Interview mit Norbert Nettekoven "Das gefährdet Existenzen"

BORNHEIM · Bauhaus, Toom, Königstraße: In Bornheim ist in Sachen Gewerbeflächen, Sortiment und Entwicklung des Einzelhandels viel in Bewegung. Wie ist es um den Mittelstand in Bornheim bestellt und wie könnte sich die Situation für Einkäufer und Einzelhändler in Zukunft entwickeln? Darüber sprach Ulrike Sinzel mit Norbert Nettekoven, stellvertretender Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU(MIT) NRW und Vorsitzender des Gewerbevereins Bornheim.

Was charakterisiert den Mittelstand in Bornheim?
Norbert Nettekoven: Bornheim ist von den 90ern bis 2004 um 15 000 Menschen gewachsen. Es sind viele Baugebiete ausgewiesen worden, die Infrastruktur musste angepasst werden. Ab 2004 stagnierte die Einwohnerzahl, und jetzt nimmt sie mit dem beschlossenen Flächennutzungsplan wieder zu. Durch die Gewerbegebiete in Sechtem und Bornheim Süd sind zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Bornheim hat eine sehr niedrige Arbeitslosenquote von rund 4 Prozent und es gibt erstaunlicherweise immer noch leicht mehr Gewerbean- als Abmeldungen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung des Bornheimer Mittelstands in Zukunft ein?
Nettekoven: Unternehmen siedeln sich da an, wo sie qualitative Arbeitskräfte und Märkte finden. Wir müssen erreichen, dass vor allem junge Menschen nach Bornheim ziehen. Das können wir über eine gute Wohnungsbaupolitik fördern. Dazu gehören aber auch Freizeitangebote. Ein Einwohnerzuwachs von 500 Personen pro Jahr ist ein realistisches Ziel. Wachstum in dieser Größenordnung erhält uns die Infrastruktur, ohne dass wir zu viel investieren müssen. Dadurch steigt die Kaufkraft: Das ist wichtig für den Einzelhandel, und wir erhöhen das Arbeitskräfte-Potenzial.

Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach der geplante Einbahnstraßenbetrieb der Königstraße auf den Einzelhandel in Bornheim auswirken?
Nettekoven: Das 2004 beschlossene integrierte Handlungskonzept soll das Bornheimer Zentrum stärken und attraktiver machen, diese Grundausrichtung ist richtig. Das Zentrum versorgt die Orte Bornheim, Dersdorf, Brenig und Teile von Waldorf, Roisdorf und Alfter: Das muss erhalten bleiben. Allerdings wäre eine verkehrsberuhigte Zone besser. Ein Geschäftsbereich wie die Königstraße lebt von der Frequenz. Wenn wir die wegnehmen, riskieren wir, dass bei mehr als 10 Prozent Kundenverlust Existenzen bedroht sind. Wir werden versuchen, noch etwas gegen den Einbahnstraßenbetrieb zu unternehmen, denn ich halte ihn für in hohem Maße schädigend für das Zentrum von Bornheim.

Wäre für die Einkäufer eine Fußgängerzone nicht besser als nur ein verkehrsberuhigter Bereich?
Nettekoven: Für eine Fußgängerzone braucht man ein entsprechendes Angebot. Für kurzfristige Einkäufe will aber niemand weit laufen. Die Fachgeschäfte in Bornheim brauchen daher eine direkte Verkehrsanbindung.

Welche Bedingungen würden Sie sich für den Bornheimer Mittelstand wünschen?
Nettekoven: Jedes Unternehmen braucht ein gewisses Maß an Planungssicherheit. Die ist durch die Toom-Diskussion seit etlichen Jahren nicht gegeben. Ebenfalls wichtig ist die Kundenfrequenz. Voraussetzung dafür ist, dass die Geschäfte gut erreichbar sind. Und wir brauchen auch einen breiteren Mix von Angeboten als Ergänzung und Verstärkung des bestehenden Sortiments.

Wie stehen Sie denn zur Toom-Erweiterung?
Nettekoven: Eine Erweiterung auf 15 000 Quadratmeter inklusive Einkaufszentrum wäre 150 Prozent mehr Fläche als heute. So, wie das Sortiment im Moment vorgesehen ist, führt das im Lebensmittel-, Elektro- und Textilbereich zu Existenzgefährdungen bei anderen Betrieben. Der Gewerbeverein Bornheim hat neben dem Verkehrsgutachten ein weiteres Gutachten zum Einzelhandel in Auftrag gegeben. Wir werden auch Einwände dagegen erheben, dass die Königstraße und das Rathausumfeld zu einem Hauptversorgungsbereich zusammengefasst werden sollen - dabei liegen Toom und das Kloster 1,2 Kilometer auseinander.

Auch Bauhaus will sich vergrößern. Gefährdet das Existenzen?
Nettekoven: Bauhaus hat heute 60 Prozent der Verkaufsfläche in diesem Sortimentsbereich in Bornheim. Nach einer Erweiterung wären es 70 Prozent, wir haben bereits eine Überversorgung von 160 Prozent. Es kann nicht das Ziel sein, dass bestehende Händler durch weitere Umsatzeinbußen in ihrer Existenz gefährdet werden. Wir riskieren, dass bei den alteingesessenen Unternehmen Arbeitsplätze wegfallen. Es besteht eine große Nachfrage im Gewerbegebiet Bornheim-Süd. Daher ist auch zu prüfen, ob bei einer Veräußerung der Fläche an andere Unternehmen nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen würden als durch die Bauhaus-Erweiterung.

In den Bergorten Bornheims gibt es kaum Nahversorgungsangebote, was für Ältere oder Leute ohne Auto ein Problem darstellen kann. Was kann man da tun?
Nettekoven: Es ist eine wichtige Aufgabe, das Leben in den Bergorten als lebenswert zu erhalten. In Rösberg gibt es beispielsweise Überlegungen, Großraumtaxis zu organisieren, die ins Zentrum fahren, mit den Geschäften als Sponsoren. Das ist ein guter Ansatzpunkt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort