Haus der Alfterer Geschichte "Lass die Moleküle rasen..."

ALFTER · "Fast alles, was ich geworden bin, verdanke ich mir selber, einigen Privatpersonen und dem Zufall." Die lakonische Selbstbeschreibung von Christian Morgenstein über sein Leben hat das Alfterer Ensemble "Lautspuren" sehr einfallsreich und eindrucksvoll in einer szenisch-literarischen Collage zum Leben erweckt.

 "Der Flügelflagel gaustert": Die Schauspielerinnen Anika Brockmann und Elke Irene Scheuffele rezitieren nicht nur Texte von Christian Morgenstern, die setzen sie auch szenisch um.

"Der Flügelflagel gaustert": Die Schauspielerinnen Anika Brockmann und Elke Irene Scheuffele rezitieren nicht nur Texte von Christian Morgenstern, die setzen sie auch szenisch um.

Foto: Kohls

Im "Haus der Alfterer Geschichte" rezitierten die Schauspielerinnen und Sprachgestalterinnen Anika Brockmann und Elke Irene Scheuffele Briefe, Texte und Gedichte des Dichters und Übersetzers (1871-1914).

Unterstützt durch die kunstvolle Lichtführung des Regisseurs Marcus Pickering kombinierten sie Vortragskunst mit schauspielerischen Einlagen und Schwarzlichtszenen und brachten auf diese Weise das Publikum zum Staunen und Lachen. Fröhliche Urständ feierte beispielsweise die "heilige Unterhose", die sich "frei von ihrem Alltagslose, auf ihr wahres Selbst besinnt". Auf einem leuchtenden Leinennetz führten Kleidungsstücke aus dem Gedichtband "Galgenlieder" ihr Eigenleben, wo "Schränke öffnen sich allein, Schränke klaffen auf und spein Fräcke, Hosen aus und Kleider nebst den Attributen beider".

Auch Momente der Melancholie und Traurigkeit aus dem Leben des vielseitigen Schriftstellers werden nicht ausgespart, der als junger Mann an Tuberkulose erkrankte und zeit seines Lebens immer wieder zu Kuraufenthalten fahren musste: "So möcht ich sterben, Sonnengold im Haar! Der Kiel knirscht auf - und mich umarmt die Nacht." Morgenstern starb an den Folgen der Erkrankung bereits im Alter von 42 Jahren, hinterließ jedoch ein breites literarisches und poetisches Werk.

In der Auswahl des Ensembles "Lautspuren" fehlte auch Morgensterns Figur Palmström nicht, der wunderliche Dinge erlebt und Papier aus seinem Schube kunstvoll in der Stube verteilt. Viel Papier zerknüllten Brockmann und Scheuffele an diesem Abend, denn auch das Gedicht über das Butterbrotpapier im Wald wird als dramatische Show inszeniert. Gemäß dem Motto der Collage "gausterte" auch der "Flügelflagel" aus dem sprachwitzigen "Gruselett" des Dichters durch den Abend, und zum Schluss gaben die beiden Schauspielerinnen gern Morgensterns Empfehlung weiter: "Lass die Moleküle rasen ... heilig halte die Ekstasen."

Das nahm das Publikum durchaus wörtlich mit lang anhaltendem Applaus. Es erklatschte sich so noch eine Zugabe.

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