SPD-Ratsmitglied aus Alfter Uwe Tarnow zieht sich aus gesundheitlichen Gründen aus Kommunalpolitik zurück

ALFTER · "Jetzt geht es beim besten Willen nicht mehr." Uwe Tarnow, der für die SPD erstmals 1975 einen Platz im Alfterer Rat einnahm, zieht sich aus der Kommunalpolitik zurück. Er leidet seit 14 Jahren an der Parkinson-Krankheit. Am Donnerstagabend nahm der 72-Jährige, der seit anderthalb Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist, ein letztes Mal an der Ratssitzung teil.

 Zu Hause in Impekoven: Uwe Tarnow (72) ist ein Familienmensch, der die Lyrik schätzt. Er hat mehrere Gedichte und ein Hörbuch veröffentlicht.

Zu Hause in Impekoven: Uwe Tarnow (72) ist ein Familienmensch, der die Lyrik schätzt. Er hat mehrere Gedichte und ein Hörbuch veröffentlicht.

Foto: Wolfgang Henry

Mit lang anhaltendem Applaus verabschiedeten sich die Ratsmitglieder von Tarnow, der in aller Offenheit bekannt hatte: "Mein Gesundheitszustand hat sich in den letzten eineinhalb Jahren drastisch verschlechtert. Ich habe mich bemüht, auch als Behinderter meine Arbeit gut zu machen. Doch meine frühere Spitzigkeit ist nicht mehr abrufbar."

Eigentlich wollte Tarnow, der in Magdeburg aufgewachsen ist, Pfarrer werden. "Das war der einzige freie Beruf, in den sich der Staat nicht einmischte", beschreibt er die Verhältnisse in der früheren DDR. "Ich wollte so etwas sein wie ein Arbeiterpriester." Doch bevor er in Halle mit dem Studium der evangelischen Theologie begann, absolvierte er eine Lehre als Chemielaborant. Diese Ausbildung sicherte ihm später im Westen seine berufliche Existenz. Eher unvorhergesehen wurde ein geplanter Besuch in Krefeld bei seiner Braut Rosemarie, mit der er inzwischen 50 Jahre verheiratet ist, zu einer Reise ohne Wiederkehr nach Halle.

Es war am 11. August 1961, zwei Tage vor dem Mauerbau, als Tarnow in Berlin wegen einer Besuchsgenehmigung im Innenministerium vorsprechen wollte. Es war 17.45 Uhr. Zu spät. "Kommen Sie morgen wieder", beschied ihm der Pförtner. Tarnow setzte sich in die U-Bahn und wollte zu einem Cousin nach Ost-Berlin. Dort kam er nie an. Die U-Bahn fuhr ein Stück durch West-Berlin, und Tarnow nutzte die Gelegenheit zum Ausstieg. Ein Onkel in West-Berlin spendierte ihm das Geld für einen Flug nach Hannover, von wo Tarnow nach Krefeld trampte.

Vom Westen aus erlebte er die ersten Tage des Mauerbaus, wollte aber zurück in den Osten. Er führte einen offiziellen Briefwechsel mit dem Dekan seiner Universität, der ihm verständnisvoll versicherte, dass er sein Studium in Halle fortsetzen könne. Gleichzeitig schickte ihm der Dekan jedoch auch eine Postkarte, die eine verschlüsselte Botschaft enthielt und sinngemäß aussagte: "Junge, bleib, wo Du bist." Tarnow blieb, nahm in Bonn und Bethel sein Theologiestudium wieder auf und hängte es später doch an den Nagel.

Nach der Heirat 1963 und der Geburt des ersten Sohnes in Bonn reichte das Geld nicht. "Christsein kannst Du auch ohne Pfarramt", sagte sich Tarnow und sicherte fortan als Chemielaborant das Auskommen seiner Familie, die sich wenige Jahre später durch die Geburt eines zweiten Sohnes vergrößerte. 19 Jahre lang pendelte Tarnow in den Kreis Düren zur Rheinischen Wellpappenfabrik nach Kreuzau.

Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes dort wurde er 1989 Gewerkschaftssekretär für die IG Metall in Potsdam, bis er von 1993 bis zu seinem Vorruhestand 1998 als erster Bevollmächtigter die Geschäfte der Bonner IG Metall führte. "Ich war selten zu Hause", bekennt Tarnow. Denn neben dem Job gab es immer vielfältige und wechselnde Herausforderungen für gewerkschaftliches, kommunalpolitisches, kirchliches und hochschulpolitisches Engagement. Tarnow nahm sie an.

Seinen Einsatz als Sozialdemokrat für die Gemeinde Alfter, in der er mit seiner Familie seit 1979 lebt, konnte er dabei berufsbedingt nicht lückenlos aufrechterhalten. Im Rat saß Tarnow von Mai 1975 bis Dezember 1978, von Oktober 1989 bis Februar 1992 und dann wieder ab Oktober 1999 bis jetzt. Die Mitarbeit im Wirtschaftsförderungsausschuss hat ihm seinerzeit besonders viel Freude gemacht.

Ein besonderes Gefühl für Sprache und Rhythmus hat ihm zudem eine lebenslange Liebe zur Lyrik eingebracht. Mehrere Gedichtbände und ein Hörbuch hat Tarnow veröffentlicht und daraus gern und oft auch bei öffentlichen Veranstaltungen vorgetragen.

Neben seiner Familie zählt das Schreiben neuer Gedichte nun zu den größten Freuden in seinem gesundheitlich eingeschränkten Alltag. Damit möchte er die fröhlichen Menschen erreichen, "damit sie ihre Fröhlichkeit und Freude erhalten und die Welt erhellen". Tarnow will aber auch die Bedrückten ansprechen, "damit sie sich aufrichten können und neue Hoffnung empfangen".

Und nicht zuletzt richtet sich Tarnow mit seiner Lyrik auch an die Gleichgültigen und Skeptiker, "damit sie ein wenig ins Stolpern geraten, auf dass dann unverhofft fantastische Dinge geschehen, direkt vor ihrer Nase".

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