Interview mit Reinhard Griep „Der Individualismus hat stark zugenommen“

Bornheim-Walberberg · Das Gespräch am Wochenende: Reinhard Griep, der seit 25 Jahren die Jugendakademie Walberberg leitet, über Bildungsarbeit und die Reize an seiner Arbeit.

 Leiter und Geschäftsführer Reinhard Griep (3. von rechts) mit Vertretern des Fördervereins der Jugendakademie. Zu den Hauptaufgaben des 59-Jährigen gehört es, Geldgeber zu akquirieren.

Leiter und Geschäftsführer Reinhard Griep (3. von rechts) mit Vertretern des Fördervereins der Jugendakademie. Zu den Hauptaufgaben des 59-Jährigen gehört es, Geldgeber zu akquirieren.

Foto: Sebastian Laubert

1992 haben Sie die Leitungsstelle an der Walberberger Akademie übernommen. Was hat Sie gereizt?

Reinhard Griep: Als Diplom-Pädagoge habe ich nach dem Examen in verschiedenen Jugendbildungseinrichtungen in Norddeutschland gearbeitet. Allerdings habe ich während meines Studiums schon als Honorarkraft in der Jugendakademie verschiedene Seminare gegeben. Dann wurde die Stelle ausgeschrieben, und ich habe zugegriffen.

Hat sich Ihre Tätigkeit im Laufe der Jahre verändert?

Griep: In den Anfangsjahren bestand meine Arbeit je zur Hälfte aus Seminar- und Verwaltungstätigkeit. Das Erzbistum Köln und das Land NRW unterstützten wesentlich die Akademie mit pauschalen Zuschüssen. Das hat sich geändert. Heute haben wir circa 20 öffentliche und private Zuschussgeber, das heißt Stiftungen und Sponsoren für Kurse und Projekte. Deshalb gehört es zu meinen Hauptaufgaben, Geldgeber zu akquirieren. Seminare gebe ich nur noch begrenzt. Thematisch liegen da meine Schwerpunkte heute in der Ökologie und Nachhaltigkeit. So wird es zur Klimakonferenz im November zwei Veranstaltungen geben.

Gibt es Unterschiede zur Bildungsarbeit früher und heute?

Griep: Die Bildungsarbeit ist thematisch vielfältiger geworden. Als ich hier anfing, gab es sehr viele Seminare in Kooperation mit den verschiedensten Schulen, wobei die berufliche und religiöse Bildung im Vordergrund standen. Internationale Jugendbildung gab es erst in den Anfängen. Heute nehmen die internationalen Jugendbegegnungen zum Beispiel mit Partnern aus Bosnien, Polen und Ungarn einen wichtigen Platz ein. Auch die Themenbereiche sind komplexer geworden und reichen von der religiösen und interkulturellen Bildung über eine berufliche Orientierung bis hin zu Begleitseminaren für den Europäischen Freiwilligendienst und Fachtagungen.

Haben Sie Projekte für jugendliche Flüchtlinge?

Griep: Ja. In den Feriencamps im Sommer und im Herbst sollen die geflüchteten jungen Menschen im Rahmen außerschulischer Bildungsangebote und ohne Notendruck Deutsch lernen. Unter der Federführung von Theaterpädagogen ist dann Kreativität gefragt. Die jungen Teilnehmer sollen die Sprache anders und vielleicht auch lustvoll vermittelt bekommen.

Hat sich Ihr Bild von den Jugendlichen im Laufe der Jahre verändert?

Griep: Früher hielten sich Gruppen in der Regel fünf Tage oder länger in der Jugendakademie auf. Da konnten Themen gut bearbeitet werden. Heute liegt die Verweildauer im Durchschnitt bei drei Tagen. Dadurch können Themen und Inhalte nur verkürzt behandelt werden, Lernziele sind schwieriger zu erreichen. Die Themen, die mit dem Erwachsenwerden zu tun haben, wie der Umgang miteinander und das Lösen von Konflikten, sind gleich geblieben. Neu ist heute die Digitalisierung. Früher wurden zusammen Feten organisiert und gemeinsame Musik herausgesucht, heute sitzen die jungen Leute im Foyer und sind mit ihren Smartphones beschäftigt. Der Individualismus hat sehr stark zugenommen, aber das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit ist geblieben.

Welche Krisen mussten Sie in den vergangenen 25 Jahren meistern?

Griep: 1997 stieg das Erzbistum aus der Baufinanzierung aus. Damals musste die Kanalsanierung an den Bungalows durchgeführt werden. Plötzlich standen wir dann ohne Geldgeber da. So gründeten wir den Förderverein, mit dessen Hilfe wir diese Sanierung realisieren konnten. Zehn Jahre später trat das Bistum aus Spargründen aus der strukturellen Förderung aus. Da brach uns mit dem Wegfall des bis dahin gezahlten jährlichen Zuschusses von 216 000 Euro ein Viertel unseres Haushaltes weg. Um das aufzufangen, verzichten die 25 Mitarbeiter bis heute auf einen Teil ihres Gehaltes – sie werden nach Haustarif bezahlt. Außerdem haben wir die Buchungspreise erhöht und sind seitdem stets auf der Suche nach Sponsoren.

Trotz der Preiserhöhung werden Sie gerne gebucht. Woran liegt das?

Griep: Wir sind ein attraktives Haus. Bei den baulichen Maßnahmen und im Service bemühen wir uns, den Wünschen der Gäste zu entsprechen. Wir haben in den vergangenen Jahren immer mehr Räumlichkeiten dazubekommen, haben uns vergrößert und uns baulich auch den jeweiligen Anforderungen der Zeit, zum Beispiel mehr Sanitärbereiche, angepasst. Hatten wir in den 60er Jahren um die 13 000 Belegungen, so kann sich die Zahl mit heute über 17 000 sehen lassen. Das Haus und die Lage sind schön, und wir machen gute Bildungsarbeit.

Welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren?

Griep: Die Bauarbeiten werden weitergehen. Die beiden Bungalows müssen grundsaniert werden. Jedes Zimmer soll Dusche und WC erhalten. Auf dem Dach des neuen Westflügels soll noch eine Photovoltaikanlage installiert werden. Das Haus soll mit der Nutzung nachhaltiger Energie zu einem Leuchturmprojekt in der Bildungsarbeit werden. Klimawandel und Nachhaltigkeit werden in künftigen Seminaren ebenso verstärkt im Fokus stehen wie multikulturelle Begegnungen und die Auseinandersetzung mit Religionen.

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