Sprecherziehung in Alfter Von der Fistelstimme zur kräftigen Sprechfarbe

ALFTER · Sie ist das Kommunikationsmittel Nummer eins: die Stimme. Im Interview mit unserer Redaktion sprach Suzanne Ziellenbach, Professorin für Sprecherziehung und Schauspiel an der Alanus Hochschule in Alfter, über die Bedeutung von Stimme und Sprache.

 Professorin Suzanne Ziellenbach in einem Probenraum auf dem Campus I (Johannishof) der Alfterer Alanus Hochschule.

Professorin Suzanne Ziellenbach in einem Probenraum auf dem Campus I (Johannishof) der Alfterer Alanus Hochschule.

Foto: Roland Kohls

Frau Professor Ziellenbach, welche Rolle nimmt die Stimme in der Gesamterscheinung eines Menschen ein?
Suzanne Ziellenbach: Stimme und Sprache sind ein wesentlicher Teil der Ausdruckskraft und der Persönlichkeit. Es gibt viele Menschen, bei denen der Stimmausdruck aber nicht die Persönlichkeit in einer guten und runden Weise widerspiegelt. Dann fehlt die Übereinstimmung zwischen dem Ausdruck und dem, was der Mensch ist.

Sie sind Professorin für Sprecherziehung und Schauspiel. Was genau bringen Sie Ihren Studenten bei?
Suzanne Ziellenbach: Ich bringe Schauspielern oder anderen Berufssprechern bei, wie sie ihren Sprechausdruck entfalten, damit die Persönlichkeit hörbar wird. Einer der Urväter der Sprechererziehung, Egon Aderhold, hat einmal gesagt: "Atmen und Stimme formen die Persönlichkeit. Sie zu bilden, ist ein Vorgang, bei dem der Mensch reift." Wenn ich also mit Menschen an der Stimme und dem Sprechausdruck arbeite, reift auch deren Persönlichkeit. Sie lernen, in bestimmten Situationen mit der ganzen Stimmkraft hinter ihrer Äußerung zu stehen. Sie lernen Wärme und Einfühlungsvermögen hörbar zu machen. Wir trainieren den Körper so, dass er auf seelische Impulse reagiert und bei einem Sprechausdruck mitgeht. Die Stimme folgt dem Körper.

Wann spricht man von einer angenehmen Stimme?
Suzanne Ziellenbach: Das Wort Persönlichkeit kommt vom lateinischen "personare", was so viel heißt wie "durchklingen". Wenn das, was ein Mensch fühlt und denkt, in Stimme und Sprache hörbar ist, wird es als stimmig empfunden. Und was stimmig ist, ist angenehm. Die Stimme muss an den seelischen Ausdruck und den Körperausdruck angebunden sein.

Zum Thema Körper: Es kommt ja auch vor, dass etwa ein sehr kräftiger Mensch eine Fistelstimme hat.
Suzanne Ziellenbach: Bei diesem Menschen sind möglicherweise die Resonanzräume im Körper nicht schwingungsfähig. Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen. Aber man kann daran arbeiten, dann hört das Fisteln auf. Die Stimme wird voller. Jeder Mensch kann die Schwingungsfähigkeit seines Körpers ausbauen. Dann ist er mit seiner Stimme auch durchsetzungsfähiger, sie bekommt andere Farben und ist belastbarer.

Trifft das nur auf Schauspieler zu?
Suzanne Ziellenbach: Es gibt viele Menschen, die ihren Beruf sprechend ausüben, etwa Lehrer oder Verkäufer. Auch solche Berufsgruppen sollten sich bewusst sein, dass sie ihre Stimme trainieren können. Viele Menschen tun etwas für ihre persönliche Fitness. Aber wenige kommen auf die Idee, am Ausdruck der Stimme zu arbeiten. Der Mensch wird aber kompletter, wenn er sich damit beschäftigt.

Das heißt, wenn ich etwas Wichtiges zu sagen habe, es aber herunterleiere, kommt es nicht an.
Suzanne Ziellenbach: Das kann man so sagen. Weil Anliegen und Sprechausdruck nicht im Verhältnis stehen. Und wir alle kennen Menschen, bei denen Körperausdruck, Stimme und Sprechen eine Einheit bilden.

Tag der Stimme

Der internationale Tag der Stimme findet jährlich am 16. April statt und soll auf die Bedeutung der Stimme für das tägliche Leben hinweisen. Initiiert wurde er 1999 von amerikanischen und europäischen Hals-Nasen-Ohren-Ärzten sowie Sprachpathologen.

Zur Person

Suzanne Ziellenbach (Jahrgang 1960) ist Professorin für Sprecherziehung und Schauspiel an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter. Ziellenbach studierte Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte und absolvierte ein Studium der Sprecherziehung an der Universität Münster sowie Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart.

Sie hat in Film-, Fernseh- und Hörspielproduktionen mitgearbeitet und unterrichtet seit 25 Jahren Schauspieler und alle Arten von Berufssprechern.

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