Interview mit Alanus-Professor „Heute wird Multifunktionalität gefordert“

Alfter · Das breite Fächerangebot der Alfterer Hochschule ist für deutsche Schauspielschulen bisher einzigartig. Dominik Schiefner, Leiter des Fachbereichs Schauspiel, spricht über die Ausbildung dort.

 Interview-Termin mit Dominik Schiefner, Leiter des Fachbereichs Schauspiel an der Alanus Hochschule, im Hoftheater, Johannishof, Campus I, Alfter,

Interview-Termin mit Dominik Schiefner, Leiter des Fachbereichs Schauspiel an der Alanus Hochschule, im Hoftheater, Johannishof, Campus I, Alfter,

Foto: Axel Vogel

Was ist das Besondere an der Alanus Hochschule?

Dominik Schiefner: Schon der Ort ist einzigartig. Umgeben von dieser Landschaft relativiert sich vieles. Die Ruhe, die hier ist, gibt den Studenten Raum zum Studieren im klassischen Sinn und ermöglicht ihnen eine intensive Entwicklung von Körper, Sinnen und Wahrnehmung. Dazu kommen noch die enge Kontakte mit Kommilitonen und den Dozenten sowie die Begegnung mit Studenten aus anderen Fachbereichen. Hier wird die Ausbildung auf das Wesentliche reduziert.

Welche Studienfächer gehören zur Ausbildung?

Schiefner: Die handwerkliche Ausbildung zum Schauspieler ist die Grundlage. Bei uns geht es nicht nur um die Darstellung auf der Bühne. Wir vermitteln auch andere Aspekte wie Kostümkunde, Lichtdesign, Marketing und Bühnentechnik. Die Fertigkeiten stellen die Studenten in ihren Eigenproduktionen unter Beweis. Auch Fächer wie Pädagogik, Anthropologie, Kulturgeschichte und Philosophie stehen auf dem Lehrplan.

Warum ist das Studium so breit gefächert?

Schiefner: Das Berufsbild des Schauspielers verändert sich. Das ist eine Folge der gesellschaftlichen Veränderung. Heute wird von darstellenden Künstlern eine Multifunktionalität gefordert. Die neue Entwicklung führt weg vom bisherigen Regietheater hin zu mehr Eigenverantwortung des Schauspielers an der Produktion. Er muss seine Haltung, seine persönliche Einstellung und Interpretation beim Spielen zeigen können. Dafür ist eine Ausbildung notwendig, die die Bewusstwerdung der eigenen Persönlichkeit fördert. Deshalb kann ein studierter Schauspieler auch in anderen Sparten als auf der Bühne arbeiten. Dazu gehört zum Beispiel eine Tätigkeit als Coach. Das Bedürfnis des Menschen, sich selbst wahrzunehmen und in eine wahrhafte Kommunikation mit seiner Umwelt zu treten, nimmt zu. Genau das haben Schauspieler erlernt und können es vermitteln.

Sie leiten das Fachgebiet Schauspiel erst seit einigen Wochen. Was werden Sie verändern?

Schiefner: In erster Linie möchte ich das fortsetzen, was in den letzten Jahren Wertvolles entstanden ist. Ich verstehe mich auch nicht als Chef. Wir gestalten das Fachgebiet im gegenseitigen Austausch, im Kollektiv mit den anderen Dozenten und den Studenten. Wir wollen künftig auch verstärkt fachübergreifend arbeiten. So planen wir zurzeit einen interdisziplinären Workshop von Schauspiel-, Eurythmie-Master-Studenten und Studenten der Bildenden Künste. Sie werden zusammen an einer Performance arbeiten. Durch solche Projekte soll das Blickfeld erweitert werden und einen gegenseitigen Austausch anregen.

Die Schauspielausbildung der Zukunft ist auch Thema eines bundesweiten Symposiums am 29. April 2017, das hier an der Alanus Hochschule stattfindet. Was erhoffen Sie sich davon?

Schiefner: Wir erwarten um die 200 Studierenden, Dozenten und Theaterleute aus dem gesamten Bundesgebiet. Bei dem Treffen geht es um die Zukunft des Berufes und deshalb auch um die Schauspielausbildung, denn die heutigen Studenten sind die Schauspieler von morgen. Wir wollen im April in einen gegenseitigen Austausch kommen und unsere Ideen bündeln. Es kommen auch bekannte Leute wie unter anderem Sören Fenner von Art but Fair, Lisa Jopt vom Ensemble-Netzwerk, Jakob Arnold (Junges Ensemble Netzwerk) und der bundesweit bekannte Schauspieler Shenja Lacher. Viele weitere sind angefragt. Auch für Alfter ist das Symposium eine tolle Werbung, denn der Ort wird dadurch über die Grenzen hinaus bekannt werden.

Theater-Schauspieler verdienen mit rund 2000 Euro brutto wenig Geld. Trotzdem ist die Nachfrage, ein Studium aufzunehmen, groß.

Schiefner: Natürlich ist die finanzielle Situation der meisten Bühnenkünstler prekär. Allein von der für den Beruf notwendigen Leidenschaft und dem Idealismus kann man auf die Dauer nicht leben. Um dieses Thema ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken, gründete sich beispielsweise 2016 das Ensemble-Netzwerk. Der Antrieb, dass aber dennoch viele junge Menschen diesen wunderbaren Beruf erlernen möchten, liegt, so denke ich, vor allem daran, sich mit den grundlegenden Werten des Menschseins, mit unserer Gesellschaft, Historie und Literatur auseinandersetzen zu können und dies als Arbeitsmaterial zu haben.

Die Theater haben wenig Geld zur Verfügung. Wie können die Bühnen in Zukunft überleben?

Schiefner: Wir werden uns davon verabschieden müssen, dass die kommunale Förderung alleine für Kultur und Theater zuständig ist. Die Bezahlung muss also privat erfolgen. Die zentrale Frage ist und bleibt doch, welchen finanziellen Wert die Künstler für eine Gesellschaft haben. Wenn die Menschen Künstler und Kultur für unabdingbar halten, müssen sie dafür bezahlen.

Sollen Spenden und höhere Eintrittspreise die Finanzierung sichern?

Schiefner: Wenn die Leute ins Theater kommen, dann wollen sie fantasievoll berührt werden, einen Austausch und Kommunikation mit dem Schauspieler und dem Stück erfahren. Wenn ich als Schauspieler eine Haltung zum Stück habe, diese im Spiel zeige und der Zuschauer sich emotional darauf einlässt, tritt eine Kommunikation zwischen Schauspieler und Publikum ein. Ob das Publikum klatscht, buht oder das Theater verlässt – der Zuschauer setzt sich dann mit dem Inhalt auseinander. Dann bleibt es nicht austauschbar. Das müssen wir in Zukunft wieder erreichen. Das geht aber nur, wenn der Schauspieler seine Haltung zum Ausdruck bringen kann, das auch gelernt hat und sich in den kollektiven Entstehungsprozess einer Aufführung einbringen kann. Und genau das ist Bestandteil der Ausbildung bei uns auf dem Campus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort