Bornheimer Übergangsheim Auf der Flucht vor dem Terror

BORNHEIM · Aleppo, Rakka und Homs: Syrische Städte, die für Terror, Tod und Vertreibung stehen. Selten weiß man mehr über die Kultur des an Israel und Jordanien grenzenden Landes und der dort lebenden Menschen.

 Insgesamt sieben Menschen wohnen in der Dreizimmerwohnung an der Brahmsstraße. Fünf von ihnen haben sich für das Foto in der Küche des Heims getroffen.

Insgesamt sieben Menschen wohnen in der Dreizimmerwohnung an der Brahmsstraße. Fünf von ihnen haben sich für das Foto in der Küche des Heims getroffen.

Foto: Stefan Hermes

Sie müssen zu einem großen Teil die Hoffnung aufgeben, unter dem al-Assad-Regime und dem mörderischen Vorgehen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in ihrer Heimat leben zu können. Die Zerstörungen der Städte sind verheerend. Nicht nur die kulturellen Schätze werden unwiederbringlich vernichtet, sondern auch die Wohnungen und Geschäfte, die Existenzgrundlagen der Bewohner, von denen viele versuchen, ihre Heimat zu verlassen - und so auch ins 3000 Kilometer entfernte Vorgebirge gelangen.

Im Flüchtlingsheim in Bornheim: Nicht alle Bewohner möchten ihre Namen in der Zeitung veröffentlicht sehen. Jene, die aus Syrien stammen, haben Sorge, dass sie über ihre Namensnennung weitere Repressalien erfahren könnten. Mahmut (Name von der Redaktion geändert) ist Mediziner, der seine Facharztausbildung zum Orthopäden abbrechen musste. Die Überlebensstrategie hätte für ihn bedeutet, sich der IS anzuschließen, wie es viele in der heimlichen Hauptstadt der IS, Rakka, bereits getan haben.

Nun sitzt er, der sympathische, perfekt Englisch sprechende und arbeitswillige Arzt tatenlos in Merten und wartet auf die Bewilligung seines Asylantrages. Für ihn und die anderen Flüchtlinge an der Brahmsstraße gibt es keinen Grund, morgens aufzustehen. Es erwartet sie nichts und niemand. Wenn sie das Haus verlassen, werden sie selten gegrüßt. Es gibt kaum freundliche Worte. Sie sind mittellose Fremde in einem reichen Land. Man sagt ihnen, dass das Erlernen der deutschen Sprache der "Schlüssel" zu allem sei. Eine private Initiative hat es möglich gemacht, dass die auf Anerkennung ihres Asylantrages wartenden Flüchtlinge jeden Mittwoch einen Deutschkursus besuchen können. Einmal pro Woche für 90 Minuten.

Familie Bajramovic kommt aus Serbien. Allen ist 14 Jahre alt. Auch er sitzt, bis auf die 90 Minuten am Mittwoch, beschäftigungslos an der Brahmsstraße und wartet auf etwas, das er kaum richtig beschreiben kann. Die Europaschule hat ihn abgelehnt, da er kein Deutsch spricht. Auch ihm, dem so liebenswert auftretenden jungen Mann, wird keine Chance gegeben, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Seiner 19-jährigen Schwester Sophia droht die Abschiebung, weil ihre dreimonatige Aufenthaltserlaubnis in Kürze abläuft.

Eine Delegation mehrerer Flüchtlingsräte, Roma-Organisationen, Anwältinnen und Anwälte hat sich Mitte des Jahres in Serbien über die Lage der Roma informiert. In einer von Pro Asyl veröffentlichten Presseerklärung heißt es: "Wir haben mit dem Leiter der Behörde gesprochen, die für die Wiedereingliederung der Abgeschobenen zuständig ist. Wir haben erlebt, wie er uns vor laufender Kamera versicherte, in Serbien müsse kein Rückkehrer in Wäldern oder unter Brücken schlafen. Nur wenige Stunden später wurde uns beim Besuch der informellen Siedlung Vidikovac am Stadtrand von Belgrad bewusst, dass dies in einem sehr zynischen Sinne sogar stimmte: Vidikovac besteht aus ,Häusern' aus Sperrmüll und Pappe und steht nicht im Wald oder unter einer Brücke, sondern am Rande eines offenen Feldes. Viele Menschen dort sprechen fließend Deutsch: Sie sind jahrelang in Deutschland gewesen, dort geboren und aufgewachsen."

"Das Warten ist das Schlimmste", meint Rami, der Aleppo verlassen musste. Sein Juwelier-Geschäft im Stadtzentrum wurde zerbombt. Seine Existenz vernichtet. Niemanden kann er dafür verklagen. Er ist geflohen, weil er sich in Europa Arbeit erhoffte, um seine Frau und seine beiden Kinder ernähren zu können. Man muss sich Sorgen um Rami machen, der kaum noch Nahrung zu sich nimmt. Essen kan er nicht, wenn er an seine hungernde Familie denkt. Zurzeit wartet er auf die Entscheidung, hier arbeiten zu dürfen. Ein Anwalt vertritt ihn. Man hat ihm gesagt, dass er mit einer Antwort im April nächsten Jahres rechnen könne.

Azbija ist die Mutter von Sophia und Allen. Sie ist ein Glücksfall für die sieben Mitglieder umfassende Gemeinschaft in der Dreizimmerwohnung. Sie bekocht ihre Mitbewohner und ist ein kleiner Anker im ansonsten haltlosen Zustand. Auch wenn man keine gemeinsame Sprache hat, versteht man sich gut.

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