Interview mit Wolfgang Henseler Bornheims Bürgermeister kritisiert Vorgehen von Verdi

Bornheim · Im Jahresinterview mit dem GA kritisiert Bürgermeister Wolfgang Henseler Verdis Klagen gegen die verkaufsoffenen Sonntage. Außerdem sprach er über die Entwicklung von Wohn- und Gewerbeflächen und seine Forderungen zum Thema Flüchtlinge.

Herr Henseler, was war der schlimmste Termin für den Bornheimer Bürgermeister im Jahr 2018?

Wolfgang Henseler: Oh, jetzt muss ich überlegen… Das waren die traurigen Termine, etwa die Beerdigung des ehemaligen Stadtdirektors Friedhelm Hüppe. Der Unfall der Walberberger Junggesellen hat mich sehr mitgenommen oder auch ein Unfall am Rande des Stadtgebiets, bei dem Erntehelfer betroffen waren. Grenzwertig fand ich auch die Erfahrungen mit den Jugendlichen, die nachts am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium ihr Unwesen getrieben hatten.

Was waren positive Termine?

Henseler: Ganz, ganz viele – etwa beim Bornheimer Kulturforum, dessen Vorsitzender ich dieses Jahr wurde. Viel Spaß habe ich auch am Karneval. Ich habe schon das Bild beim nächsten Tollitätentreff vor Augen, wenn acht Bornheimer Tollitäten plus die Tollitäten der Bonner Werkstätten auf der Bühne stehen. Dazu kommen die vielen „kleinen“ Veranstaltungen wie Ehejubiläen, bei denen man mit den Bürgern ins Gespräch kommt.

Stichwort Karneval. Wird die Stadt durch die Ausweitung des Glasverbots von Roisdorf, Waldorf und Kardorf auf Sechtem zum Spaßverderber?

Henseler: Ich glaube nicht, dass das Glasverbot den Spaß am Karneval verdirbt. Ganz im Gegenteil. Wenn man über ein Scherbenmeer geht, macht das keinen Spaß, ebenso wie Schnittverletzungen und Alkoholexzesse. Nicht nur das Glasverbot, sondern auch die Einsätze des Ordnungs- und Jugendamts sollen dazu dienen, dass alle, die Karneval richtig feiern wollen, daran Spaß haben.

Ist es also denkbar, das Glasverbot noch mehr auszuweiten?

Henseler: Vier Ortschaften zu kontrollieren, ist ein hoher personeller Aufwand. Da sind wir sicherlich an einer Grenze angekommen.

Wann steht der nächste verkaufsoffene Sonntag an?

Henseler: Im Frühjahr in Bornheim-Ort zum Spargelfest. Insgesamt wollen wir für 2019 drei verkaufsoffene Sonntage in Bornheim-Ort auf den Weg bringen sowie den Herseler Herbst. Dazu überlegen wir, ob es vielleicht einen verkaufsoffenen Sonntag in Merten gibt.

Das bedeutet für die städtischen Mitarbeiter dann Überstunden zur Erarbeitung einer rechtssicheren Verordnung.

Henseler: Das bedeutet eine Menge Arbeit. In der Ratssitzung im Februar sollen mindestens die verkaufsoffenen Sonntage für Bornheim-Ort beschlossen werden. Für den Herseler Herbst bleibt uns ein bisschen mehr Zeit.

Landauf, landab war Verdi mit Klagen gegen verkaufsoffene Sonntage erfolgreich. Muss das Land jetzt nicht die Gesetzgebung ändern?

Henseler: Man muss sich auf Landes- und Bundesebene Gedanken machen, wie man den stationären Einzelhandel gegenüber dem Internethandel stärken will. Aus meiner Sicht gehören verkaufsoffene Sonntage dazu. Sie bieten eine andere Einkaufsatmosphäre, müssen aber die Ausnahme bleiben. Vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr sollten pro Kommune erlaubt sein, ohne großen Aufwand für deren Begründung treiben zu müssen. So wie es im Moment läuft – mit kurzfristigen Klagen, Eilverfahren und Unsicherheiten für die Beteiligten –, kann es eigentlich niemand wollen.

Sozialdemokraten stehen Gewerkschaften traditionell nahe. Haben Sie als SPD-Politiker Verständnis für das Vorgehen von Verdi?

Henseler: Ich halte das Vorgehen von Verdi für überzogen, weil es etwa die Mitarbeiter in Möbelhäusern trifft, die gern an verkaufsoffenen Sonntagen arbeiten, weil sie dann mehr Geld verdienen. Kleine Geschäfte sind hingegen meist inhabergeführt und gar keine Verdi-Adressaten.

Welche Schwerpunkte wollen Sie im Doppelhaushalt 2019/20 setzen?

Henseler: Erste Priorität hat die Erfüllung des Haushaltssicherungskonzepts mit dem Ausgleich des Haushalts spätestens 2020. Das haben wir rechnerisch auf dem Papier geschafft, und es ist nach über 20 Jahren Haushaltssicherung eine tolle Leistung – von städtischen Mitarbeitern und vom Stadtrat. Es ist aber auch eine Leistung, die die Bürger über Steuern und Gebühren bezahlen. Weiterhin müssen wir in Infrastruktur investieren. Es geht um Schulen und Kitas, aber auch um Verkehrsinfrastruktur einschließlich des ÖPNV. Ebenso muss in den Brandschutz, den Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen investiert werden.

Es sind viele Neubaugebiete geplant. Wäre es nicht sinnvoller, die vorhandene Infrastruktur zu sanieren, bevor die Stadt neue schafft?

Henseler: Sagen Sie das mal den Menschen, die dringend eine Wohnung suchen. Dabei handelt es sich nicht nur um Menschen, die aus Köln und Bonn kommen, sondern auch um Personen von hier, die Probleme haben, preisgünstigen Wohnraum zu finden. Verbesserung und Ausbau müssen parallel geschehen.

Zur Wohnbauentwicklung kommt die Gewerbeentwicklung. Welche Chancen versprechen Sie sich von dem gemeinsamen Gewerbegebietsprojekt mit Alfter und Bonn?

Henseler: Das ist ein Projekt, das Firmen aus der Region eine Perspektive bietet. Für uns war es wichtig, dabei zu sein, um etwa Verkehrsfragen mit zu erörtern. Der Roisdorfer Bahnhof ist hervorragend zur Erschließung des Gebiets geeignet. Autoverkehr aus dem und in das Gewerbegebiet in Alfter wird über Bornheimer und Bonner Straßen geführt. Daher müssen wir uns abstimmen. Was die Gewerbeentwicklung in und für Bornheim betrifft, setze ich auf die eigenen Flächen in Hersel und Sechtem. Die Nachfrage ist sehr groß.

Und was sagen die Umweltverbände dazu?

Henseler: Die Konflikte, die sich aus Wohnraum- und Gewerbeentwicklung ergeben, müssen wir mit der Landwirtschaft und mit den Umweltverbänden abstimmen. Das ist immer eine große Herausforderung.

2019 ist es 50 Jahre her, dass innerhalb der Kommunalreform auch die Gemeinde Bornheim beziehungsweise die heutige Stadt Bornheim entstand. Ist das ein Grund zum Feiern?

Henseler: Wir werden zumindest mit Veranstaltungen daran erinnern. Unser Gedanke ist, 50 Jahre zurückzuschauen, die jetzige Zeit zu betrachten und einen Blick 50 Jahre nach vorn zu wagen. Man darf nicht vergessen, dass die kommunale Neugliederung auch Wunden gerissen hat. Wir diskutieren immer noch, ob die Rheinorte im Stadtgebiet benachteiligt sind. Man kann tun, was man will, das Gefühl ist immer noch da.

Bornheim ist also noch immer nicht vollständig zusammengewachsen?

Henseler: Kommunale Neugliederung war sicherlich notwendig, auch was die Verwaltungsstrukturen betrifft. Wir können in einer 50 000-Einwohner-Stadt Dinge auf den Weg bringen, die in einem kleinen Amt nicht möglich wären. Aber Bornheim bleibt eine Stadt aus 14 selbstbewussten Orten.

Die Kommunen sollen vom Land mehr Geld für die Betreuung von Flüchtlingen bekommen. Das ist doch ein Grund zur Freude, oder?

Henseler: Das Land tut nichts anderes, als die Mittel aus der Integrationspauschale des Bundes an die Kommunen, wo die Integration geleistet wird, weiterzugeben. Das ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir haben aber eine Menge Kosten, die nicht gedeckt sind. Das größte Problem ist die fehlende Finanzierung der geduldeten Flüchtlinge. Das macht bei uns einen Betrag von über drei Millionen Euro pro Jahr aus. Ich habe eine klare Erwartung an Bund und Land, die in den Kommunen entstehenden Kosten für Flüchtlinge komplett zu erstatten.

Welche Schlagzeile wollen Sie über Bornheim im Jahr 2019 auf keinen Fall lesen?

Henseler: Ich komme jetzt auf keine konkrete Schlagzeile, sondern hoffe, dass ich keine Katastrophenmeldungen lesen muss.

Steigt der 1. FC Köln auf?

Henseler: (lacht) Ja klar. Mannschaft und Verein sind auf einem guten Weg.

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