Kaugummiautomaten in der Region Alte Hülle, neuer Inhalt

Region · Kindheitserinnerungen setzen sich für die meisten Menschen aus vielen kleinen Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild zusammen. Das Lieblingseis, der Geruch bei den Großeltern, vielleicht auch der Schulweg. Und auf diesem gab es für viele immer noch ein ganz zentrales Objekt, das mit Kindheit in Verbindung gebracht wird: Kaugummiautomaten. In vielen Orten hängen sie noch heute. Selbst in den überschaubarsten Dörfern im Vorgebirge, meist strategisch günstig an kleinen Geschäften oder in Wohnstraßen.

Einige sehen etwas verlottert aus, weil sie im Laufe der Jahre Wind und Wetter getrotzt haben, der Lack abgekratzt ist oder Kunststoffteile angeflämmt wurden. Doch eines hat sich wohl nicht geändert: das Gefühl, wenn der Groschen, beziehungsweise heute der Eurocent, gefallen ist, das Rädchen gedreht wird und der Kaugummi sich rollend seinen Weg bis in die Hand bahnt. Natürlich ist er hart, gerade in den kälteren Monaten, und muss im Mund erst aufgewärmt und angeweicht werden, bevor die bunte Kugel zu dem wird, was sie dem Namen nach vorgibt zu sein: Kaugummi eben.

"Für Kinder ist das immer wieder ein Erfolgserlebnis. Und eines der ersten Kauferlebnisse überhaupt", erklärt Wolfgang Küper, was auch heute noch die Faszination dieses irgendwie aus der Zeit gefallenen Gegenstands ausmacht. Küper muss es wissen. Seit 15 Jahren betreut er von Bochum aus rund 7000 Automaten zwischen Dortmund, Trier und dem Westerwald. Auch im Vorgebirge hat der Automatenaufsteller viel zu tun. Alle vier bis sechs Monate sieht er jeden einzelnen Automaten wieder. Dann nimmt er den eigentlichen Automaten, den Kunststoffspender, aus dem Metallkasten heraus und ersetzt ihn mit frisch befüllter Ware. Küper hat dafür feste Fahrtrouten, die er abarbeitet. 50 000 Kilometer kommen da schnell zusammen im Jahr. Der Rentner hat sich einen Familienvan umgebaut. Vorne er, hinten zig neue Automaten.

Früher hatte Küper einen großen Betrieb. Seit 15 Jahren ist er Automatenaufsteller. "Weil ich nicht ruhig sitzen konnte", sagt er. Besonders in ländlichen Gebieten hängen noch viele Automaten. Zehn bis 20 Cent kostet eine Kugel Kaugummi heute. 50 Cent bis ein Euro muss für Spielwaren oder Kunststoffschmuck investiert werden, der sich meistens in der zweiten Kammer befindet. "Da schmeißen dann auch die Mütter hin und wieder mal etwas rein", freut sich Küper. Doch es gibt auch negative Seiten. Der Vandalismus hat laut Küper zugenommen. "Die Dumme-Jungen-Streiche sind nicht schlimm. Aber teilweise werden die Automaten aufgebrochen oder gleich komplett aus der Wand gerissen", klagt er.

Viel mehr noch als für Kriminelle scheinen Kaugummiautomaten ihren Reiz für Kinder bewahrt zu haben. Mitte Mai wurde allein von zwei Kindern in Österreich gemeldet, sie seien mit dem Arm in einem solchen Automaten stecken geblieben, weil der trotz Geldeinwurfs nicht geliefert hatte. Die Automaten mussten aufgebrochen werden, die Kinder blieben unverletzt.

In Deutschland ist vor allem der Westen eine Hochburg der Kaugummiautomaten. Sie kamen nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Siegeszug des Kaugummis auf. Heute ist der Trend eher rückläufig. Wolfgang Küper hat in seinem Revier trotzdem noch zwei Konkurrenten. Das Geschäft lohnt sich noch, auch wenn er eine Miete an die Hausbesitzer zahlen muss, an deren Fassaden die Automaten angebracht wurden. "Es ist ein gutes Zubrot", sagt Küper. Wie viel ein Automat abwirft, möchte er nicht sagen. Für einen Kaugummi wird es allemal reichen.

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