu sein. Außerdem wird überall vom Sparen geredet. Die Menschen überlegen genau, für was sie Geld ausgeben. Da hat Karneval keine Priorität.

Kann die fehlende Resonanz auch mit der parallel stattfindenden Proklamationssitzung in Alfter-Ort zu tun haben?

Viernich: Das weiß ich nicht. Es ist nur schade, dass die Eröffnungsveranstaltungen in beiden Ortsteilen nicht mit einer Woche Abstand durchgeführt werden.

Werden Sie Konsequenzen ziehen?

Viernich: Wir hatten schon im Vorstand überlegt, ob wir die Prunksitzung bei der momentanen Nachfrage überhaupt durchführen sollten, und haben uns dann dafür entschieden. Klar ist uns geworden, dass Sitzungen mit dem bisherigen Mix aus Tanz, Musik, Beiträgen und Sketchen wohl nicht mehr machbar sind. Für viele Menschen bedeutet Karneval eher Ballermann. Was und ob wir etwas anstelle unserer Prunksitzung anbieten werden, wissen wir noch nicht.

2020 gingen die „Tonmöhne“ coronabedingt zum ersten Mal mit einer Online-Sitzung an den Start. Sind Programm-Aufzeichnungen leichter durchführbar als ein Live-Programm?

Viernich: Ob Online oder Live-Programm – beide Versionen erfordern viel Arbeit. Damals haben wir die Wohnung unseres Vorsitzenden Thomas Baumann zu einem Studio umfunktioniert. Alle Beiträge und Tänze wurden einzeln aufgezeichnet und anschließend zusammengeschnitten. Jede Menge Zuschauer erlebten also Karneval im Wohnzimmer und waren begeistert. Für uns allerdings war es komisch, nicht zu wissen, ob unsere Darbietungen gefallen oder nicht. Das Publikum fehlte. Auf der Bühne wächst man über sich hinaus.

Sie sind seit 29 Jahren Sitzungspräsidentin und planen alle Veranstaltungen selber. Dazu gehört auch die Verpflichtung auswärtiger Künstler. Warum nutzen Sie keine Agentur?

Viernich: Für mich muss ein Programm von der ersten bis zur letzten Minute stimmig sein. Viele Künstler kenne ich seit Jahrzehnten, ihre Telefonnummern habe ich über die Jahre gesammelt. Häufig genügt ein Anruf, und ich habe ihre Zusage meistens in der Tasche. Auch unter den gegenwärtigen Bedingungen – es ist ungewiss, ob Veranstaltungen auch in dieser Session coronabedingt abgesagt werden müssen – gab es bei den angefragten Künstlern kein Zögern.

Wie sehen die Programme in dieser Session aus?

Viernich: Für „Schlager trifft Karneval“, das Gardetreffen und Weiberfastnacht laufen die Planungen auf Hochtouren. Die Prunksitzung bietet eine ausgewogene Mischung zwischen auswärtigen Kräften und auftretenden Vereinsmitgliedern. Dabei sind karnevalistische Koryphäen wie der Kölner Feuerwehrmann Kresse (Klaus Böhmeke), das Musiktrio „Die Flöckchen“, „Ham&Egg“ und die Musikband „Kommando 3“. Mit einer großen Truppe reisen außerdem die Husaren Grün-Weiß aus Siegburg an. Unsere Tanzgarden zeigen außer ihren Sessionstänzen noch Sketche zum Thema „Zeitreise“. Thomas Baumann und Christoph Schumacher werden ihre Erlebnisse „Auf der Parkbank“ zum Besten geben.

Seit wann feilen Sie am Programm?

Viernich: In diesem Jahr habe ich mit der Planung erst im August begonnen, sogar für mich ausgesprochen spät. Man wusste ja lange nicht, wie es mit Corona weitergeht.

Die „Tonmöhne“ sind mit 93 Mitgliedern ein relativ kleiner Verein. Haben Sie durch die Pandemie Mitglieder verloren?

Viernich: Aktiv sind bei uns circa 40 Männer, Frauen und Kinder zwischen sechs und 72 Jahren. In den vergangenen zwei Jahren ist die jüngste Tanzgarde (drei bis sechs Jahre) durch Wegzug und Austritte weggebrochen. In der mittleren (10 bis 13 Jahre) und großen Garde (ab 18 Jahre) haben wir genügend Tänzerinnen beziehungsweise mit Jannis Bürger einen Tänzer, die für Schwung und Tempo bei ihren Auftritten sorgen. Wir sind in der glücklichen Lage, keine Nachwuchsprobleme zu haben.

Wirkt sich die Inflation auf Ihre Preisgestaltung aus?

Viernich: Die Eintrittspreise bleiben konstant. Teurer werden Snacks und Getränke, da auch der Einkauf der Produkte mehr kostet.

Die Sessions-Eröffnung startet an diesem Samstag, 12. November, um 20.11 Uhr, in der Turnhalle Witterschlick, Buschhovener Straße 7. Einlass ist ab 19 Uhr. Karten sind noch an der Abendkasse für 25 Euro erhältlich. Infos und Kartenvorverkauf zu weiteren Veranstaltungen unter www.kv-tonmoehne.de oder ☎ 02 28/6 44 00 10.

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