Alfterer Rathaus Selbsthilfegruppe "Wir sind auf Augenhöhe" will psychisch Kranken Mut machen

ALFTER-OEDEKOVEN · Angst, Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit und Panikattacken - die Krankheitsbilder seelisch erkrankter Menschen sind vielfältig. Zudem finden in der Gesellschaft häufig Diffamierung, Vorverurteilung und Ausgrenzung statt. Die Folgen bei den Betroffenen sind oft Rückzug, Scham und der Fall in ein immer größer werdendes, tiefes Loch.

 Seelisch erkrankte Menschen haben oft nicht nur mit ihrer Krankheit, sondern auch noch mit Ausgrenzungen und Vorverurteilungen der Gesellschaft zu kämpfen.

Seelisch erkrankte Menschen haben oft nicht nur mit ihrer Krankheit, sondern auch noch mit Ausgrenzungen und Vorverurteilungen der Gesellschaft zu kämpfen.

Foto: Wolfgang Henry

Bei Hannes Schuck waren es vor allem der berufliche Druck sowie die daraus resultierende zerrüttete Ehe, die ihn lange Zeit in eine schwere Depression rissen. Inzwischen völlig gesund, will er nun vor allem eines: Aufklären. "Wir werden als Irre ausgeschlossen. Daher ist es wichtig, Vorurteile aus der Welt zu schaffen und besonders Betroffenen sowie der Gesellschaft deutlich zu machen, dass psychische Erkrankungen keine Tabuthemen sind und sein dürfen", so Schuck.

Seit etwa drei Jahren ist Hannes Schuck Sprecher der im Jahr 2001 von dem bereits verstorbenen Rolf-Werner Käsgen gegründeten Selbsthilfegruppe "Seele und Freund", ein Zusammenschluss Psychiatrie-Erfahrener aus dem Rhein-Sieg-Kreis und Bonn.

Unter dem Motto "Wir sind auf Augenhöhe" veranstaltete die Gruppe, die derzeit 28 Mitglieder hat, bereits ihre zweite Podiumsdiskussion mit Expertenrunde und Betroffenen im Ratssaal des Alfterer Rathauses. Damit beteiligten sich die Mitglieder an der bundesweiten Woche der seelischen Gesundheit.

Im Vordergrund der Veranstaltung standen die gesellschaftliche Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Handicaps. "Wir sind keine Monster. Wir sind nur in manchen Dingen etwas anders. Dennoch haben wir den gleichen Respekt verdient wie jeder andere", sagte Schuck. Nachweisbar könne Depression jeden treffen.

"Viele verfallen ihr, sobald sie merken, dass sie nicht nach der gesellschaftlichen Norm funktionieren." Daraus resultiere ein Gefühl von Minderwertigkeit. "Es herrscht oft eine Diskrepanz zwischen dem, was wir leisten und Können und dem, was wir selbst oder andere von uns fordern", erklärt Uwe Neyer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Bonn.

Unter zu starkem Leistungsdruck im Berufsleben stand auch der ehemalige Rechtsanwalt Richard Romberg, der ebenfalls Mitglied in der Selbsthilfegruppe ist. Nach 14 Jahren im Beruf sah sich Romberg nicht mehr in der Lage, den Anforderungen in diesem Beruf Stand zu halten.

"Ich hatte mich über die Jahre an die Krankheit gewöhnt. Und wollte bis zu meinem Zusammenbruch immer mehr schaffen, als ich konnte", berichtet Romberg auf sehr emotionale Weise. Das Gefühl von Scham trieb ihn in die Vereinsamung.

Heute aber kann er sagen: "Man kann es schaffen". Dabei geholfen hat ihm besonders der Austausch mit Betroffenen unter dem Aspekt "Hilfe zur Selbsthilfe". Dieser war es auch, der Hannes Schuck nach langjähriger Depression wieder in die "Mitte des Lebens" zurückkehren ließen. Einen Versuch, sich das Leben zu nehmen, hatte Schuck zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich.

"Wirkliche Tipps für die Bewältigung des Alltags und der Krisenzeiten können einem aufgrund ihrer Erfahrungen nur Betroffene geben", erläutert Schuck, der erst lernen musste, ohne jegliche Reue auch mal "Nein" zu sagen. Sein Rezept für ein neues, selbstbestimmtes Leben: "Man muss sich und anderen Grenzen setzen, sich selbst so akzeptieren wie man ist, und der eigenen Erwartungshaltung Vorrang vor anderen einräumen."

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