Integration Mit 13 von Syrien nach Oedekoven

Alfter-Oedekoven · Als Minderjähriger auf der Flucht: Friseurmeister Imad Rahi aus dem Libanon und Obyda Yasin, der sich vom ostsyrischen Deir ez-Zor allein ins Vorgebirge schlug, berichten.

 Imad Rahi und Obyda Yasin sind nach Deutschland geflohen.

Imad Rahi und Obyda Yasin sind nach Deutschland geflohen.

Foto: Sebastian Laubert

Zwei Länder, zwei Generationen. Zwei Menschen, die vor dem Krieg durch die halbe Welt geflohen sind, noch bevor sie erwachsen waren. Vor mehr als 30 Jahren kam Friseurmeister Imad Rahi (47) aus dem Libanon nach Deutschland. Er führt heute einen Friseursalon in Oedekoven. Damals war er 15, in seinem Heimatland herrschte der Bürgerkrieg. Seine sieben Jahre älteren Brüder waren beim Militär, auch Imad war fasziniert von Uniformen und Gewehren und hätte seinen Brüdern wohl nachgeeifert. Wäre da nicht seine Mutter gewesen, die das kritisch sah und ihrem Sohn andere Perspektiven eröffnen wollte.

Rahis einzige Schwester, die damals 25-jährige Najad, lebte bereits in Deutschland und studierte in Bonn. „Er soll rüberkommen“, sagte sie, „hier hat er eine Perspektive“. Hundertprozentig begeistert sei er nicht gewesen, sagt Rahi, musste er doch alles zurücklassen, was er kannte. Dennoch ergreift er die Chance auszureisen, als ein Freund seines Bruders, ein Reifenhändler, geschäftlich nach Deutschland muss.

Gemeinsam fahren sie per Schiff von der libanesischen Hafenstadt Jounieh nahe Beirut nach Larnaka auf Zypern. Rahi: „In dieser Zeit sind viele geflüchtet, Zypern hat auch viele aufgenommen.“ Er selbst fliegt weiter nach Deutschland und fährt dann vom Frankfurter Flughafen mit der Bahn nach Endenich zu seiner Schwester, die in einem Studentenwohnheim lebt.

„Dann ging es mit dem neuen Leben los“, so Rahi. Ein Jahr lang besucht er eine Internationale Klasse am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium in Bad Godesberg, um Deutsch zu lernen. Zuerst ist es schwierig – er vermisst seine Großfamilie, seine Freunde. Leichter wird es, als der maronitische Christ auf das erzbischöfliche Collegium Josephinum kommt, ein Internat in Bad Münstereifel. Der damalige Prälat sei wohl fasziniert gewesen, dass er alleine gekommen sei und sich in Deutschland zusammen mit seiner Schwester durchschlagen wollte, meint Rahi. Er hilft ihm, insbesondere auch im Umgang mit der Ausländerbehörde.

„Im Internat habe ich eine gute Gemeinschaft erlebt“, sagt Rahi. Wird er gefragt, was wichtig ist für junge Flüchtlinge, um sich zu integrieren, sagt er: „Gute Deutschkenntnisse sind das A und O. Und die jungen Leute sollen in Vereine gehen. Da bekommt man Kontakte, und es ist fast wie eine Familie.“ Seine Erfahrungen gibt er weiter, indem er Flüchtlingen aus Syrien hilft. So wie Obyda Yasin, der 2015 mit nur 13 Jahren aus Syrien flieht. Wenigstens einer aus der Familie sollte aus dem Kriegsgebiet heraus, meinte sein Vater, der mit der Mutter und den vier Schwestern im Alter von zwei, zehn, zwölf und 16 Jahren noch im ostsyrischen Deir ez-Zor lebt. Schlepper zu bezahlen sei teuer, sagt Yasin, überdies habe man der jüngsten Schwester die gefährliche Reise nicht zumuten wollen.

Er musste sein Gepäck über Bord werfen

Mit einer Gruppe von insgesamt sechs jungen Männern schlägt er sich bis in die Türkei durch. Dort, so hatte sein Vater gemeint, könne er arbeiten, zum Beispiel Fenster putzen. Das stellt sich schwieriger heraus als gedacht – und so beschließt Yasin nach einem Monat, nach Deutschland weiter zu ziehen. In Alfter lebt bereits sein Onkel Aid Yasin.

Im türkischen Izmir bieten ihm Schlepper eine Passage nach Griechenland an. 45 Leute fahren auf einem Schlauchboot, das eigentlich nur für 35 Leute ausgelegt ist. Für das Gepäck ist kein Platz, er muss es ins Meer werfen. Vier lange Stunden fahren sie bis Samos – ein Alptraum, denn mit ihnen fährt die Angst, dass das überladene Boot untergeht. Über den Landweg geht es von Griechenland aus weiter. In Österreich muss Yasin mit anderen Flüchtlingen drei Tage ins Gefängnis. „Es wurde gesagt, Deutschland nimmt keine weiteren Flüchtlinge mehr auf.“ Schließlich darf er mit dem Zug weiterreisen und kommt im Oktober 2015 in Stuttgart an.

„Ich muss ihn auf jeden Fall rüberholen“, sagt sein Onkel Aid Yasin, den Obyda angerufen hat. Kurzerhand fährt er mit dem Zug nach Süddeutschland und bringt seinen Neffen nach Alfter. Hier wird Obyda registriert, und hier kümmert sich das Jugendamt um ihn. Zunächst vermittelt es ihn an eine Wohngemeinschaft für Jugendliche in Siegburg.

Als sein Onkel eine eigene Wohnung in Oedekoven hat, zieht er zu ihm. Heute besucht er die Hauptschule in Endenich und hat dort die Internationale Klasse abgeschlossen, um Deutsch zu lernen. Mit dem neuen Schuljahr wechselt der 15-Jährige in die reguläre neunte Klasse. Er ist begeistert, von der Hilfe durch das Jugendamt ebenso wie von den vielen ehrenamtlichen Helfern: „Die Menschen sind sehr nett, ich war am Anfang überrascht, wie groß die Hilfe war.“

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