Interview mit der Bornheimer Beigeordneten Der U3-Ausbau in Bornheim geht weiter

Bornheim · Seit 15. August ist die 40-jährige Juristin im Amt und hat bisher noch keine Zeit gefunden, sich um die Gestaltung des Raums zu kümmern. Neben Bildern schwebt ihr eine Sitzecke für Gesprächstermine vor. Welchen Handlungsbedarf die Beigeordnete inhaltlich sieht erzählt sie im Interview.

 Die neue Sozialdezernentin Alice von Bülow.

Die neue Sozialdezernentin Alice von Bülow.

Foto: Antje Jagodzinski

Sind Sie schon richtig angekommen in Bornheim?

Alice von Bülow: Ja, das ging viel schneller als ich gedacht hätte. Das hat vielleicht auch mit der Struktur von Bornheim zu tun. Vieles kann dorfbezogen betrachtet werden. Diskutiere ich in einem Kreis zu einem Thema, erfahre ich auch gleich viele andere Dinge, die das Dorf betreffen. So funktioniert die Verknüpfung von Informationen sehr schnell.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke, und wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Von Bülow: Es gefällt mir sehr gut. Mein Dezernat habe ich schnell kennengelernt. Auch in der Gesamtverwaltung fühle ich mich angekommen. Handlungsbedarf sehe ich insgesamt bei der Digitalisierung und Verschlankung von Arbeitsprozessen. In meinem Ressort sehe ich konkret in der Flüchtlingshilfe, dass die Kommunikation zwischen Stadt und Ehrenamt verbessert werden muss. Aber auch die Organisation des Sozialamtes wollen wir anpassen.

In welcher Hinsicht?

Von Bülow: Es war ja alles eine Feuerlöschaktion. Es galt, mit der Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung irgendwie zurechtzukommen. Jetzt ist ein bisschen mehr Ruhe da, jetzt geht es darum, die Qualität zu verbessern. Der Bereich ist so schnell gewachsen, da konnte so etwas wie Teamfindung nicht stattfinden, und es fehlte die Zeit, um Kommunikationswege zu klären, Prozesse zu überdenken und festzulegen. Das hat zu Reibungsverlusten geführt. Jetzt sind wir aber auf gutem Wege, das alles besser zu strukturieren.

Nun stellt sich natürlich auch immer mehr die Frage, wie Integration gelingen kann. Haben Sie da schon Ideen für einen Pack-an?

Von Bülow: Es gibt schon viele Ideen, es findet schon viel in den Dörfern statt, und es gibt gute Beispiele aus anderen Kommunen. Die Dörfer als Sozialräume sind für mich das Wichtige, weil hier Gemeinschaft und auch Integration am besten funktionieren kann. Klar muss es auch Angebote insgesamt geben, für Spracherwerb, Qualifikation und Jobvermittlung in erster Linie. Aber da, wo man jemanden kennt, der einem hilft, da läuft es am besten. Zum Teil geht es nun darum, bestehende Initiativen fortzuentwickeln, aber auch Neues zu entwickeln. Das wird dann in einem Konzept münden.

Die Flüchtlingsunterbringung war lange das beherrschende Thema in Ihrem Dezernat. Sind andere Aufgaben in den Hintergrund geraten?

Von Bülow: Andere Themen sind nicht vollkommen in den Hintergrund geraten, aber vielleicht nicht mit so viel Geschwindigkeit vorangetragen worden. Das Demografiekonzept ist so eine Aufgabe, auch bei der notwendigen Quartiersentwicklung in den Ortsteilen wurde Fahrt herausgenommen. Ich bin aber dabei, diese Themen wieder aufzugreifen.

Vor Ihrer Wahl gab es viel Wirbel um Ihre Person. Neben CDU und FDP hatte die Kommunalaufsicht zwischenzeitlich Bedenken bezüglich Ihrer Qualifikation geäußert. Hat Ihnen das den Start hier erschwert?

Von Bülow: Nein. Wir arbeiten sachorientiert zusammen. Und wenn man sich anguckt, wie Beigeordnetenstellen besetzt werden, kommt es ja häufig vor, dass politischer Wirbel damit verbunden ist. Damit konnte ich leben, und das liegt jetzt hinter uns.

Eine Besonderheit ist, dass Sie eine weibliche Führungskraft sind. Das gibt es in Kommunalverwaltungen noch selten. Begegnen Ihnen Vorurteile oder Vorbehalte?

Von Bülow: Nein, im Gegenteil: Ich erlebe, dass sich viele – vor allem natürlich die Frauen – freuen, dass es jetzt auch in der Verwaltungsspitze eine Frau gibt. Klar mache ich einiges vielleicht ein bisschen anders. Frauen sind ja gerade in der Kommunikation anders. Bislang habe ich da positive Rückmeldungen bekommen. Ich möchte gerne zeigen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert, auch in so einer Position.

Wie kriegen Sie es denn alles unter einen Hut?

Von Bülow (lacht): Mein Mann ist flexibel, und wir sprechen unsere Terminkalender gut ab. Es gibt Tage, da arbeite ich von 8 bis 23 Uhr, dafür gehe ich an anderen früher. So scheint es zu funktionieren, aber wir müssen uns da noch reinfinden. Und zu Wochenendterminen nehme ich meine jüngste Tochter schon mal mit, zum Beispiel zum Kindergartenfest. So gibt es auch weniger Hemmungen, mich anzusprechen zu Themen, die Kinder betreffen. Aber klar, ganz einfach ist es natürlich nicht.

Wo holen Sie sich Entspannung?

Von Bülow: Viel Freizeit habe ich so gesehen nicht. Aber ich arbeite gerne im Garten. Ich koche auch gerne für die Kinder, unternehme etwas mit ihnen, zum Beispiel eine Radtour oder Wandern, das finde ich entspannend. Was ich viel zu wenig mache, ist Lesen oder mal auf der Gartenliege liegen, das geht im Moment leider nicht. Es ist halt grad die Rush Hour des Lebens.

Wo wollen Sie in Ihrer Arbeit Schwerpunkte setzen? Sie haben ja ein großes Aufgabenfeld mit Schulen, Kindergärten, Inklusion, Demografie, Senioren… Was wird Ihr Steckenpferd sein?

Von Bülow: Das wird der ganzheitliche Ansatz sein. Das ist ja das Schöne und Herausfordernde, dass so vieles in einem Dezernat ist. Klar geht es um Schulen, Kindergärten soziale Einrichtungen, aber das Verbindende ist die Generationenbegegnung, der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Fortentwicklung der Gesellschaft – das begreife ich als meine Aufgabe.

Was meint ganzheitlicher Ansatz?

Von Bülow: Dass man guckt, wo und wie leben wir zusammen, und wie wollen wir künftig zusammen leben. Es geht um Quartiersentwicklung. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich einen Kindergarten nur da planen sollte, wo ich auch das Umfeld betrachtet habe. Wo ich sagen kann, das bringt uns auch in zehn und 20 Jahren weiter. Genauso ist es bei den Schulen und einer zentralen Stadtbücherei oder einer Volkshochschule – es gilt, den Bedarf zu erfassen und mit den Bürgern zu überlegen: Wie bleiben wir attraktiv für Zuzug, aber auch für diejenigen, die hier leben und alt werden wollen und die Identität ihrer Dörfer bewahren möchten.

Wie ist Bornheim denn Ihrer Ansicht nach aufgestellt, gerade was Schulen und Kindergärten betrifft?

Von Bülow: Was die Schulen angeht, ist Bornheim sehr gut aufgestellt. Ich finde das beeindruckend, dass eine Stadt dieser Größe so ein breites Angebot hat und sich auch klar zu den kurzen Wegen bekannt hat. Das ist auch meine Überzeugung, dass die Wege nah sein sollten, gerade in die Grundschule. Für die Kindergartensituation hat Bornheim schon viel gemacht, aber da ist auch noch zu tun. Ich denke, der U 3-Ausbau ist noch nicht abgeschlossen und auch der Ganztag noch nicht.

Ein aktuelles Beispiel ist der angestrebte U 3-Ausbau in Dersdorf…

Von Bülow: Auch hier geht es wieder um den Sozialraum: Was macht es mit einem Ort, wenn da kein Kindergarten mehr ist? Dieser Blick könnte noch viel verstärkter erfolgen. Wenn ich durch Bornheim fahre, sehe ich viele Neubaugebiete, aber in den Ortskernen auch alte Höfe und prägende Gebäude, die nicht bewohnt wirken. Da wäre auch mal Potenzial für eine soziale Einrichtung oder einen Kindergarten, es muss nicht immer auf der grünen Wiese sein. In Dersdorf geht es genau um eine Umwandlung im Bestand, und da gibt es auch geminderte Auflagen. Das möchte ich gerne verhandeln und für den U 3-Ausbau werben. Für Dersdorf wäre das unbestritten sehr wichtig.

Inwiefern sehen Sie überhaupt noch Gestaltungsmöglichkeiten angesichts der desolaten Finanzlage?

Von Bülow: Ich glaube schon, dass Gestaltungsmöglichkeit da ist. Wenn man wenig Geld hat, dann muss man kreativer sein. Und mit diesem Ziel bin ich auch angetreten. Manchmal muss man vielleicht Abstriche in Kauf nehmen, aber oft gibt es Wege ohne die große Investition, zum Beispiel über die Doppelnutzung von Räumlichkeiten oder Netzwerkgründungen mit anderen Kommunen. Das gilt natürlich nicht für alles, aber wenn man die Kreativität vieler, gerade auch aus der Bürgerschaft nutzt, kommt man häufig auch zu günstigen guten Lösungen.

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