Heiligabend bei der Flak Ilse Niemeyer wertet die Weihnachtsbriefe ihres Vaters von 1940 aus

ALFTER-IMPEKOVEN · Jahrzehntelang lagen sie in einer Kiste auf dem Speicher des Hauses von Anita Fischer im westfälischen Waltrop. Beim Aufräumen entdeckte sie die Briefe, die ihr Vater Hans Koch Weihnachten 1940 als Soldat an ihre Mutter Klara geschrieben hatte. Und weil die Erforschung der Familiengeschichte Sache ihrer Schwester ist, landeten die Briefe bei Ilse Niemeyer in Alfter-Impekoven.

 Ilse Niemeyer liest die Briefe, die ihr Vater Hans Koch Weihnachten 1940 als Soldat an ihre Mutter Klara schrieb.

Ilse Niemeyer liest die Briefe, die ihr Vater Hans Koch Weihnachten 1940 als Soldat an ihre Mutter Klara schrieb.

Foto: Hans-Peter Fuss

Die 66-Jährige hat den Schriftverkehr zwischen ihren längst verstorbenen Eltern jetzt gelesen, sortiert und die zum Teil in Sütterlin-Schrift verfassten Zeilen ins Reine geschrieben. Das Papier ist zwar etwas vergilbt, aber noch gut erhalten.

Es war das erste Weihnachtsfest, das der damals 34-jährige Schneidermeister Hans Koch als Soldat fernab seiner westfälischen Heimat in Berlin verbringen musste. Er tat als Gefreiter Dienst bei einer Flak-Einheit und bekämpfte britische Flugzeuge, die nachts die Hauptstadt angriffen. Mit Datum vom 21. Dezember 1940 schreibt er: "Die Tommys haben Bomben abgeworfen über dem Lustgarten. Aber der Tommy hat von uns auch was abbekommen."

Hans Koch bediente einen Scheinwerfer, der den nächtlichen Himmel über Berlin nach feindlichen Flugzeugen absuchte. Er war Anfang 1940 eingezogen worden und nahm im Mai/Juni zunächst am Feldzug gegen Frankreich teil und später auch am Krieg in Russland.

"Laßt Eure Augen zum Lichterbaum gehen, denn darin kannst Du, liebe Mami, den Papi sehn. Das ist die Freude, die ich Euch bereiten kann, laß nicht aufkommen einen traurigen Kram. Denn Weihnacht zu feiern mit Söhni daheim (leider aber auch das erste direkt mit Söhni allein), muß für Dich liebe Mami, wenn auch ohne Papi, eine große Freude sein", schreibt Hans Koch auf seiner dem Brief vom 21. Dezember beigelegten Weihnachtskarte.

Und weiter: "Darum feier 1940 das Fest mit Hans-Dieter (leider allein). Im nächsten Jahr zieht mehr Freude ein, dann wird Euer Papi bei Euch sein." Dazu kam es leider nicht, denn Hans Koch sah seine Familie erst im Jahr 1943 wieder, als er Heimaturlaub von der russischen Front bekam.

Am 18. Dezember berichtet Hans Koch von der Winterkälte und den häufigen Stellungswechseln: "Hier frieren einem die Ohren. Am Montag haben wir mit unserem Wagen sechs Stunden auf der Stelle gelegen. Er wollte nicht laufen. Dem gefällt das auch nicht mehr, ewig Stellungswechsel. Wer weiß, wie lange wir jetzt hier bleiben. Man spricht von 3 Wochen, da sind wir gespannt." Dann schildert er, dass er ein Weihnachtspäckchen "von der Partei" bekommen habe: "Spekulatius, 10 Zigaretten, Bonbons und 20 Rasierklingen".

Und er kündigt seiner Frau Klara an, er werde ihr zwei Tafeln Schokolade zu Weihnachten schicken. Und er ermuntert seine Frau, ohne ihn an Weihnachten nicht traurig zu sein: "Mach Dich und Söhni an diesem Tag fein, dann kehrt bei Euch auch Weihnachten ein." Ilse Niemeyer sagt heute: "Die Briefe haben mich wieder daran erinnert, dass der Frieden, in dem wir leben, nicht selbstverständlich ist."

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